Steckbrief BFFS
Der Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler e.V. (BFFS) vertritt die Interessen der Film- und Fernsehschauspieler in Deutschland. Seit seiner Gründung im April 2006 stellt der Bundesverband mit über 2.100 Mitgliedern heute den größten Berufsverband der nationalen Film- und Fernsehindustrie. Hauptanliegen ist eine erfolgreiche und im internationalen Kontext konkurrenzfähige Film- und Fernsehindustrie mit transparenten und fairen Regeln für alle Beteiligten. In dem Bewusstsein, dass Schauspieler Rückgrat und Gesicht einer wichtigen Branche mit hohem Zukunftspotential sind, pflegt der Bundesverband eine enge Vernetzung mit Politik, Sendern, Produzenten und anderen Filmverbänden.Zu den Zielen des BFFS zählen die Schaffung fairer Arbeitsbedingungen und verlässlicher sozialer Standards sowie die Förderung, Ermöglichung und der Schutz künstlerischer Qualität in Ausbildung und Produktion.
Steckbrief Brien Dorenz
Brien Dorenz ist Gründer und Seniorpartner von Dorenz & Ströll Rechtsanwälte (DSR). Er ist Rechtsanwalt seit dem Jahr 2000. Tätigkeitsschwerpunkt ist das Urheber-, Urhebervertrags-, Lizenz- und Arbeitsrecht für Unternehmen, Verbände und Einzelpersonen aus der nationalen und internationalen Film-, Fernseh- und Musikbranche sowie dem Sport. Rechtsanwalt Brien Dorenz studierte Rechtwissenschaften an der Universität zu Köln. Dort war er anschließend zwei Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Seine Spezialisierung auf den Bereich der Medien (TV, Film, Musik) begann mit seiner Tätigkeit bei Super RTL-Fernsehen und anschließend in der Rechtsabteilung des Fernsehsenders VOX. Seine umfangreichen Branchenkenntnisse des TV- und Musikgeschäfts brachte er fünf Jahre lang als Rechtsanwalt in die Kanzlei Scheuermann Westerhoff Strittmatter in Köln ein. Anfang 2005 gründete er gemeinsam mit Rechtsanwalt Peter Ströll die Medienrechtskanzlei Dorenz & Ströll Rechtsanwälte. Seit 2007 ist Brien Dorenz ferner als geschäftsführender Justiziar des Bundesverbandes der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) tätig.
Steckbrief Heinrich Schafmeister
Heinrich Schafmeister wurde 1957 im Ruhrgebiet geboren, wuchs dort auf und erhielt dort seine wesentliche Prägung. Der Beruf seines Vaters – hoher Richter der Sozialgerichtsbarkeit – wirkte auf den jungen Heinrich eher abschreckend, und er nahm sich fest vor, später einmal etwas ganz, ganz anderes zu werden.
Die Beatles weckten in ihm die Liebe zur Musik. Er lernte Klavier, Gitarre und gründete seine erste Band. Nach dem er sein Abitur mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Schwerpunkt bestanden und seinen Zivildienst als Krankenpfleger geleistet hatte, konnte er sich endlich ganz seiner musikalischen Leidenschaft widmen. Ansonsten führte ihn sein „gerader Weg“ durch verschiedene Studien, verschiedene Wohnkommunen, durch verschiedene Jobs. Schließlich tingelte er mit dem Rocktheater Kamikaze Orkester durch deutsche Lande – der Name war Programm. Das brachte ihn auf die Idee. Er brach alles ab, studierte Schauspiel an der Folkwangschule in Essen und machte dort 1984 seinen Abschluss. Als Schauspieler ist er seitdem „mitten drin“: Er ist lange Zeit fest am Theater gewesen, gastiert an verschiedenen Häusern oder Festspielen, zieht mit Theatertourneen von Ort zu Ort, synchronisiert, arbeitet für den Hörfunk, liest, dreht fürs Kino, lebt vom Fernsehen, ist in Movies, Reihen und Serien zu sehen, hat große und kleine Rollen, hat Erfolg und Misserfolg, manches ist herausragend – gut oder schlecht. Er wurde nominiert, er bekam Preise, er war himmelhochjauchzend zu Tode betrübt. Mit seiner Frau Jutta Schafmeister– sie ist Schauspielagentin – ist er seit Ende der Schauspielschulzeit zusammen. Seit 2005 ist er Mitglied in der Deutschen Filmakademie. Im April 2006 übernahm er den „begehrten“ Posten des BFFS-Schatzmeisters. Im Vorstand ist er – die väterliche Prägung setzte sich schließlich doch durch – zuständig für den Sozialversicherungsdschungel.
Über dieses Interview:
Das folgende Gespräch entstand im April 2012 in den Büroräumen von casting-network. Nach sechs Jahren BFFS fanden wir, dass es mal wieder Zeit für ein Interview sei. Hierfür sprachen wir mit dem Rechtsanwalt Brien Dorenz und dem Schauspieler Heinrich Schafmeister über fünf Stunden in ihrer Funktion als Justiziar und Vorstandsmitglied des BFFS über die deutsche SChauspielerlandschaft, den Aufbau des Verbandes und Strukturen sowie über aktuelle Probleme, welche die Schauspieler und somit den Verband beschäftigen: Urheberrecht, Tarife, GVL und Arbeitslosengeld 1.
Legende:
B.D.: Brien Dorenz
H.S.: Heinrich Schafmeister
DIE DEUTSCHE SCHAUSPIELERLANDSCHAFT
Ein Klischee?: „Es gibt einfach zu viele Schauspieler in Deutschland“
H.S.: Ganz klar ein Klischee! Diese Behauptung wird immer wieder gestreut, ohne dass es dafür irgendwelche gesicherten, objektiven Zahlen gäbe. Die Argumentation ist immer die gleiche: „Schauspielschulen sprießen wie die Pilze aus der Erde und werfen immer mehr Schauspieler auf den Markt, die sich gegenseitig in die Hacken treten und letztendlich die Dumpingspirale provozieren…“. Alles Quatsch!
Kann man das anhand von konkreten objektiven Zahlen entkräften?
B.D.: Es gibt amtliche Zahlen vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die diese Legende eindeutig widerlegen. Das IAB ist eine Forschungseinrichtung der Agentur für Arbeit, die zu dieser Forschung gesetzlich beauftragt ist. Als Quelle dient dem IAB nicht irgendein Mikrozensus, sondern die konkreten Sozialversicherungsmeldungen. Alle Sozialversicherungsmeldungen werden dort gezählt und nach Berufskennziffer gruppiert. Allerdings gab es bis Ende 2011 keine spezielle Berufskennziffer für Schauspieler, sondern nur die 832 für „Darstellende Künstler“. Diese Codierung steht für Schauspieler, aber beispielsweise auch Regisseure, Regieassistenten, Inspizienten, Tänzer, Sänger, der ganze Chor und natürlich Synchronschauspieler. Das Kurioseste sind Scherenschneider und Schnellzeichner. Warum sie dazu gehören, ist ein Rätsel, aber sie gehören nun mal auch dazu. Sagen wir mal, im Synchronstudio xy sagt ein Synchronschauspieler „Aua“ und wurde sozialversichert, dann ist der dabei. Wenn irgendein Regieassistent in irgendeinem Theater einen Hammer fallen lässt, sozialversicherungsrechtlich ist er gezählt.
[Anmerkung der Redaktion: Hier geht’s zur entsprechenden IAB-Statistik.]
Ist die schauspielerische Tätigkeit immer eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit?
H.S.: Ja! Ich weiß, dass es durchaus Theater gibt, die an den Gesetzen vorbei die Leute nicht sozialversichern – doch dies außen vor. Anders verhält es sich bei Schauspielern, die ihr eigenes Programm basteln und spielen, die sich zu freien Gruppen zusammenschließen. Gleichzeitig auch Autoren- oder Regieaufgaben übernehmen, als Produzenten fungieren, die also keine reine schauspielerische Tätigkeit ausüben – im Sinne von „Übernahme einer Rollenverpflichtung“. Die können selbständig sein. Allerdings, die meisten können davon allein kaum leben und sind immer wieder in besser bezahlten, sozialversicherungspflichtigen Engagements.
B.D.: Die Statistik belegt beispielsweise, dass im Jahr 2010 nur 20.767 „Darstellende Künstler“ sozialversicherungspflichtig tätig waren. Wenn also ein Synchronschauspieler im ganzen Jahr nur an einem einzigen Tag im Studio war, kann er davon noch nicht leben, wurde aber mitgezählt. Da zur Berufskennziffer 832 neben Schauspielern auch die anderen oben aufgeführten Berufe gehören und die schauspielerische Tätigkeit laut Bundessozialgericht immer eine sozialversicherungspflichtige ist, muss die Anzahl der deutschen Schauspieler weit unter 20.767 liegen. Das war in den letzten Jahren nicht anders. Um die Jahrtausendwende waren die Zahlen der „Darstellenden Künstler“ sogar höher.
Was ist mit den vielen Schauspielerdatenbanken? Hier zählt man wiederum bis zu 20.000 Schauspieler.
H.S.: Dort werden einfach alle Schauspieler – nicht nur in Deutschland, sondern im ganzen deutschsprachigen Raum inklusive Schweiz, Österreich, Luxemburg, Südtirol – gesammelt, die sich irgendwann dort angemeldet haben. Sterbefälle oder Berufswechsel werden dort häufig nicht wirklich eingepflegt – wahrscheinlich konkurriere ich immer noch mit Herbert Bötticher. Rechnet man das auf Deutschland runter, schätze ich, haben wir vielleicht 15.000 oder 12.000 Schauspieler.
Im Bühnenjahrbuch werden in den letzten Jahren um die 6.600 Schauspieler aufgelistet, die im jeweiligen Jahr auf einer deutschen Bühne gestanden haben.
H.S.: Ich beispielsweise, tauche da gleich zwei Mal auf. Es handelt sich also nicht nur um Spielzeitverpflichtete, sondern auch um Gäste. Über die Menge der „hauptamtlichen“ Synchronschauspieler habe ich keine Hinweise. Aber die Anzahl der Schauspieler, die einem Drehort nahe kommen können, liegt bei ca. 4.500. Wir können nur schätzen, dass die Zahl aller Schauspieler in Deutschland zwischen 12.000 und 15.000 liegt. Das war’s dann aber auch.
Um auf die Schulabgängerargumentation einzugehen...
B.D.: Fest steht, dass viele Schauspielschüler sich später nicht im Markt halten können oder wollen. Das ist völlig normal und in anderen Berufen nicht anders. Überlegt doch mal, was Ihr schon alles angefangen habt. Ich war z B. Krankenpfleger, Bundesbahnmitarbeiter, Messebauer, im Teppichgeschäft und Musiker. Wäre ich für diese Berufsausübung in irgendwelchen Datenbanken gebunkert worden, lieferten die ähnlich verzerrte Zahlen wie manche Schauspielerdatenbanken. Es ist also völlig unseriös, von den Ausbildungszahlen auf die tatsächliche Größe einer Berufsgruppe zu schließen. Es gab Zeiten, da ließ sich jeder Dritte in meiner Umgebung zum Homöopathen ausbilden. Demnach müssten wir in einem Meer von homöopathischen Tropfen ertrinken. Naja, es gibt auch selbständige…
Demnächst werden wir nicht mehr so spekulieren müssen. Die 3-stelligen Berufskennziffern wurden im Dezember 2011 durch 5-stellige ersetzt. Schauspieler haben nun ihre eigene Codierung: 94214. Ich hoffe, dann kann uns keiner mehr einreden, „Schauspieler vermehren sich wie die Karnickel.“
[Anmerkung der Redaktion: Tatsächlich gab es laut IAB im Jahr 2010 nur 4.440 sozialversicherte Homöopathen]
STRUKTUREN UND AUFBAU DES BFFS
Den BFFS gibt es nun seit sieben Jahren. Mit über 2.100 Mitgliedern ist er mittlerweile der größte deutsche Berufsverband der Film- und Fernsehbranche, wenn auch noch (!) nicht alle Schauspieler darin vertreten sind. Welche Bilanz zieht Ihr?
B.D.: In der Zeit, die ich nun als Justiziar dabei bin: Eine sehr positive Bilanz! Im Bereich Sozialversicherungsrecht haben wir schon mindestens zwei sehr große Erfolge erzielt und als Tarifpartei sind wir dabei, mit der Produzentenallianz zwei Ergänzungstarifverträge zu verhandeln. Im Bereich Urheberrecht sind wir auf einem guten Weg. Ganz klar haben wir noch einige Baustellen vor uns, und es tun sich auch immer wieder neue auf: Aktuell ist zum Beispiel das Thema GVL [Anmerkung der Redaktion: Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten] eine solche Baustelle.
H.S.: In den sieben Jahren, die ich als Schatzmeister dabei bin, ist aus meiner Sicht als Schauspieler die rechtliche Klarstellung, wie wir sozial versichert werden müssen, ein Riesenerfolg. Dies war jahrzehntelang ein großes Problem, auch für die Arbeitgeber. Nun ist es gelöst bzw. man kann zumindest nachschlagen, wie es zu sein hat. Auch wenn das nicht heißt, dass sich alle immer daran halten, werden Schauspieler nunmehr durchgehender sozialversichert. Außerdem haben wir auch Verbesserungen beim Arbeitslosengeld I durchgesetzt. Wir sind inzwischen eine Berufsgewerkschaft und verhandeln gleichberechtigt und einvernehmlich an der Seite von ver.di das epochale Thema Schauspielergage, Folgevergütung bzw. Erlösbeteiligung.
Zudem hat sich das Image des Schauspielers seit 2006 verändert: Wir trauen uns was zu und haben mittlerweile auch in der Öffentlichkeit einen anderen Stand: Früher sind „namhafte" Schauspieler durch die Presse getrieben und wie Aussätzige, wie Kriminelle behandelt worden, weil sie es gewagt haben, Arbeitslosengeld zu beantragen. Inzwischen ist das akzeptiert, denn letztendlich haben wir den Anspruch darauf. All dies ist auf Initiative des BFFS in den letzten sieben Jahren geschehen und gilt nicht nur für uns, sondern für alle Filmschaffenden.
B.D.: Der Schauspieler galt bisher als Einzelkämpfer. In der Gruppe kann er unter dem Dach des Verbandes bestimmte Ziele erreichen, die er als Einzelkämpfer eben nicht erzielen konnte.
Wie würdet Ihr einem Außenstehenden die Strukturen des BFFS erklären?
B.D.: Der Aufbau ist relativ einfach: Es gibt eine sehr flache Hierarchie. Da der BFFS als eingetragener Verein organisiert ist, muss es schon – von Gesetzes wegen – einen Vorstand geben. Unser Vorstand besteht mittlerweile aus sieben Vorstandsmitgliedern.
H.S.: Einerseits gibt es die Vorstandsebene mit neun „Verantwortungsbereichen“ oder „Ressorts“. Andererseits gibt es die „Arbeitsebene“ und die „Delegierten- und Regionalebene“. Auf der Arbeitsebene sind Mitglieder ehrenamtlich für uns tätig und auch andere Personen, die wir bezahlen müssen. Auf der Delegierten- und Regionalebene engagieren sich die Stammtischpaten, die ebenfalls ehrenamtlich arbeiten und uns nach allen Kräften unterstützen. Im Kulturrat und in der Pensionskasse Rundfunk sind schon „Delegierte“ von uns vertreten. In den GVL-Beirat müssen wir unbedingt Delegierte von uns platzieren und vielleicht werden wir irgendwann auch mal in Rundfunkräten sitzen.
Zwischen all den genannten Ebenen agiert und koordiniert unsere „Schnittstellenebene“. Das ist die Geschäftsstelle in Berlin – in Köln planen wir gerade eine weitere Geschäftsstelle – und die Rechtsabteilung. Im Zentrum dieser Schnittstellenebene schuften unsere guten Rechtsanwälte Bernhard F. Störkmann und Brien Dorenz.
Wer bildet den Vorstand?
B.D.: Es gibt zum einen den Vorsitz: das sind die Schauspieler Michael Brandner, Hans-Werner Meyer und Antoine Monot, Jr.. Als Schatzmeister und in vielen politischen Ressorts fungiert Heinrich Schafmeister. In weiteren Ressorts engagieren sich Julia Beerhold und Thomas Schmuckert. Durch die letzte Mitgliederversammlung bestätigt, ist kürzlich Martin May als siebtes Mitglied dazugekommen.
H.S.: Außerdem haben wir einen Beirat, der bisher noch aus einer Person besteht: Jobst Plog. Dieser war vom 15. Januar 1991 bis 11. Januar 2008 Intendant des NDR und zum zweiten Mal Vorsitzender der ARD von 2003 bis 2004. Wir haben absichtlich auch Persönlichkeiten, die nicht Schauspieler sind, die jedoch sehr viel Erfahrung in der Branche gesammelt haben.
Wie sind die Aufgaben im Vorstand verteilt?
H.S.: Jeder hat seine Ressorts, also Verantwortungsbereiche. Es gibt beispielsweise das Kommunikationsressort mit Hans-Werner Meyer, Michael Brandner und Julia Beerhold, das von Pressesachen, Aktionen bis hin zu Stammtischen reicht. Darunter und unter dem Marketingressort von Antoine Monot wird z. B. der Deutsche Schauspielerpreis verantwortet.
Des Weiteren haben wir ein riesiges Doppelressort mit Thomas Schmuckert und mir, welches das Thema angemessene Vergütung & Arbeitsbedingungen betrifft. Das geht von Tarif- bis Urheberrechtspolitik. Von GVL bis Gagenuntergrenze.
Dann gibt es ein Ressort „Sozialer Schutz“: Alle Versicherungssysteme, die es da gibt, werden dort abgehandelt. Da stehen ganz vorne die gesetzliche Sozialversicherungen: Kranken-, Pflege-, Renten-, und Arbeitslosenversicherung und die Unfallversicherung nicht zu vergessen. Und die restlichen Vorsorgesysteme: Bayrische Versorgungskammer sowie die Pensionskasse Rundfunk. Und dann noch die gesetzliche Sozialversicherung für selbständige Künstler und Publizisten, die Künstlersozialkasse (KSK).
Dann haben wir noch die Ressorts „Aus- und Weiterbildung“, „Casting“ und „Internationales“, um die sich Julia Beerhold kümmert.
Martin May, der Neue im Team, wird am Anfang überall reinschnuppern, um das für ihn geeignete Ressort ausfindig zu machen.
Wie werden Ressortergebnisse kommuniziert?
H.S.: Also, wir reden hier zwar von „Verantwortungsressorts“, doch letztendlich ist es so, dass der ganze Vorstand für alles verantwortlich ist. Dennoch macht es keinen Sinn, wenn jeder sich bei allen Themen in kleinste Details verstrickt, wie beispielsweise, einen Brief zu verfassen.
Es wird ja auch nicht immer auf allen Töpfen gekocht, denn das kann man personell gar nicht schaffen. Größere Organisationen können das auch nicht und das tröstet uns. Mit „größere“ meine ich diejenigen, die wie ver.di beispielsweise viel mehr Geld zur Verfügung haben. Aber auch dort kochen sie nur mit Wasser und viele Aufgaben bleiben bei denselben wenigen Personen hängen.
Unsere Ressortfachleute bereiten die Themen vor und tragen im Anschluss die Ergebnisse in den Gesamtvorstand rein. Spätestens so werden die restlichen Vorstände informiert. Dann beraten wir gemeinsam und beschließen.
Zum Thema Kommunikation: Wie kommuniziert Ihr?
H.S.: Bei uns gibt es wöchentlich eine Telefonkonferenz, die immer um dieselbe Uhrzeit, am Montagabend, stattfindet. Ohne diese Technik wäre das alles, für uns aus finanziellen und logistischen Gründen nicht machbar. Daneben werden auch innerhalb der einzelnen Vorstandsressorts noch andere Telefonkonferenzen mit den Ressortverantwortlichen angesetzt. Darüber hinaus finden mehrmals im Jahr auch persönliche Treffen aller Vorstandsmitglieder an einem Ort statt, um Wichtiges zu besprechen, das den Verband betrifft. Einmal im Jahr findet die ordentliche Mitgliederversammlung meist zur Berlinale statt. Wir kommunizieren allgemein sehr freundschaftlich. Alles, was auf der Vorstandsebene passiert, erfolgt mit Disziplin und Respekt. Und doch geht es zum Teil auch bei uns mal heftig zu. Am Telefon lässt man dann ab und an seinen Gefühlen freien Lauf, aber wir achten ganz besonders darauf, Emotionsausbrüche in einer Mail zu vermeiden (lacht).
Eine weitere Form der Kommunikation ist der monatlich stattfindende Stammtisch. Neben Berlin, München, Köln und Hamburg ist nun auch Frankfurt dazugekommen. Dürfen neben Schauspielern, die Mitglieder sind, auch Nicht-Mitglieder oder andere aus der Branche kommen?
H.S.: Ja, auf jeden Fall. Es kommen zwischendurch Agenten von Schauspielern oder eben auch Kameramänner, von denen manche auch Regisseure sind. Wir haben es bewusst locker gehalten. Wir laden immer wieder Gäste ein: von Politikern über Produzenten, Redakteure, Journalisten bis hin zu Castern. Mit denen wird diskutiert, sie halten selber Vorträge oder stellen Sachen vor.
Wie entstand die Idee zu den Stammtischen?
H.S.: Das war ein Mitgliederwunsch. Die Idee ist unter den Leuten geboren und wurde nicht im Vorstand geplant. Es ist nicht leicht, Stammtische zu führen – man muss sich auch mal auskotzen können, aber es soll auch Licht am Ende des Tunnels erkennbar sein: Beides fördert unser Zusammengehörigkeitsgefühl. Informationen, gepaart mit Entertainment, dazu eine kleine Prise Humor und auch Alkohol: Das ist die richtige Mischung!
B.D.: Und das Ganze hat was Basisdemokratisches. Damit meine ich nicht, dass auf den Stammtischen irgendwelche Beschlüsse gefasst und diese umgehend umgesetzt werden müssen. Vielmehr ziele ich auf die Pflege der Kontakte ab. Es geht darum, Feedback zu dem zu bekommen, was man als Verband macht. Rückhalt von den Mitgliedern zur täglichen Arbeit zu erhalten, ist ebenfalls Sinn und Zweck dieses Zusammenkommens. Das passiert nicht nur im Rahmen der jährlichen Mitgliederversammlung. Mit anderen Worten: Die Mitglieder sollen nicht nur zu den Stammtischen kommen, sitzen und zuhören, sondern sich auch aktiv an der Verbandsarbeit beteiligen.
H.S.: Viele Konzepte, die wir in der Politik, gegenüber Produzenten oder wo auch immer vorschlagen, sind auf diesem Weg entstanden. Der Stammtisch ist so eine Art „Mobilisierungsebene“: Viele Aktionen, wie beispielsweise die „Autogrammkartenaktion an Angela Merkel“ oder „Wir gehen Baden“, die wir für die Aktion Arbeitslosengeld 1 gemacht haben, wären ohne den Stammtisch nicht denkbar.
Wie finanziert sich der Verband eigentlich?
B.D.: Allen voran durch Mitgliedsbeiträge.
H.S.: Und ein paar Fördermitglieder.
Und so ein Deutscher Schauspielerpreis?
H.S.: Der Deutsche Schauspielerpreis hat keinen Cent Mitgliedsbeiträge angetastet, sondern lief über reines Sponsoring.
Der BFFS hat schon seit Jahren eine interaktive Website…
H.S.: Ja, aber wir haben noch höhere Ziele. Ich mache viel mit dem Internet, doch ich merke, dass wir Leute sind, die auf der Bühne arbeiten und nichts dagegen haben, wenn wir uns mal wirklich in die Augen gucken, uns anfassen und auch mal mit einem Bier anstoßen. Das kann das Internet nicht ersetzen.
Werdet Ihr auch mal eine eigene Schauspielerdatenbank haben?
H.S.: Wo unsere Leute wieder latzen müssen? Nein bloß nicht! Wir denken mittelfristig daran, eine Plattform anzubieten, auf dem Schauspieler anzeigen können, wo ihr Material zu finden ist, bei welcher Agentur sie sind u.a.. Auf lange Sicht bemühen wir uns, das Angebot zu erweitern. Alle Schauspieler – nicht nur BFFS-ler – sollten die Chance haben, ihre Daten nur einmal in einen kostenlosen Pool einzugeben. Von dort aus würden ihre Daten über Schnittstellen an die gewünschten Datenbanken weiterverbreitet. Dann müssten die Schauspieler nicht mehr jede Datenbank bedienen und sich die Finger wund tippen.
Wie sieht Eure Zusammenarbeit mit der PR-Agentur orangeblue relations GmbH aus?
H.S.: Das fällt ins Ressort „Kommunikation“. Und wenn man kommuniziert, drohen auch Gefahren. Darum sind wir nicht nur auf unsere Rechtsabteilung, sondern auch auf unsere Presseprofis von orangeblue angewiesen. Eine ungeschickte Pressemitteilung nach einer Tarifrunde kann genauso verheerend sein wie eine rechtliche Ungeschicklichkeit während der Tarifverhandlung.
B.D.: Die Rechtsabteilung ist unmittelbar Bestandteil des BFFS, während orangeblue gefühlt zwar auch ein Bestandteil des Verbandes sein mag, aber formal ein externer Dienstleister in Form einer Agentur ist.
H.S.: Aktuell hatte ich ein Interview mit 1Live und orangeblue war so lieb, es vor Veröffentlichung abzusegnen, sprich meine Zitate.
Dann hoffe ich mal das Beste für dieses Interview…
H.S.: Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen, der nicht zu meinen Ressortverantwortungen gehört und mit dem ich kaum zu tun hatte: Der Deutsche Schauspielerpreis, der für unglaublich viel Furore gesorgt hat. Da hängt orangeblue natürlich ganz dick mit drin in der Arbeit.
Du sprachst eben auch die Rechtsabteilung an. Der Verband arbeitet neben der Kanzlei „Dorenz & Ströll“ Rechtsanwälte“ aus Köln auch mit „Verhoefen, Störkmann, Schwirtzek“ in Berlin zusammen.
H.S.: Ganz ehrlich: Unsere Schnittstellenebene mit Geschäftsstelle und Rechtsabteilung ist der eigentliche Maschinenraum des BFFS. Alles was passiert, muss bei den Damen in Berlin, bei unserem geschäftsführenden Justiziar Bernhard F. Störkmann und bei Brien Dorenz über den Schreibtisch gehen. Das kann Ideen zwar zunächst bremsen, aber Gott sei Dank wird dort auch so manches gebremst (lacht).
Wie gestaltet sich hier die Zusammenarbeit mit dem Verband?
B.D.: Wie in einem klassischen Unternehmen gibt es die „Geschäftsführung“ für die operative Geschäftsebene. Und daneben, als Stabsstelle, die Rechtsabteilung, die quasi in alles eingebunden wird, d.h. nicht nur dann, wenn es ein juristisches Problem gibt.
H.S.: Und die gibt es durchgehend…
B.D.: Um „so Manches“ zu verhindern, schaltet man uns gerne frühzeitig ein. Die Rechtsabteilung, bestehend aus Bernhard Störkmann und mir, ist bei der Durchführung operativer Aufgaben wie Tarifverhandlungen, aber auch nicht juristischer Aufgaben, immer unmittelbar mit dabei. Wir wollen es vorweg vermeiden, dass das Kind sprichwörtlich in den Brunnen fällt. Wir sind Rechtsabteilung und auch beratendes und ausführendes Organ.
H.S.: Die beiden übernehmen auch die strategische und taktische Beratung. Das ist ein Luxus, den andere Verbände sich von der Größe her schlichtweg finanziell gar nicht leisten können.
Wir sind Schauspieler und wir gehen im übertragenden Sinne über einen Gletscher. Die „Gletscherspalten“ sehen wir nicht und wir sind auch schon mal hier und da in eine Gletscherspalte hineingerutscht. Aber zum Glück sind wir abgesichert, in viele sind wir erst gar nicht gefallen, weil wir diese Rechtsabteilung haben.
Aktuell hört man vermehrt, dass Schauspieler aus unterschiedlichsten Gründen gegen Produktionen oder Agenturen Klage erheben, seitdem es den Verband gibt.
B.D.: Ob es jetzt de facto viel mehr Klagen vor Gericht gibt, weil Schauspieler vor die Gerichte ziehen, um ihre Arbeitgeber zu verklagen, kann ich so nicht bestätigen.
Auf jeden Fall stimmt es, dass viele Schauspieler, natürlich insbesondere die Mitglieder des Verbandes, durch die Arbeit des BFFS sensibilisiert werden und punktuell auf uns zurückkommen.
Sie machen sich mehr Gedanken, wie sie Probleme juristisch regeln könnten. Dies war vorher nicht der Fall: sei es aus Angst oder womöglich, weil die Schauspieler diese Kenntnisse noch gar nicht hatten. Im Laufe der Jahre sind folglich die Anfragen seitens der Schauspieler angestiegen.
Hierfür gibt es die juristische Erstberatung, die wir unseren Mitgliedern anbieten, wie beispielsweise in Form einer telefonischen Direktberatung. Wenn es um eine kurze telefonische Auskunft geht, dann erteile ich sie natürlich auch einem Nicht-Verbandsmitglied. Das geht nach meiner Erfahrung aber nicht so weit, dass die Schauspieler – mal von Einzelfällen abgesehen – die Produzenten sofort verklagen. Das würde oft auch gar nicht der einzige oder beste Weg sein.
Was sind hier die meisten Anliegen der Schauspieler?
B.D: Ein klassisches Problem ist immer wieder die Frage der Gestaltung von Agenturverträgen: Die Ausgestaltung der Vertragsverhältnisse zwischen Schauspielern und Agenturen und insbesondere die Frage, in welcher Höhe Agenturprovisionen von Seiten der Schauspieler an die Agenturen zu leisten sind. Wir erhalten auch Anfragen zum Thema Sozialversicherung: Die Schauspieler möchten wissen, wie sie auf Basis des Eckpunktepapiers, das der BFFS erarbeitet hat, korrekt sozialzuversichern sind. Viele Fragen kommen auch zum allgemeinen Vertragsrecht: Wann ist der Vertrag zustande gekommen? Was ist, wenn ich krank bin? Auch Fragen zum Urheberrecht sind sehr häufig Thema, wie beispielsweise angemessene Vergütung oder die Einräumung oder Abtretung von Rechten.
TARIFE
Seit geraumer Zeit setzt sich der BFFS auch für eigene Schauspielertarife ein.
Mit wem wird verhandelt?
H.S.: Wir verhandeln als tariffähiger Verband zusammen mit ver.di für die Arbeitnehmer. Als Verhandlungspartner auf der anderen Seite sitzt die Produzentenallianz für die Arbeitgeber, d.h. die Produzenten.
B.D.: Ein immens wichtiges Thema von Anbeginn an! Der Bereich „Tarif“ für Schauspieler umfasst zwei Unterbereiche: „Schauspielergagen“ und „Erlösbeteiligung“.
Wie ist hier der aktuelle Verhandlungsstand?
H.S.: Bisher gibt es lediglich den Manteltarifvertrag, der allgemein für alle Filmschaffende gilt. Der Gagentarifvertrag regelt die Tarifgagen für das Team und der Kleindarstellervertrag die Gagen für die Edelkomparsen bis hin zu den Hintergrunddarstellern.
B.D.: Zu diesem Manteltarifvertrag verhandeln wir derzeit zwei Ergänzungstarifverträge.
Die Vergütung von Schauspielern umfasst allgemein formuliert zwei Bereiche: den Bereich „Arbeitsleistung“ und den Bereich „Rechteübertragung“. Aus diesem Grund heißt es in Schauspielverträgen auch regelmäßig: „Für die nach diesem Vertrag erbrachten Leistungen und die nach diesem Vertrag übertragenen Rechte erhält der Schauspieler x/y die Gage x/y.“
H.S: Es hat im Jahre 2002 eine Gesetzesänderung gegeben bzw. eine Ergänzung zum Urheberrechtsgesetz. § 32 des Urhebergesetzes besagt nun, dass Urheber bzw. Leistungsschutzberechtige wie Schauspieler Anspruch auf eine „angemessene Vergütung“ haben. „Angemessen“ bezieht sich auch auf den Erfolg eines Werkes. Aufgrund dieser Neuregelung ist in der Praxis ein Konflikt entstanden: Verträge, die auf einer Buy-out- Basis abgeschlossen wurden – das heißt, man bekommt eine einmalige Geldzahlung und überträgt im Gegenzug sämtliche Rechte – widersprechen sehr häufig dieser Regelung.
Gibt es Buy-out auch in anderen Ländern?
H.S.: Im Gegensatz beispielsweise zum US-amerikanischen System ist Deutschland eine der wenigen Ausnahmen, die diesen fatalen Weg des Buy-outs mit dem Aufkommen der privaten Fernsehsender gegangen ist. Und damit wurde die Absicht des Urheberrechts schlichtweg ausgehebelt: Der Urheber, der Leistungsschutzberechtigte, erhält keine Folgevergütung, wird nicht am Erfolg beteiligt.
B.D.: § 32 des Urheberrechtsgesetzes bedeutet für die Praxis, dass vom Gesetzgeber eigentlich nicht die Zahlung einer einmaligen Vergütung gegen die auch zeitlich uneingeschränkte Übertragung sämtlicher Rechte gewünscht ist, sondern vielmehr eine fortlaufende Vergütung. Das heißt, Urheber und Leistungsschutzberechtigte sollten, solange die Auswertung des Filmwerkes erfolgt, auch fortlaufend an den Erträgen, die daraus folgen, beteiligt werden.
Gerade im Hinblick auf die veränderte Marktsituation des Internets und der DVD ein sehr wichtiger Faktor.
H.S: Absolut. Aber bisher haben wir nur – sehr bildlich – über das Dach gesprochen. Wir bauen aber ein Haus. Wie viel Stockwerke hat das Haus eigentlich? Oder gibt’s nur einen Keller? Von „angemessener Vergütung“ können wir ja nur reden, wenn wir die Folgevergütung mit der Gage gemeinsam betrachten. Bisher existieren noch keine tariflichen Gagenregeln für Schauspieler. Das ist ein sehr großes Manko, in dieser Zeit, wo die Gagen allgemein, auch gerade bei den Schauspielern, so verfallen, dass gerade am unteren Ende sehr viele Schauspieler auf „Tier-Niveau“ bezahlt werden.
Wie würdet Ihr den Gagenverfall der Schauspieler in den letzten Jahren bilanzieren?
H.S: Also die Erfahrungen sind, dass die Jahreseinkünfte der Film- und Fernsehschauspieler insgesamt in den letzten Jahren um ca. 50 Prozent brutto gesunken sind. Wir haben weniger Aufträge, weniger Drehtage – die dafür aber länger dauern – und weniger Gage pro Drehtag.
„Auf den Hund gekommen“ ist eine Aktion des BFFS. Hier werden allen voran Schauspieler und Agenten gebeten, anonym Lohn-Dumping-Praktiken von aktuellen Projekten namentlich und mit Gage zu melden! Wie war hier der Zulauf und sind diese Listen öffentlich einsehbar?
H.S.: Ganz klar, die Fälle werden mehr: 300, 200 oder 100 Euro Tagesgage für einen gestandenen Schauspieler waren keine Einzelfälle. Da fehlen einem die Worte. Wir haben diese Listen bisher nicht öffentlich gemacht, allerdings haben wir der Produzentenallianz einen anonymisierten Ausschnitt aus dieser Liste gegeben und da kam sie in Erklärungsdruck, weil sie bis dahin geleugnet hat, dass es das wirklich gibt. Es geht nicht darum, mit dieser „Auf den Hund gekommen“-Liste, irgendwelche Menschen an den Pranger zu stellen, sondern die ganze Dumpingszene transparent zu machen, auch gegenüber Sendern. Und es kommt immer häufiger vor, dass Schauspieler, unter welchen Vorwänden auch immer, weniger verdienen als Tiere am Set. Darum brauchen wir eine „Anfängergage“, eine Gagenuntergrenze.
Wer würde unter eine Anfängergage fallen?
H.S.: Nach Auffassung des BFFS sollten Schauspieler, die Schauspielrollen bei Film- und Fernsehen übernehmen, unter einer bestimmten Schmerzgrenze nicht abgespeist werden: Egal, ob es sich nun um Frauen oder Männer handelt, ob sie alte Hasen sind oder gerade von der Schauspielschule kommen.
Gibt es schon konkrete Tarif-Modelle?
B.D.: Wichtig: Es geht in diesem Bereich nicht darum, einen Tarifvertrag zu entwickeln und abzuschließen, in dem jetzt für alle Schauspieler sämtliche Gagen fixiert werden.
Es geht mit dem angestrebten Tarifvertrag im Bereich „Schauspielgagen“ vielmehr darum, die schlimmsten Auswüchse des Gagenverfalls im Bereich Schauspiel zu stoppen. Nach unserer Definition soll auch nicht von einer Mindest-, sondern einer Anfängergage gesprochen werden mit dem Effekt, dass jeder Nicht-Anfänger unter den Schauspielern automatisch eine höhere Gage bekommt. Das führt dann im Ergebnis dazu, dass – angenommen diese Anfängergage würde bei 900 Euro pro Drehtag liegen - es keinen Schauspieler im Film- und Fernsehbereich gibt, der pro Drehtag darunter verdient. Über Ausnahmen, etwa wo fiktionale Produktionen sozusagen industriell hergestellt werden, wie beispielsweise bei Soaps oder Telenovelas, kann man nachdenken.
Darüber ist der Spielraum offen?
B.D.: Genau! Alles, was oberhalb der Anfängergage liegt, soll von der Branche auch weiterhin selbst verhandelt werden: Von den Schauspielern oder ihren Agenturen auf der einen Seite mit den Produzenten und den Sendern auf der anderen Seite. Das soll dem freien Spiel des Marktes weiterhin überlassen bleiben, so wie es bisher war, hier soll und wird der Tarifvertrag ausdrücklich nicht eingreifen.
Ihr wollt also eine Grundsockelgage mit Tendenz nach oben einbauen.
H.S.: Richtig! Übrigens ist das ein Punkt, bei dem sich Schauspieler und die Produzentenallianz auch schon einig sind. Was oberhalb geschieht, wird nicht tariflich geregelt, aber unterhalb dieser Schmerzgrenze sollte auf jeden Fall nicht gezahlt werden. Sonst würden wir den ganzen Agenten die Arbeit wegnehmen.
Wie sollen dann Low-Budget Produktionen wie Studenten- aber auch Debütfilme tariflich behandelt werden?
H.S.: Ich versuche das mal so zu formulieren – auch im Interesse der Produzentenallianz: Wenn nur der Wilde Westen herrscht, jeder seinen Colt zieht und lediglich wild rumgeschossen wird, gewinnt schlussendlich niemand. Und deswegen bemühen wir uns um tarifliche Regeln. Kommen wir somit zum großen Thema: Debütfilm. Hier hat sich im Laufe der Jahre eine Grauzone etabliert. Das ist schlichtweg nicht geregelt und wie das dann mit ungeregelten Bereichen ist, sie mutieren und werden zur Plage. Ganz klar: Studenten müssen üben, das ist ein legitimes Interesse, das von Schauspielern zu Recht stets unterstützt wurde, in dem sie auf ihre Gage weitgehend verzichtet haben. Aber das ist keine Selbstverständlichkeit. Schauspieler und auch unsere Teamkollegen werden zunehmend ausgenutzt und das hat überhandgenommen. Öffentlich-Rechtliche Sender, wie auch private Sender haben sich irgendwie daran gewöhnt, dass sie nachher die Früchte dieser Arbeit ganz lecker auskosten. Dagegen sind wir als Verband Sturm gelaufen. Ich glaube auch mit Erfolg, denn wir haben mit ProSiebenSat.1 fundierte Gespräche vereinbart, leider bisher nicht mit den ARD-Sendern…
Wobei man natürlich immer noch eins klären muss: „Was heißt eigentlich Debütfilm?“ Beim Debütfilm debütiert der Regisseur, vielleicht der Autor, in seltenen Fällen auch eine Produktion. Nicht debütieren der Sender, das Team und die Schauspieler. Diese sind zumeist berufserfahrene Fachleute, die da ihre vollwertige Arbeit tun und deswegen auf Gage verzichten, weil sie einem Lehrling helfen. Das ist die Ausgangssituation. Hier ist ein Regisseur „Lehrling“ und von allen anderen, den Gesellen und den Meistern, wird verlangt, auf ihre Entlohnung, oder auf einen großen Teil ihrer Entlohnung zu verzichten. Weil wir einen oder zwei Lehrlinge unter uns haben?!
Man sagt ja nicht umsonst „Lehrgeld“. Stichwort Theater und Werbung?
B.D: Das fällt nicht in die Tarifverhandlungen.
Abschließende Frage zu den Tarifen: Wie ist der aktuelle Stand der Verhandlungen im Film-Fernsehbereich?
B.D.: Ob wir im Jahr 2012 zu dem Abschluss von einem oder sogar beiden Ergänzungstarifverträgen kommen, das wäre schön, aber ob es so kommen wird, kann ich nicht versprechen, das steht in den Sternen. Es ist möglich, aber nicht sicher.
H.S.: Der Erfolg besteht schon darin …
…dass man am Tisch sitzt und verhandelt.
H.S.: Ja richtig, und das hat es so schlichtweg noch gar nicht gegeben. Wir haben das geschafft in unserer relativ jungen Geschichte. So muss man das sehen und wir haben schon unseren ersten kleinen Arbeitskampf gemacht und werden da auch sicherlich noch andere hinterher schieben.
Ihr habt ja auch schon mehrere Aktionen hinter Euch oder auch sicherlich noch in petto, wenn die Stimmung doch mal kippen sollte?
H.S.: Ja, das sind Arbeitskampfmaßnahmen. Und da kann man auch langsam schon die Schraube enger drehen. Das ist auch schon geplant, je nachdem, wie die Produzenten mitziehen. Das ist völlig klar. Man muss natürlich verstehen, dass das alles so zäh läuft, hängt schlichtweg auch damit zusammen, dass beide Seiten wissen, hier wird Basisarbeit geleistet. Es geht nicht nur darum zu sagen, wir wollen so und so viel Prozent mehr. Es geht darum, ganz neue Tarifwerke zu erschaffen, die es noch nicht gab. Da werden Strukturen gelegt, die sehr wahrscheinlich in Zukunft so schnell nicht geändert werden können.
GVL
Aktuell sorgt die Gesellschaft für Verwertung von Leistungsschutzrechten – kurz GVL – zum einen mit ihrer Umstellung des Verteilungssystems für Unmut bei den betroffenen Künstlern und zum anderen wurde nur eine Tantieme von fast einem Prozent zum Vorjahr ausgeschüttet. Ist dort noch Hoffnung in Sicht?
B.D.: Da will ich nichts beschönigen: Die Situation ist desaströs.
Unsere bisherige Politik im Verband war es, einerseits die GVL bei der Umstellung vom honorar- zum nutzungsbasierten Verteilungssystem zu beraten und andererseits unsere Mitglieder aufzuklären. Honorarbasiert bedeutete, dass wir jahrelang unsere Gagenabrechnungen und Verträge eingereicht haben. Und dann wurde von der GVL anhand unserer Honorare errechnet, was an jeden Berechtigten ausgeschüttet werden sollte. Nun sagte die EU-Kommission auf Druck der anderen Verwertungsgesellschaften in anderen EU-Ländern: „Das geht so nicht. Wir brauchen ein einheitliches System, um uns kompatibel miteinander auszutauschen.“ Da nur die GVL honorarbasiert verteilte, alle anderen Verwertungsgesellschaften nutzungsorientiert ausschütten, musste sich die GVL entsprechend anpassen und auf ein nutzungsbasiertes Verteilungssystem umstellen. Nutzungsbasiert bedeutet, dass nun entscheidend ist, wie stark ein bestimmtes Werk genutzt wird und wie groß die Beteiligung des einzelnen Berechtigten an dem Werk ist. Nun darf nicht mehr unsere Honorarhöhe entscheiden. Die Rollengrößenverhältnisse werden durch die Anzahl der Drehtage ermittelt.
Die Schauspieler mussten sich demnach vom Postweg trennen und auf das neue ARTSYS-System im Internet umstellen. Besonders aufwändig ist die Recherche zur Erfassung der Drehtage bzw. Synchrontakes bei alten Filmen.
H.S.: Das war wirklich eine Hundearbeit, weil eine ganze Vergangenheit aufgearbeitet werden musste. Und dann kam der Schock: Aus vielerlei Gründen erhielten die Schauspieler zum Jahreswechsel nur ca. ein Prozent ausgeschüttet...
Das dreiseitige Begleitschreiben der GVL war – mit Verlaub – ein Schlag ins Gesicht: Zum einen verstand man es nicht recht und dann hatte man noch den Eindruck, dass man mit mehr Geld rechnen konnte – wobei absolut das Gegenteil der Fall war!
Lasst uns an dieser Stelle doch ein paar EU-Länder und deren Methoden beleuchten, um die Rollengrößenverhältnisse zu ermitteln. Damit man ein Gefühl davon bekommt. Stichwort: Spanien!
H.S.: Kein Scherz: Hier sitzen Studenten mit der Stoppuhr und zählen, wie lange ein Schauspieler im Bild ist. Sicherlich eine der genausten Methoden- aber auch die aufwendigste und kostspieligste, die sich die spanische Verwertungsgesellschaft überhaupt nur leisten kann, weil ihr noch andere Gelder zufließen.
Schweiz?
H.S.: Keine Aufteilung in große, mittlere und kleine Rollen. Alle erhalten die gleiche Ausschüttung pro Film. Dadurch sind die Hauptrollenspieler extrem benachteiligt. Sie treten zwar heftiger in Erscheinung, aber in weniger Filmen als die Nebenrollenspieler.
Frankreich?
H.S.: Hier zählt der Abspann. Unseren Untersuchungen zufolge lassen sich aber vom Abspann die Rollengrößen nur sehr bedingt ablesen. Viele Abspänne sind in der Reihenfolge des Erscheinens, manche sogar alphabethisch sortiert.
Lasst uns nun mal evaluieren, woher das Geld eigentlich kommt oder eben auch nicht mehr…?
H.S.: Wichtig: Zweitverwertung bedeutet nicht Wiederholungsausstrahlung. Zweitverwertungsrechte sind die Rechte, die in unserem Vertrag nicht geregelt sind. Ob nun Wiederholungs- oder Buy-out-Vertrag – da sind die Wiederholungsvergütungen geregelt. Entweder kriegst Du was oder eben nicht.
Aber dass in Restaurants, Kneipen, Läden oder Hotels, Musik zu hören ist, die da „rumblubbert“, aber auch unsere Filme gesehen werden können, das wird nicht in unserem Vertrag geregelt. Dafür müssen die Hoteliers und Gaststättenbesitzer an die GVL bezahlen: Das ist der Topf der sog. „öffentlichen Wiedergabe“.
Der zweite, ganz wichtige Topf ist der der privaten Überspielung. In den ist die Industrie gesetzlich verpflichtet einzuzahlen, die Speichermedien herstellt, womit man unsere Filme aufzeichnen, brennen oder irgendwie speichern kann, wie CDs oder DVDs. Auch das ist Zweitverwertung und wird in unseren Verträgen nicht geregelt.
Und warum sind die Töpfe nun leer bzw. warum wurde so wenig im letzten Jahr an die Schauspieler ausgeschüttet?
H.S.: Da hat uns die Politik wirklich einen Bärendienst erwiesen und dies nicht nur den Schauspielern, sondern absolut allen Kreativen. Zu Gerhard Schröders Zeiten – das sage ich jetzt mal salopp – hat die Industrie gesagt: „Wir haben keinen Bock für unsere Speichermedien die Abgaben zu zahlen!“ Und dann hat die Politik gesagt: „Ja, dann streichen wir das halt mal“. Früher gab es feste Abgabensätze – nicht prozentuale – für DVDs und CDs. Die sollten nun weg. Gott und vielen Verbänden sei Dank hat die Politik sich nicht ganz durchgesetzt. Die gesetzliche Pflicht zur Abgabe wurde nicht gestrichen, aber durch eine Regelung ersetzt, die besagt, dass Verwertungsgesellschaften sich mit der Industrie über die Höhe prozentualer Abgaben einigen müssten. Aber Fakt ist, dass bisher diese Einigung kaum stattfand. Und wenn man sich nicht einigt, dann geht es halt vor Gericht. Aktuell laufen hierzu über 300 Prozesse. Eine weitere Tatsache ist, dass die Industrie zurzeit nichts zahlt: Null. Dieser Topf ist restlos leer. Wenn ich also sage, früher haben wir Schauspieler 100 Prozent gekriegt, ist hiermit schon mal ein Drittel weg.
Was ist mit den anderen zwei Dritteln?
B.D.: Auch beim Topf „Öffentliche Wiedergabe“ von Hotels, Kneipen etc. gab es für Schauspieler eine negative Entwicklung: Wurde früher immer das Verhältnis Musik zu Film 60 zu 40 berechnet, wird es heute im Verhältnis 90 für Musik und 10 für Film bemessen. Das heißt für uns nach Aussage der GVL, dass ein weiteres Drittel hier für Schauspieler entfällt.
Und nun kommen wir zum dritten Hammer. Stichwort Rücklagen! Wenn eine Verwertungsgesellschaft – wie jetzt die GVL – eine radikale Umstellung vornehmen muss – was ich auch von der Aufsichtsbehörde, dem deutschen Patent- und Markenamt, die alle Verwertungsgesellschaften prüfen muss, mehrfach bestätigt bekommen habe – dann muss man den potentiellen Rechteinhabern, also uns, eine Übergangsfrist einräumen, in der sie sich nachmelden können. Und diese liegt bei mindestens drei Jahren. Also hat die GVL gesagt: „Drei Jahre Übergangsfrist! 85 Prozent werden zurückgehalten!“ Klar, vielleicht kommen noch im dritten Jahr eine ganze Menge Nachzügler. Dann kann die GVL nicht sagen: „Wir haben nichts mehr, das haben wir alles schon vergeben, Tschüssikowski.“
Hältst Du nun vom restlichen Drittel 85 Prozent zurück, bleiben von den ursprünglichen 100 Prozent 5 Prozent übrig, die an die Schauspieler zum Jahreswechsel verteilt wurden.
Nochwas: Üblich sind drei Jahre Übergangsfrist. Vorausgesetzt alles läuft reibungslos. Davon kann aber wirklich nicht die Rede sein. Die 3-jährige Übergangsfrist wird auf 5 Jahre verlängert. Wir werden also noch länger mit ernormen Rückstellungen rechnen müssen.
Da fällt mir auch noch das US-amerikanische Urhebergesetz ein. Hier kann ein Künstler seine Rechte abtreten. Bei einem wirklich bekannten Musiker könnte ein Studio durchaus mal anklopfen…
H.S.: Das ist auch eine Sache. Machen wir es aber nicht noch komplizierter, sonst verstricken wir uns hier in den Details. Ich möchte erst mal nur diese grobe Rechnung aufstellen, damit die Schauspieler wissen, was da eigentlich passiert, wie sie es sich erklären können.
Was plant der BFFS hierzu? Stichwort Wahlen am 15. Mai!
H.S.: Es reicht nicht, die GVL nur von außen zu beraten, wir Schauspieler müssen da rein: Die GVL hat einen 24-köpfigen Vorstand, Beirat nennt sich das. Zwölf von denen sind von den Gesellschaftern der GVL, dem Orchesterverband und der Musikindustrieverband, berufen. Jetzt bleiben noch zwölf wählbare Beiratsposten übrig: Davon steht den Schauspielern satzungsgemäß nur einer zu, den zurzeit ein Schauspieler vom IVS inne hat, den wir auch kennen und schätzen. Aber er sitzt nicht im wesentlichen Verteilungsausschuss, wo die für uns so wichtigen Fragen entschieden werden. Um auf den Punkt zu kommen: Wir brauchen mehr Beiratsposten und müssen in den Verteilungsausschuss, um die Fehlentscheidungen der Vergangenheit zu korrigieren. Am 15. Mai sind GVL-Wahlen. Da müssen möglichst viele Schauspieler kommen, um unseren Anspruch auf mehr Beiratsposten zu demonstrieren. Thomas Schmuckert kandidiert für den einzigen Beiratssitz, der Schauspielern bisher nur zusteht. Thomas sollte mit möglichst vielen Stimmen von uns gewählt werden, damit er den richtigen Schwung mitkriegt, die Dinge im Interesse aller Schauspieler zu wenden.
Unter Schauspielern gibt es heftige Diskussionen, nach welchen Kriterien die Schauspielrollen in große, mittlere und kleinere eingeteilt werden können. Der BFFS hat vorgeschlagen, sich dabei nach der Anzahl der Drehtage zu richten, und die GVL ist diesem Rat gefolgt. Da gibt es andere, die sagen, dies sei falsch. Aber lassen wir diesen Streit mal außen vor. Ein viel gravierender Aspekt ist die Frage: Wie stark wird der Film überhaupt genutzt? War das ein Nischenfilm oder war das ein Blockbuster? Hier müssen die Marktanteile der Sender und die Ausstrahlungszeiten berücksichtigt werden, hat der BFFS geraten.
Aktuell ist die Situation leider die, dass es gar keine Rolle spielt, wann der Film gesendet wurde. Das heißt, dass z. B. amerikanische Filme, die um „Schlag mich tot“ laufen, genauso bewertet werden wie ein „Tatort“, der acht Millionen Zuschauer hat. Da ist überhaupt kein Unterschied. Und jetzt verstehst du auch dieses Phänomen, dass die Synchronschauspieler zwar viel weniger als früher, aber im Vergleich zu Drehschauspielern durchaus einen höheren Scheck am Start haben.
So, und jetzt kommen wir zu den Sendern und ihren Marktanteilen. Da wurde tatsächlich eine „qualitative“ Unterscheidung gemacht. Da gibt es eine Gruppe A, B und C. Wir fragen jetzt umgekehrt, Frau Thiele, welcher Sender soll in Gruppe A?
ARD, ZDF und natürlich RTL, weil ich doch sagen würde, dass diese die Quotenstärksten sind.
H.S.: Nee, die sind da nicht drin, sondern ZDF Neo, 3.Sat und ARTE. Da wurde so ein Kulturfaktor eingeführt und der widerspricht nach unserer Auffassung zutiefst einer gerechten Verteilung und führt das nutzungsorientierte System ad absurdum.
Hättest Du denn eine Idee für ein adäquates Verteilungssystem?
H.S.: Wie gesagt, die eben genannten Fehlentscheidungen des Verteilungsausschusses müssen dringend korrigiert werden. Um die interne Diskussion zu versachlichen, wie die Rollengrößen unterschieden werden können, führen wir gerade Untersuchungen durch. Wir lassen bei mehreren Filmen stoppen, wie lang jede einzelne Rolle im Bild ist, und berücksichtigen dabei auch die Kameraeinstellungen. So erfahren wir die objektiven Rollengrößen. Dann vergleichen wir, wie sich die anderen Kriterien – Vor- und Abspann, interne Drehplannummerierung, Anzahl der Bilder, Vorstoppzeiten der beteiligten Bilder, Anzahl der Drehtage usw. – dazu verhalten. So können wir beurteilen, welche Kriterien aussagekräftig sind und welche nicht. Diese Ergebnisse werden wir natürlich der GVL und ihrer Aufsichtsbehörde, dem Deutschen Patent- und Markenamt zur Verfügung stellen.
ARBEITSLOSGENGELD 1
Das Arbeitslosengeld 1 fehlt uns noch. Was ist hier bisher erreicht worden und was sind die Hintergründe?
B.D.: Die Schauspieler werden, wie andere Filmschaffende auch, als Angestellte beschäftigt. Daher sind sie, anders als KSK-versicherte selbstständige Künstler, verpflichtet, Beiträge an die Arbeitslosenversicherung zu entrichten. Als „kurz befristet Beschäftigte“ können sie jedoch die Anwartschaftszeit nicht erfüllen und sind somit vom Bezug des Arbeitslosengeld 1 ausgeschlossen. Nicht weniger dramatisch stellt sich das ähnlich gelagerte Problem der Alterssicherung dar. Oft genug kommen sogar vielbeschäftigte Leinwandakteure im Alter nur auf eine Mindestrente oder sind gar auf Hartz IV angewiesen. Wir haben bei allen Schauspielern, ob namhaft oder nicht, eine große Altersarmut. Und auch die liegt im Sozialversicherungssystem begründet, das kurz befristet Beschäftigte benachteiligt.
H.S.: Auf längere Sicht müsste bei befristeten Beschäftigungen unter einem Jahr die Sozialversicherungspflicht gesetzlich verstetigt werden, um Beitragslücken zu schließen. Ziel ist ein Modell, das der Arbeitswelt gerecht wird. Gerecht heißt, dass Schauspieler sicherlich Ansprüche haben. Das heißt aber auch, dass man sie in die Pflicht nimmt – dass Schauspieler, die privilegiert verdienen, mehr in den Topf tun müssen. Dazu wären die Gutverdiener des BFFS auch bereit.
B.D.: Normalerweise musst Du, um Arbeitslosengeld 1 zu bekommen, das gilt nach wie vor, in der Rahmenfrist von zwei Jahren 360 Sozialversicherungstage zusammen kriegen – also mit Beiträgen in die Arbeitslosenversicherung. Schaffst du das nicht, kriegst du keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld 1: Punkt.
H.S.: Hier haben wir 2009 durchgesetzt, dass man schon Arbeitslosengeld 1 beanspruchen kann, wenn man innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren eine Anwartschaftszeit von nur sechs Monaten nachweisen kann. Die Beschäftigungsverhältnisse dürfen jedoch mehrheitlich eine Dauer von jeweils sechs Wochen nicht überschreiten und der Jahresverdienst darf maximal bei 31.500 € liegen. Das war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung…
B.D.: Aber – wie wir voraussahen – völlig unzureichend. Die dreijährige Laufzeit der Regelung hat gezeigt, dass sie nicht greift. Nur eine Handvoll konnte nach ihr Arbeitslosengeld 1 beanspruchen. Daher fordert der BFFS zunächst, die restriktiven Hürden der Regelung zu entschärfen.
Hat man mal ein gutes Jahr, dann wird man bestraft?
H.S.: Ja, diese Verdiensthürde ist auch nach unserer Auffassung völlig systemfremd und ungerecht: Wenn ein Filialleiter einer Bank, der 400.000 Euro im Jahr verdient hatte, arbeitslos wird und zum Arbeitsamt geht, kriegt der sofort Arbeitslosengeld. Da fragen sie ihn nicht, wie viel er verdient hat und sagen auch nicht: „Du hättest ja in den letzten Jahren was zurück legen können.“ Aber die besser verdienenden kurz befristet Beschäftigten will man vom Arbeitslosengeld-1-Anspruch ausschließen. Und das ist völlig widersinnig. Gerecht wäre das nur, wenn die Verdiensthürde generell gelten würde. Das heißt, sie ist eine Diskriminierung der kurz befristet Beschäftigten. Sie gehört eigentlich abgeschafft. Da wir Realisten sind, fordern wir von den Politikern zumindest die Erhöhung der Grenze, so dass sie keinen Schaden mehr anrichtet.
Aktuell gab es im April eine öffentliche Anhörung beim Bundestag, da dieses im Jahr 2009 beschlossene Gesetz befristet war. Was kam dabei raus?
H.S.: Fangen wir erst mal mit dem Positiven an. Gott sei Dank, alle Parteien wollen unser Gesetz nicht abschaffen. Das war, als es vor drei Jahren beschlossen wurde, nicht so. Da gab es eine FDP, die das nicht so klasse fand, da gab es eine SPD, die das Gesetz mit strengen Hürden fesselte, die Agentur für Arbeit sträubte sich wegen der Bürokratie, da gab es auch Gewerkschaftsvertreter vom DGB, die das Gesetz für verzichtbar hielten und der Bund der Arbeitgeber (BDA) war sowieso dagegen. Von den Kulturschaffenden war vor drei Jahren nur der BFFS in der entscheidenden Anhörung und setzte sich für diesen ersten Schritt ein.
So, inzwischen hat sich die Gefechtslage ein wenig gebessert. In der Anhörung am 23. April saßen außer dem BFFS auch Die Filmschaffenden und ver.di und zogen an einem Strang. Und von den Parteien wollen inzwischen alle das Gesetz behalten und auch nachbessern, weil sie alle erkannt haben, dass es so, wie es derzeit aussieht, nicht greift.
Die Regierungskoalition will eigentlich nur eine Hürde entschärfen und zwar die 6-Wochenfrist auf 10 Wochen erhöhen. Immerhin! Aber das ist natürlich viel zu wenig, aber immerhin eine homöopathische Dosis von Verbesserung.
Die SPD will die Hürden ganz abschaffen. Ihr ist es ist egal, wie lang die Beschäftigungen sind, aus denen die Anwartschaftstage stammen, sie müssen nicht überwiegend aus Engagements kommen, die nur sechs Wochen oder zehn Wochen oder – wie wir zumindest fordern – drei Monate dauern. Ebenfalls soll die Verdiensthöhe abgeschafft werden. Zusätzlich will die SPD die alte dreijährige Rahmenfrist wieder haben. Würden die SPD-Pläne umgesetzt, wäre das sehr schön. Aber man muss zu der Historie auch sagen, als die SPD selber an der Macht war, sind die gleichen Bestrebungen an der eigenen Partei gescheitert. Das will ich der SPD nun nicht vorwerfen, aber so war es.
Die Linke fordert so ziemlich genau das gleiche, was die SPD will.
Und Die Grünen...
B.D.: möchten die 6-Wochenbegrenzung und die Verdiensthürde ebenfalls streichen, die Rahmenfrist aber so belassen, wie sie ist. Dafür kürzen sie in ihrem Konzept die nötige Anwartschaftszeit auf 120 Tage. Wenn du also in zwei Jahren vier Monate zusammen kriegen würdest, hättest du Anspruch auf zwei Monate Arbeitslosengeld. Hast du sechs Monate gesammelt, wärst du bei drei Monaten. Acht, vier Monate. Zehn, fünf Monate. Und schließlich bei zwölf, wären es sechs Monate.
Es ist natürlich klar, dass das Gesetz nur so bescheiden nachgebessert wird, wie die Regierung das vorhat. Aber auch diese Neuregelung soll befristet werden – auf zwei Jahre. Das heißt, das Thema bleibt virulent, wir haben einen Schuh in der Tür, es läuft weiter und wir werden weiter dran bleiben.
Die Vorschläge der Oppositionsparteien sind bereits im zuständigen Bundestagsausschuss „Arbeit und Soziales“ an der Mehrheit von CDU/CSU und FDP gescheitert. Aber wer weiß? Vielleicht sind einige der heutigen Oppositionsparteien demnächst in Regierungsverantwortung. Dann werden wir sie beim Wort nehmen und an ihre heutigen Konzepte erinnern.
PENSIONSKASSE
Aktuell gibt es auch Neuigkeiten zur Pensionskassenwahl?
H.S.: Da sind wir noch mittendrin. Ein BFFS-Kandidatenpaar, bestehend aus Vertreter und Stellvertreter, haben wir schon durch. Für den Senderbereich Radio Bremen stehen der Mitgliedervertreter ich und die Stellvertreterin Angela Roy schon fest. Für die Senderbereiche MDR, NDR und Saarländischer Rundfunk gab es jeweils zwei Kandidatenlisten. Hier ist die (Brief-)Wahl gerade im Gange. Für den MDR und NDR haben wir von vorneherein keine Kandidaten aufgestellt. Dort müssen ver.di-Kandidaten sich bewähren. Für den zuletzt genannten Senderbereich Saarländischer Rundfunk kandidieren das BFFS-Paar Anna Ewelina und Armin Dillenberger. Den beiden drücken wir die Daumen.
Nach intensiven Gesprächen mit anderen Arbeitnehmervertretern in der Mitgliedervertreterversammlung der Pensionskasse Rundfunk haben wir uns entschlossen, auf unsere Kandidatenliste für den Senderbereich des SWR zu verzichten. Aber das ist kein „Rückzieher“ – im Gegenteil!
Unsere geplanten Kandidaten, Martin May als Vertreter und Marion Kracht als Stellvertreterin, können trotzdem in die Mitgliedervertreterversammlung platziert werden. Wir haben sogar die Chance, noch ein weiteres BFFS-Gespann in die Versammlung berufen zu lassen. Dann hätten wir dort letztendlich mehr Vertreter, als ursprünglich von uns angetreten sind. Unsere Strategie für die Pensionskasse Rundfunk hat sich bisher bewährt.
AUSBLICK
Mögt Ihr einen vorrausschauenden Ausblick auf das aktuelle Jahr und die nahe Zukunft des BFFS geben?
B.D.: Die aktuellen oder die wichtigsten Ziele hängen natürlich mit den wichtigsten Arbeitsbereichen zusammen, in denen wir tätig sind. Sicher ist es auch ein wichtiges Ziel, den Deutschen Schauspielerpreis als Veranstaltung zu etablieren und weiterhin so professionell zu betreiben. Wenn ich die Arbeitsebene betrachte, wo es um die eigentlichen Sachthemen geht, dann sind ja unsere drei großen Baustellen in diesem Jahr der Bereich GVL, der Bereich Arbeitslosengeld 1 und zum dritten der Bereich Tarifverhandlungen. Und das Ziel für das Jahr 2012 muss ganz klar sein, in allen Bereichen so weit wie möglich zu kommen, im Bereich Tarifverhandlungen, nach Möglichkeit zum Abschluss dieser beiden Ergänzungstarifverträge zu kommen. Wobei wir da im Bereich der Erlösbeteiligung weiter sind als im Bereich der Schauspielgagen.
H.S.: Momentan ja, aber das kann sich immer wieder drehen!
Vielen herzlichen Dank für das Interview!
Offizielle Website des BFFS:
www.bffs.de
Kontakt:
info@bffs.de
Rechtsberatung:
legal@bffs.de
Infos zu den Stammtischen:
www.bffs.de/film/bffs-stammtische.html
Abschließend eine Auflistung bereits erschienener Interviews/Umfragen mit BFFS-Vertretern:
Ein Interview mit Heinrich Schafmeister & Michael Brandner: So! Das machen wir jetzt! | Sommer 2006
Ein Interview mit Julia Beerhold: Sozialversicherungen! | Sommer 2009
Ein Interview mit Hans-Werner Meyer: Aktuelles vom BFFS | Herbst 2010
BFFS-Studie: Schauspielerdatenbanknutzung! | Frühjahr 2011
Weitere Interviews:
Ein Interview mit Antoine Monot, Jr.: Schauspieler als Markenprodukt | Frühjahr 2012
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Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von "casting-network. Das Branchenportal". Mehr zu ihrer Person finden sie in der Rubrik: Über uns.
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