Zum Auftakt des Deutschen Schauspielpreises 2024 sprachen wir mit Hans-Werner Meyer, dem 2. Vorsitzenden des BFFS und Mitglied des Gestaltungsteams, über die Bedeutung und den Einfluss dieses Preises auf die Schauspielgemeinschaft und seine Rolle bei der Thematisierung gesellschaftlicher Fragen.
Dabei ging es auch um Herausforderungen bei der Organisation dieses wichtigen Events und wie die After-Show-Party den Abend für Gewinner*innen und Gästinnen und Gäste abrundet. Erfahrt mehr über die politischen Botschaften und das soziale Engagement, die den Deutschen Schauspielpreis mit seinem diesjährigen Motto „Demokratie verteidigen“ prägen.
Für alle, die nicht live dabei sein können: casting-network überträgt den Deutschen Schauspielpreis in Kooperation mit der Pensionskasse Rundfunk und Preproducer am Freitag, den 13. September ab 19:30 Uhr im Livestream.
Auf diesem Wege noch mal herzlichen Glückwunsch zum Bundesverdienstkreuz für Deine langjährige ehrenamtliche Arbeit beim BFFS. Wie viele Stunden widmest Du speziell der Organisation des Deutschen Schauspielpreises?
Das ist eine etwas heikle Frage, denn ich bin gerade arbeitslos gemeldet, wie die meisten Schauspieler*innen zwischen Engagements oder Drehs. Diese Frage wird mir daher auch beim Arbeitsamt immer gestellt, denn wenn man bei Arbeitslosengeld 1-Bezug mehr als 15 Stunden pro Woche ehrenamtlich arbeitet, selbst wenn es nicht mal eine Aufwandsentschädigung gibt, kann der Bezug des ALG 1 gestrichen werden, weil man dem Arbeitsmarkt nur noch eingeschränkt zur Verfügung steht. Also sagen wir mal so: Es sind sicher weniger ... (lacht)
Du bist das einzige Gründungsmitglied des BFFS, das noch im Vorstand ist. Da kannst Du uns sicher einiges über die Entstehungsgeschichte vom Deutschen Schauspielpreis erzählen.
Ja, ich bin wohl tatsächlich der einzige noch amtierende Zeitzeuge, der von Anfang an dabei war. Fühlt sich nicht an wie 18 Jahre! Und in diesem Jahr verleihen wir bereits den 13. Schauspielpreis, übrigens am Freitag den 13. Angefangen hat das Ganze in einem Restaurant am Potsdamer Platz. Da waren Antoine Monot Jr., Thomas Schmuckert und der damalige Vorstand dabei. Die Idee lag vermutlich, wie man so sagt, in der Luft und wurde von verschiedenen Leuten zu verschiedenen Zeitpunkten und von verschiedenen Orten aus gewissermaßen gepflückt. An dem Abend wurde darüber gesprochen, unter anderem von den beiden. Wer damit anfing, weiß ich nicht mehr. Aber auch unsere damalige Pressebetreuerin Antje Meyer hat diese Idee ein paar Tage später unabhängig von uns geäußert. Ich selbst hatte zu dem Zeitpunkt schon von den SAG Awards gehört und dass diese Preise von Schauspieler*innen für Schauspieler*innen extrem beliebt sind, beliebter noch als der Oscar und ein kollegiales „Wir“-Gefühl unter den Kolleg*innen erzeugt.
Ich fand die Idee daher zwar überzeugend und war folgerichtig und überzeugt davon, dass wir das irgendwann angehen sollten, aber keinesfalls zu dem damaligen Zeitpunkt, denn wir waren ja gerade noch dabei, die Strukturen des Verbandes aufzubauen. Andere waren da unbekümmerter und wiesen zurecht darauf hin, dass wir gerade am Anfang ein solches Instrument zur Durchsetzung unserer Verbandsziele gut gebrauchen können, denn der Schauspielpreis war von vornherein mehr als nur eine Preisverleihung. Er war immer auch ein politischer Hebel. Und wie so häufig gibt es diejenigen, die mit einer Idee nach vorne preschen und andere, die sie dann langfristig umsetzen (lacht).
So wurde der Preis mit viel Idealismus ins Leben gerufen – und weil es ungeachtet meiner Skepsis bezüglich der Durchführbarkeit die richtige Idee zur richtigen Zeit war. Selbst während Corona fiel er nicht aus, auch wenn lange unklar war, ob wir ihn stattfinden lassen dürfen oder nicht. Wir konnten dann mit entsprechenden Auflagen und deutlich weniger Publikum im „Spindler und Klatt“ feiern.
Die erste Preisverleihung fand in einem Hotel statt, richtig? Wie viele Leute waren dabei eingeladen?
Wir sind direkt beim ersten Mal ziemlich groß eingestiegen. Es war während der Berlinale, weit über 500 Leute passten in den Raum, und es war meiner Erinnerung nach auch rappelvoll. Wir hatten Sony als Großsponsor, da war schon eine Menge Geld im Spiel. Beim zweiten Mal war Sony nicht mehr dabei und wir hatten wirklich Geldprobleme. Der Preis fand aber auch da statt, mit deutlich weniger Geld und im Renaissance-Theater. Das Budget für den Schauspielpreis wuchs danach schnell auf die Höhe des Jahresbudgets des BFFS an – das hätte uns ruinieren können, wenn wir auf diesen Kosten sitzen geblieben wären. Glücklicherweise übernahm nach vier Jahren dann La Maison die finanzielle und organisatorische Verantwortung, weil die Sponsorenakquise für uns als Verband nicht mehr zu stemmen war und das Risiko zu groß wurde.
Wer bestimmt die Auswahl der Nominierten und wer entscheidet letztlich über die Preisvergabe?
Es ist ein mehrstufiges System, die Idee dazu hatte Christian Senger, wie so viele der guten Ideen. Wir haben eine achtzigköpfige Vorauswahljury, die aus den 400 bis 500 Produktionen – Kinofilme, Fernsehfilme, Serien, Streaming, die im Jahr im deutschsprachigen Raum produziert werden – möglichst nicht mehr als 100 Produktionen an die siebenköpfige Nominierungsjury weiterleitet. Die Nominierungsjury wählt dann genderneutral aus diesen Produktionen und ggf. noch weiteren, die sie selbst vorschlagen, die vier Nominierten. Nur in der Kategorie „dramatische Hauptrolle“ gibt es sechs Nominierungen. Dann können alle BFFS-Mitglieder entscheiden, wer unter diesen Nominierten die Preisträgerinnen oder Preisträger sein sollen (je eine*r pro Kategorie, und zwei in der Kategorie „dramatische Hauptrolle“.
Inwieweit trägt der Deutsche Schauspielpreis zur Stärkung der schauspielerischen Gemeinschaft bei?
Zum einen ist der Deutsche Schauspielpreis der jährliche Höhepunkt der Schauspielgemeinschaft. Aber auch im Vorfeld, durch die Sichtungen und durch den gesamten Auswahlprozess, findet natürlich eine Stärkung der Gemeinschaft statt, weil man die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen wahrnimmt. Es wird so viel produziert, es gibt so viele Ausspielplattformen, man kann unmöglich alles sehen und weiß oft auch nicht, was man sehen soll. So sorgt der Schauspielpreis für eine Art Fokussierung. Neben all den nationalen und internationalen Produktionen, die man aus verschiedenen Gründen ohnehin sehen will, gibt es auf diese Weise eine Art Schauspiel-Kanon. Man sieht, wer was macht, wer wo spielt, wer was besetzt – und was es überhaupt alles gibt. So entsteht Gemeinschaft.
Der Deutsche Fairnesspreis geht dieses Jahr an Mai Thi Nguyen-Kims Sendung „Wie populistische Politiker uns verarschen“ – Wie politisch ist der Preis?
Wie oben schon erwähnt war er von vornherein auch als politisches Instrument gedacht. Das ist er in zweierlei Hinsicht: Zunächst mal haben wir zwei explizit politische Preise außerhalb schauspielerischer Kategorien: Der zusammen mit unserer Schwestergewerkschaft ver.di verliehene „Deutsche Fairnesspreis“ soll das Bewusstsein für Fairness schärfen, da setzen wir jedes Jahr ein neues Thema: In diesem Jahr lautet es „Demokratie verteidigen“. Jedes Mitglied von ver.di und dem BFFS kann Filme vorschlagen, die diesen Aspekt transportieren oder zum Thema haben, und daraus wählt dann eine aus fünf Filmverbands-Vertreter*innen bestehende Jury die Preisträgerin oder den Preisträger. Auf diese Weise entsteht zwischen den Gewerken eine Debatte über einen speziellen Aspekt von Fairness und wir richten ein Schlaglicht darauf. Beim „Ehrenpreis Inspiration“ wiederum ehren wir Menschen oder Institutionen, die uns im übertragenen Sinne die Bühne bauen, auf der wir als Schauspieler*innen überhaupt erst unseren Beruf ausüben können. In diesem Jahr geht der Preis an Axel Voss. Seit 19 Jahren sitzt er im EU-Parlament und ist ein wichtiger Politiker, der immer ein offenes Ohr für uns hat, unsere Belange versteht und versucht, die Regelungen im Rahmen des technischen Fortschritts so zu gestalten, dass sie uns nützen und nicht schaden, wie beispielsweise jüngst bei der Verabschiedung des AI Acts gesorgt hat.
Der zweite Aspekt, der den Schauspielpreis auch politisch macht, ist der, dass wir durch diese Preisverleihung ein Instrument haben, um mit unseren Sozialpartner*innen in Kontakt zu kommen, sie einzuladen, mit ihnen zu reden und ein Gefühl für das zu erzeugen, was uns ausmacht und was wir brauchen, um unseren Beruf ausüben zu können. Das erspart uns die eine oder andere Arbeitskampfmaßnahme.
Apropos Politik und Euer sonstiger Alltag: Letztes Jahr haben wir über KI und die Streiks in den USA gesprochen, ein Thema, das Euch das ganze Jahr über beschäftigt hat. Was ist derzeit das brennendste Thema?
Das sind mehrere Themen. KI ist nach wie vor das herausragende Thema und der BFFS ist im Übrigen die erste Gewerkschaft in Deutschland, die KI zum Thema bei den Tarifverhandlungen gemacht hat. Die Verhandlungen laufen noch. Das zweite sind die Verhandlungen mit dem Bühnenverein, zusammen mit den Schwestergewerkschaften DDBA und VDO. Da ist auch noch einiges offen. Schauen wir mal, wie es weitergeht. Aber ich bin ganz zuversichtlich, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen. Es gab ja auch schon vorher einen Abschluss nach Jahren der Stagnation. Wir sind dran...
Kommen wir mal wieder zur Feier zurück. Was ist das lustigste Erlebnis, das Dir im Zusammenhang mit der Preisverleihung passiert ist und das Dir wahrscheinlich immer in Erinnerung bleiben wird?
Den Auftritt von Stefan Kurt werde ich nicht vergessen, der in Maske und Kostüm zur Verleihung des ersten Schauspielpreises vor 13 Jahren kam, weil er an dem Abend am Berliner Ensemble Vorstellung hatte. Das Hotel, in dem die Preisverleihung stattfand, war ca. sieben Minuten entfernt. Wir haben die Kategorie, in der er nominiert war, in die Pause seiner Vorstellung verlegt. Er kam rüber gelaufen, hat den Preis tatsächlich auch gewonnen, hat sich bedankt und ist dann sofort wieder zur Vorstellung gefahren. Auch an den Auftritt von Sigmar Gabriel, damals Außenminister, kann ich mich gut erinnern. Er kam von einem Auslandseinsatz und verspätete sich, sodass er nur ein paar Minuten hatte, um seine Laudatio für den Ehrenpreisträger Inspiration – in dem waren das die öffentlich-rechtlichen Sender – zu halten. Ich war hinter der Bühne des Zoopalastes im ständigen Kontakt mit seiner Büroleiterin und holte ihn, als er endlich kam, am Eingang zusammen mit seinen Bodyguards ab und führte ihn hinter die Bühne. Es war Minutenplanung. Er hielt seine Laudatio und rauschte wieder ab.
Worauf freust Du Dich in diesem Jahr am meisten und wirst Du auch wieder als Moderator auf der Bühne stehen?
Wir haben eine neue Location. Wir sind im Clubtheater Berlin, das ist unterhalb des Theaters am Potsdamer Platz, dem ehemaligen Adagio Club. Der Raum hat eine große, langgezogene Bühne in der Mitte und die Zuschauer sitzen 360 Grad drumherum. Das wird eine große Herausforderung, aber ich freue mich drauf, weil das mal wieder was Neues ist. Und ja, ich moderiere wieder zusammen mit Christian Senger und Nadine Heidenreich.
Unser Dreierteam, das hat sich sehr bewährt die letzten Jahre. Die Hauptarbeit macht sowieso Christian Senger, der ist „Mr. Schauspielpreis“, wenn man so will. Aber wir funktionieren zu dritt wirklich hervorragend und es macht wahnsinnig Spaß mit den beiden. Ich freue mich sehr auf diese Verleihung. Und ja, wir haben wieder einen Eröffnungssong, wie immer komponiert von Jörg Hilger. Und ja, es gibt auch wieder einige Überraschungen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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