Die Frage, wie divers die Filmbranche wirklich ist, soll zukünftig mit Hilfe des Datentools OMNI Inclusion Data durch fortlaufende und belastbare Zahlen zur Diversität in der deutschen Film- und TV-Branche erfasst werden. Das in die Pilotphase startende Online-Befragungstool zielt darauf ab, anonyme Diversitätsdaten zu sammeln, ohne gegen Datenschutzrichtlinien zu verstoßen.
OMNI erfasst Datenpunkte wie sexuelle Orientierung, Bundesland, Bildungshintergrund, Geschlechtsidentität und Diskriminierungserfahrungen von Cast und Crew während der Produktion auf freiwilliger Basis. Entwickelt wurde OMNI von der MOIN Filmförderung in Zusammenarbeit mit der Hamburger Digitalagentur Never Final und „The Everyone Project“ aus Australien.
Kurz gesagt, OMNI soll eine fundierte Datenanalyse für ein besseres Diversitätsmanagement liefern. Produktionsunternehmen laden ihre Projekte ins Tool hoch und Crew und Cast füllen die Umfragen schnell und einfach aus. Die Teilnahme ist freiwillig, DSGVO-konform und sicher.'
Das Projekt wird von einem großen Fachbeirat aus der Branche unterstützt, und der Launch für die gesamte Branche ist für 2025 geplant. Wir sprachen mit Inga Becker, Referentin für Diversität & Inklusion bei der MOIN Filmförderung, über OMNI und seine Bedeutung für die Filmbranche.
Was ist OMNI Inclusion Data und was ist die große Vision dahinter?
Mit der digitalen Plattform OMNI werden Daten über diversitätsrelevante Merkmale von Cast und Crew aktueller Medienproduktionen erhoben und der Branche anonymisiert zur Verfügung gestellt. OMNI liefert dadurch eine immer aktuelle und fundierte Datenanalyse für ein besseres Diversitätsmanagement. Unsere Vision ist es, mit präzisen und relevanten Diversitätsdaten die Transparenz und Chancengleichheit in der Filmbranche zu fördern und nachhaltige Veränderungen anzustoßen. Die Filmbranche ist von unter-schiedlichen Machstrukturen durchzogen, die Ungerechtigkeiten hervorrufen. Durch das Erheben von Daten können wir Ungerechtigkeiten aufdecken und ins Handeln kommen. Im Handling funktioniert es so, dass sich Produktionsfirmen bei OMNI registrieren und dort Projekte anlegen. Diese werden dann entweder durch Auftraggeber*innen, wie Sender, Streaming-Dienste und Förderungen oder durch die OMNI-Admins freigeschaltet. Daraufhin wird eine kurze dreiminütige Umfrage an Cast und Crew verschickt, die sie zum Beispiel auf ihrem Smartphone ausfüllen können. Entwickelt haben wir OMNI mit Unterstützung eines großen Branchenbeirats aus circa 25 Vertreter*innen von Sendern, Streaming-Diensten, Förderungen, Verbänden und Organisationen der Filmbranche*.
Welche Daten werden bei OMNI erfasst und welche Diversitätsmerkmale werden berücksichtigt?
In der kurzen Umfrage werden unter anderem Daten zu Altersstruktur, Geschlecht, sexueller Orientierung, regionaler und sozialer Herkunft, Hautfarbe, Fluchtgeschichte, Behinderung, und Care Arbeit erfasst. Darüber hinaus werden Jobtitel und Basisdaten zu den Projekten wie Genre, Budget oder Ausspielung erfasst. Durch die dynamische Kombination dieser Kategorien lassen sich Fragen beantworten, wie: „Bei wieviel Prozent der Kinofilme mit einem Budget über zwei Millionen Euro führen Frauen Regie?“ Oder: „Welche Genres und Formate beschäftigen besonders viele Menschen mit Behinderung in Cast und Crew?“
Untersucht Ihr auch die wirtschaftlichen Aspekte der Diversität in der Filmbranche und, wenn ja, wie?
Der Zeitpunkt der Erhebung liegt in der Produktionsphase, deshalb werden die weiteren Auswertungsschritte nicht in die Untersuchungen miteinbezogen.
Wer darf mitmachen?
Wir wollen, dass OMNI von der gesamten Branche genutzt wird – unabhängig von einer Förderung durch MOIN. Alle Team- und Stabmitglieder dürfen teilnehmen, vorausgesetzt, das Projekt, in dem sie beschäftigt sind, nimmt an OMNI teil. Einmal in OMNI hinterlegt, wird der Datenschlüssel der Person bei nachfolgenden Projekten erkannt, sodass die Umfrage nicht neu ausgefüllt werden muss. Änderungen können jederzeit vorgenommen werden. Für Film- oder TV-Projekte gibt es zwei Wege an OMNI teilzunehmen, einmal aus eigener Motivation über die OMNI-Registrierung oder über Einladungen der auftraggebenden Sender/Streamer oder Förderungen. Alle Firmen mit Sitz in Deutschland dürfen teilnehmen.
Warum können sich Filmschaffende nicht direkt bei OMNI anmelden?
Um die Qualität der Daten zu sichern und das Tool vor Missbrauch zu schützen, sind verschiedene Verifizierungen eingebaut. Eine davon ist z. B. die Freischaltung der angelegten Projekte und eine andere die Teilnahme an der Umfrage auf Einladung einer Produktionsfirma. So stellen wir sicher, dass wir nur Daten von Personen erheben, die aktuell in der deutschen Branche tätig sind. Außerdem steht bei uns die Anonymisierung im Vordergrund, sodass die Datensätze, die aus der Umfrage entstehen unbedingt abgekoppelt werden müssen von persönlichen Daten, wie Namen oder E-Mail-Adressen.
Welche bisherigen Erkenntnisse konnten aus den ersten Erhebungen von OMNI gewonnen werden?
Wir befinden uns derzeit noch in der Pilotphase, die von der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF wissenschaftlich begleitet wird, und wollen im Herbst erste Erkenntnisse mitteilen.
Welche konkreten Maßnahmen plant die MOIN Filmförderung zur Förderung von Diversität basierend auf den OMNI-Daten?
Wir können uns hier vieles vorstellen – neben unseren bestehenden Maßnahmen wie der Diversity-Checklist und den divers besetzten Gremien, sind zum Beispiel Anreizmodelle oder Weiterbildungsmaßnahmen auf der Basis der gelieferten OMNI-Daten denkbar. Bisher werten wir in unseren Jahresberichten aus, wie sich die Fördermittel in den Sparten Regie, Produktion und Drehbuch auf die Geschlechter verteilen und reflektieren dies mit unseren Gremien. Mithilfe der OMNI-Daten soll dies künftig auf allen Diversitätsebenen passieren.
Wie gewährleistet OMNI die Einhaltung der DSGVO und den Schutz sensibler Daten?
Hinter OMNI steht ein umfangreiches Datenschutz- und Sicherheitskonzept, welches wir mit unserer beratenden Anwaltskanzlei, sowie mit den australischen Partnern von „The Everyone Project“ erarbeitet haben. Die Basis unseres Datenschutzes ist sicherzustellen, dass die Teilnahme an der Umfrage zu jeder Zeit freiwillig geschieht. Wir fordern eine wirksame Einwilligung ein und stellen sicher, dass die Datenverarbeitung in der EU stattfindet. Dabei beachten wir die DSGVO sowie die Landesdatenschutzgesetze.
Inwiefern ist die Plattform OMNI ein Vorbild für andere Branchen?
Nicht nur in der Filmbranche ist das Bestreben groß, Machtstrukturen zu ändern und die Verteilung dieser gerecht aufzuteilen. Dafür ist die Datenerhebung unumgänglich, um Transparenz zu schaffen. Während der Arbeit an OMNI sind wir mit einigen Branchen wie Theater, Games und Audio ins Gespräch gekommen, wie sie ähnliche Modelle zur Datenerhebung und -analyse implementieren können. Wir nehmen mit OMNI sicher eine Vorreiterfunktion für die Kultur- und Medienbranche ein.
Welche Rolle spielen Kooperationen wie mit „The Everyone Project“ für den Erfolg von OMNI?
Um den hohen Grad an Sicherheit und Effizienz zu erreichen, war es eine große Hilfe, mit „The Everyone Project“ zusammenzuarbeiten. Sie erheben seit 2020 Diversitätsdaten für die australische Medien- und Filmbranche. Wir konnten auf ihre Sicherheitstechnologien aufbauen und zudem aus der internationalen Zusammenarbeit lernen, was unsere Prozesse erheblich verbessert hat. Generell war die Mitarbeit unseren vielen Beiratsmitglieder im letzten Jahr von besonderer Bedeutung, um das Tool inhaltlich wirksam und benutzer*innenfreundlich aufzustellen.
Welche Erkenntnisse habt ihr aus Australien gewonnen, die schon einen Schritt weiter sind?
In Australien haben sie vor etwa drei bis vier Jahren mit der Datenerhebung begonnen. Es braucht immer etwas Zeit, bis genügend Daten gesammelt sind, um belastbare Aussagen treffen und die Daten im Zusammenhang zu gesellschaftlichen Veränderungen betrachten zu können.
Wie kam die Idee zustande, ein internationales Bündnis zu bilden?
Wir waren in Gesprächen mit internationalen Vorbildern aus Australien, Kanada und UK, um die verschie-denen Plattformen und ihre Wirksamkeit kennenzulernen. In Großbritannien gibt es z.B. das Projekt „Diamond“, das schon länger aktiv ist. Dort konnte festgestellt werden, dass Menschen mit Behinderung im Vergleich zum Durchschnitt der Gesellschaft deutlich weniger in der Filmbranche vertreten sind. Daraufhin wurden Programme gestartet, um diese Menschen mehr zu unterstützen und zu empowern. Solche Maßnahmen haben dazu geführt, dass sich die Datenlage bereits jetzt erheblich verbessert hat www.creativediversitynetwork.com/diamond. Die Technologie, die bei The Everyone Project dahintersteht, sorgt dafür, dass die Daten sicher, schnell und einfach und nur für die vorgesehenen Zwecke genutzt werden können. Das ist eine gute Basis für uns, um deren Backend für die deutsche Branche anzupassen.
Wie ist die Teilnahme an OMNI organisiert?
Eine Produktionsfirma kann sich selbst bei OMNI registrieren oder durch Sender, Streamingdienste und Förderungen dazu eingeladen werden. Für die Cast & Crew-Mitglieder ist es wichtig, dass die Teilnahme freiwillig ist, um den deutschen Datenschutzrichtlinien zu entsprechen. Wir setzen auf persönliche Ansprache und Kampagnen bei beiden Nutzer*innengruppen, um die Beteiligung zu fördern.
Wie beurteilst Du die Teilnahmebereitschaft der Filmbranche an OMNI, wenn es freiwillig ist?
Etwaige Vorbehalte wollen wir durch gezielte Aufklärung und transparente Kommunikation abbauen. Wir sind zuversichtlich, dass die Teilnahme mit zunehmender Bekanntheit und dem sichtbaren Nutzen der Plattform steigen wird und sich zu einem Branchen-Standard entwickelt.
Was hältst Du von einer Diversitätsquote in der Filmbranche und wie sollte diese definiert sein?
Eine verpflichtende Diversitätsquote kann ein wirksames Instrument sein, um systemische Ungleichheiten zu bekämpfen. OMNI konzentriert sich jedoch darauf, anonymisierte Daten zu verarbeiten, um ein umfassendes Bild der aktuellen Situation in der gesamten Branche zu erhalten. Unser Ziel ist es, durch transparente und freiwillige Teilnahme ein Bewusstsein zu schaffen und die Grundlage für nachhaltige Veränderungen in der Branche zu legen.
Wie kann die deutsche Film- und Medienbranche von den Erkenntnissen aus OMNI profitieren?
Durch die kontinuierliche Datenerhebung durch OMNI kann die Branche sich jederzeit selbst überprüfen und so ihr internes Diversitätsmanagement auf eine neue Ebene bringen. Unsere jetzige Zusammenarbeit mit der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, welche viel Erfahrung in diesem Bereich hat, wollen wir gerne weiter fortsetzen, um so die Ergebnisse jährlich im größeren Kontext zu beleuchten. So wird Transparenz geschaffen und die Rückschlüsse können direkt auf den Entscheidungsebenen bearbeitet werden. Eine vielfältigere Branche kann ein breiteres Publikum ansprechen und somit auch wirtschaftlich profitieren. Darüber hinaus können Best Practices entwickelt werden, die als Vorbild für andere Branchen dienen.
Wie wird OMNI bekannt gemacht?
Wir haben verschiedene Ansätze, um OMNI bekannt zu machen. Dazu gehören die persönliche Ansprache und Kampagnen, die bereits auf unserer Webseite gestartet sind. Im Herbst werden wir zusammen mit der Filmuniversität Babelsberg die ersten Ergebnisse unserer Pilotstudie veröffentlichen. Dabei geht es weniger um große Datenauswertungen, sondern mehr darum, wie das Tool angenommen wird und wie wir es weiter verbessern können, um den Produktionsablauf möglichst wenig zu belasten.
Wann wird OMNI für die gesamte Branche zugänglich sein?
Nach der Veröffentlichung der ersten Ergebnisse und Learnings planen wir, OMNI im Jahr 2025 für die gesamte Branche zugänglich zu machen.
www.omni-inclusion.de
OMNI Launch Berlinale 2024
v. l. n. r. Inga Becker, Jan Kampmann, Helge Albers, Claudia Roth und Prince Kuhlmann © MOIN/Thi Thuy Nhi Tran
OMNI kurz erklärt
Welche Fragen werden von OMNI gestellt?
1. In welchem Jahr bist Du geboren?
2. In welchem Bundesland bist Du zur Schule gegangen?
3. Was ist Dein höchster Bildungsabschluss?
4. Was ist der höchste Bildungsabschluss Deiner Eltern oder eines Elternteils?
5. Übernimmst Du die Betreuung von Kindern oder Erwachsenen?
6. Wie beschreibst Du deine geschlechtliche Identität?
7. Identifizierst Du Dich als trans*?
8. Wie beschreibst Du deine sexuelle Orientierung?
9. Hast Du eine Behinderung/Beeinträchtigung?
Wenn Ja: Welche Behinderung/Beeinträchtigung hast du? Chronische Erkrankung, Gehbehinderung, Hörbehinderung/Gehörlosigkeit, Kognitive Behinderung/Lernschwierigkeiten, Körperliche Behinderung, Neurodiver-sität/ Autismus/ADHS, Psychische Erkrankung, Sehbehinderung/Blindheit, Sprachbehinderung
10. Bist Du auf Hilfsmittel oder Assistenz angewiesen?
11. Welche Staatsangehörigkeit(en) besitzt Du?
12. Hast Du selbst einen Migrationshintergrund?
13. Musstest Du flüchten?
14. Wie bezeichnest Du Dich selbst? BiPoc, indigenous, Person of Color, Schwarz/Black, weiß
15. Welcher Religion fühlst Du Dich zugehörig?
16. Wie hast Du den Einstieg in die Filmbranche gefunden?
Berufsausbildung im Filmbereich, Quereinstieg aus anderer Branche, selbsterlernt, Seminare/Workshops, Set-Praktika, Studium, Verwendet/Bekannte
17. Wurdest Du schon einmal aufgrund einem oder mehrerer der folgenden Merkmale diskriminiert?
Alter, äußere Merkmale, Behinderung, Betreuungsverpflichtung, Einkommen/Schicht, Geschlechteridentität, Hautfarbe.
*Mitglieder des Beirats sind: Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, Produzent*innenverband, Norddeutscher Rundfunk (NDR), RTL, SKY, UFA, Produktionsallianz, Queer Media Society, Rollenfang, Österreichisches Filminstitut (ÖFI), Hessen Film & Medien, bremische Landesmedienanstalt (brema), Verdi, Documentary Association of Europe (DAE), Netflix, Schwarze Filmschaffende e.V., UNVERZAGT Rechtsanwälte, Deutsche Filmakademie, European Film Academy, Pro Quote Film, Malisa Stiftung, BKM – Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
Telefon: | 0221 - 94 65 56 20 |
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