Ferdi Fischer begann seine Karriere im Jahr 2003 mit einer Doppelrolle als Stuntman und Darsteller in dem Film „Kampfansage – Der letzte Schüler“. Seitdem hat er sich als einer der führenden Stunt Coordinators etabliert und eine beeindruckende Filmografie aufgebaut, die Filme wie „Inglorious Basterds“, „Suicide Squad“, „Bad Boys for Life“, „The Gray Man“ und „Fast & Furious 10“ umfasst.
Im Jahr 2004 gründete Fischer die Stunt- und Actionfirma „slamartist.com“. Diese Gründung war ein entscheidender Schritt in seiner Karriere, da sie ihm ermöglichte, seine Tätigkeit als Stuntman mit der Koordination und Rekrutierung von Fachleuten in diesem Bereich zu kombinieren.
Ferdi Fischer ist nicht nur für seine beeindruckenden Stunts bekannt, wie den freien Fall aus 45 Metern Höhe auf Umzugskartons, sondern auch für seine technischen Innovationen. Er spielte eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung des Kamerasystems „Warpcam“, das speziell für Action-Aufnahmen konzipiert wurde und inzwischen ein Markenzeichen der Firma MD Pictures in Los Angeles ist.
Zusätzlich zu seiner Arbeit in der Stunt-Branche hat Fischer auch Erfahrung im Fliegen von Filmdrohnen, inklusive FPV-Race-Drohnen, und erstellt professionelle Luftaufnahmen für Filmproduktionen. Seit 2022 bietet er Workshops unter dem Motto „Acting in Motion“ an, um Schauspieler*innen Fachwissen im Action- und Stuntbereich zu vermitteln.
Wie bist du Stunt-Coordinator geworden?
Auf untypische Weise musste ich ziemlich schnell die Aufgaben eines Stunt Coordinators übernehmen. Bei einer meiner ersten Produktionen spielte der eigentliche Stunt Coordinator selbst eine bedeutende Rolle vor der Kamera. Im Verlauf der Produktion übertrug er mir zunehmend seine Aufgaben. Dies ermöglichte es mir, frühzeitig Verantwortung zu übernehmen und wertvolle Erfahrungen in dieser Schlüsselrolle zu sammeln.
Was denkst Du sind die wichtigsten Eigenschaften, die man für diesen Beruf mitbringen sollte?
Neben den typischen Eigenschaften wie einer langen und erfolgreichen Karriere als Stunt-Performer, welche diverse Unterkategorien wie Präzisionsfahren, Martial Arts, Bodystunts und Rigging umfasst, ist die allerwichtigste Eigenschaft die Fähigkeit, sich herausnehmen und mit Abstand das Gesamtbild betrachten zu können.
Wesentlich ist es, die Vision der Regisseur*innen zu verstehen und zu wissen, welche Fähigkeiten die Kameraleute und ihr Team haben, um Action technisch und talentmäßig einzufangen. Ebenso wichtig ist es, wie professionell die dargestellte oder gedoubelte Rolle der Schauspieler*innen rüberkommen soll. All diese Komponenten müssen im Einklang mit dem Flow der Produktion sein, damit die Action und die Dramaturgie nahtlos ineinandergreifen.
Ein weiteres Schlüsselwort ist „Timing“. Ohne das richtige Timing funktioniert nichts. Es ist entscheidend, das Talent zu haben, extrem komplexe und gefährliche Abläufe so abzustimmen, dass die Kamera sie präzise einfangen kann — das ist ein echter Game Changer. Natürlich muss auch das technische Know-how vorhanden sein. Zu wissen, welche Hilfsmittel zur Verfügung stehen, um die Action zu gestalten, und welche Kameraeinstellungen optimal für bestimmte Stunts sind, ist essenziell.
Ebenso wichtig ist die Begabung, die Fähigkeiten meiner Stuntleute sowohl physisch als auch psychisch einschätzen zu können. Es ist entscheidend zu erkennen, wie die Stunt Performer*innen in ungeplanten Extremsituationen reagieren und agieren.
Inwieweit involviert Deine Arbeit die anderen Gewerke am Set, und was ist nötig für einen guten Stunt?
Wie oben angedeutet, es muss das Verständnis für verschiedene Departments vorhanden sein, allen voran für das Kamera-Department. Wie ein lebensgefährlicher Stunt eingefangen wird, entscheidet später darüber, ob die Zuschauer*innen staunen oder gähnen. Ich habe oft erlebt, dass eine richtig coole Actionsequenz entweder gar nicht oder wie ungewollter Slapstick aufgenommen wurde. Aus diesem Grund habe ich die WarpCam® entwickelt, die es ermöglicht, Action technisch auf einem völlig neuen Level einzufangen. Zusätzlich habe ich ein WarpCam®-Team, das sich nahtlos in das bestehende Kamera-Department integriert (www.slamartist.com/warpcam).
Die Regie ist ein weiteres wichtiges Department. Die dargestellte Ästhetik der Charaktere muss auch in Actionsequenzen glaubhaft und plausibel wirken. Stichwort: nonverbale Kommunikation. Diese entscheidet unterbewusst bei den Zuschauer*innen, ob die Action dem Charakter abgekauft wird. Aus diesem Grund übernehme ich seit einigen Jahren ganze Action-Units als Regisseur/Action Director, denn es hat sich als produktiver und zeitsparender herausgestellt.
Hast Du Vorbilder im Stunt-Geschäft? Wer sind Deine Helden?
Ich würde mich definitiv nicht als klassischer Fanboy deklarieren, aber natürlich gibt es Kolleg*innen und Filmschaffende, zu denen ich aufsehe oder bei denen ich in bestimmten Bereichen sage, dass sie es richtig machen. Vor allem bewundere ich Action-Regisseur*innen und Stunt Coordinators, die schon viel weiter sind, als ich und deren Arbeitsweise ich beispielhaft finde. Ein solcher Action Director ist Spiro Razatos. Unter seiner Regie durfte ich bereits an einigen größeren Produktionen mitwirken, wie z. B. „Fast X“, „Bad Boys 3“, „The Gray Man“, „Murder Mystery 2“ und erst kürzlich an der erfolgreichsten Bollywood-Produktion aller Zeiten, „Jawan“, mit dem charismatischen Shah Rukh Khan.
Andere Vorbilder sind die Stunt-Coordinatoren-Brüder Andy und Jack Gill, mit denen ich ebenfalls schon an einigen Produktionen gearbeitet habe. Ihre absolute Professionalität und Gelassenheit in jeder Stresssituation beeindrucken mich jedes Mal aufs Neue.
Wann hast Du Dich zum ersten Mal auf einem Bildschirm oder einer Leinwand gesehen?
Das war schon sehr früh. Da ich früher semi-professioneller Skateboarder war, habe ich bei Werbevideos, Werbefoto-Shootings und Musikvideos mitgemacht. Ich weiß es nicht mehr genau, aber ich denke, es war ungefähr im Alter von 14 Jahren. Wir waren damals sehr eng mit der Stuttgarter Musikszene verbunden, vor allem mit einer Kolchose, zu der „Massive Töne“, „Freundeskreis“ und die „Fantastischen Vier“ gehörten. Ich habe bei deren Musikvideos mitgemacht.
Cool! Was ist Dein absoluter Lieblings-Stunt in Deiner Karriere?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich einen dedizierten einzelnen Lieblings-Stunt habe, aber es gibt einen, der mir in meiner Karriere sehr geholfen hat. Das war ein „Gainer“ von einem 45 Meter hohen Felsen in Kartons. Ein sogenannter „Highfall“ ist nach wie vor in der Stuntszene ein anerkanntes Statussymbol, vor allem bei der älteren Generation.
Auch wenn man diese klassischen „Highfalls“ nicht mehr wirklich braucht, da es technische Weiterentwicklungen wie „Descender“ und allgemein „Wire Work“ und „Rigging“ gibt, werden sie dennoch weiter trainiert und durchgeführt. Und 45 Meter ist schon eine Ansage und hat mir viele Türen geöffnet! Dieser Stunt ist auch auf YouTube zu sehen: www.youtube.com.
Ist die Inszenierung einer Kampfszene anders, wenn sie CGI beinhaltet und was ist CGI?
Das ist sehr fließend und abhängig davon, wie viel CGI verwendet wird. CGI, kurz für „Computer Generated Imagery“, bezieht sich auf die Erstellung von computergenerierten Bildern oder auch nur bestimmten Bereichen, wie z. B. „Face Replacement“ – das nennt man dann „VFX“ (Visual Effects). Dabei haben die Stunt Performer*innen Tracking-Punkte im Gesicht, und später werden die eingescannten Gesichter der Schauspieler*innen darübergelegt. Solche Techniken kommen aber derzeit nur bei sehr hohen Budgets in Frage.
Was wir jedoch immer häufiger machen, und auch bei deutschen Produktionen pushen, sind VFX-Shots. Zum Beispiel habe ich in meiner Action Unit für Detlef Bucks „Asphaltgorillas“ Messer reingeneriert. Meine Fight Performer agierten dann nur mit dem Griff des Messers oder ganz ohne Messer und das VFX-Department von ARRI München hat dann unter meiner Anleitung die VFX-Messer in den Shots generiert. Dadurch konnten wir gefahrlos mit den „Messern“ agieren und auch heftigere Shots generieren. Ich bin der Meinung, dass man noch keine vollständigen Kampfsequenzen realistisch am Computer erzeugen, aber definitiv viele Kampfszenen mit VFX upgraden kann.
Inwieweit wird Deine Arbeit durch die verschiedenen Projekte, die Du machst, beeinflusst?
Wie bei allen anderen Menschen auch lerne ich natürlich ständig dazu. Jedes weitere Projekt, sei es noch so klein, hilft mir, das Gesamtbild noch umfassender betrachten zu können. Wie bei so vielem in der Welt muss man, wenn man wichtige Entscheidungen trifft, ein paar Schritte zurückgehen, um alles zu verstehen.
Gibt es ein Projekt, von dem Du träumst? Was würdest Du gerne mal machen?
Ich schreibe und entwickle schon seit einigen Jahren eine eigene Serie. Diese hat das Potenzial, die ganze Filmwelt auf den Kopf zu stellen, da ich sie maßgeschneidert auf unsere WarpCam®-Technologien entwickle. Auch viele andere Ansätze der Filmindustrie, die schon seit Jahrzehnten überholt sind, streamline ich gerade. Außerdem passe ich die Serie an das Konsumverhalten der jüngeren Generationen an, um sie auf zeitgemäße Weise konsumierbar zu machen. Um es anders auszudrücken: Nicht die Serie zu produzieren ist mein Traum, da es ohnehin passieren wird, wenn die Zeit reif ist, sondern die Möglichkeit zu bekommen, all meine Expertise, Entwicklung und mein Know-how ungehindert einfließen zu lassen.
Welche Rolle spielt Angst bei Deiner Arbeit?
Angst ist immer ein großes Thema, vor allem beim Performen in gefährlichen Actionsequenzen. Da Angst nur im Kopf stattfindet und jeder Mensch anders ist, kann sie gesund oder tödlich sein. Wichtig in unserem Job ist es vor allem, zu lernen, Angst zu kontrollieren. Angst zu haben ist eine Sache, aufgrund von Angst zu agieren eine andere. Psychische Stabilität ist meiner Meinung nach sogar wichtiger als physische Fitness. Das hat sich immer und immer wieder am Set gezeigt. Leider wird das zu wenig thematisiert und deswegen auch nicht so trainiert wie z. B. Kampfsport.
Was ziehst Du für Dich persönlich aus der Arbeit als Stunt-Coordinator?
Jeder Job bringt mir auch persönlich etwas. Ich lerne ständig Neues hinzu und lerne neue Menschen kennen. Ich merke immer wieder, wie sehr ich meinen Job liebe und freue mich, wenn das Resultat zufriedenstellend ist.
Was machst Du lieber, Stunts koordinieren oder sie selbst auszuführen?
Beides, inklusive der Rolle als WarpCam® Operator. Man kann niemals alle Bereiche abdecken, aber wenn ich es schaffe, in jedem Bereich tätig zu sein, ohne dass etwas anderes zu kurz kommt und dies sogar noch dem Workflow dient, dann bin ich glücklich.
Wie gehen Schauspieler*innen mit Deiner Rolle um?
Wie reagieren sie darauf, dass jemand aus Deinem Team sie für gewisse Szenen doubelt?
Das ist ein sehr interessantes Thema, das so weit gefächert ist wie die Persönlichkeiten der Protagonist*innen. Ich habe schon alles erlebt, von Handgreiflichkeiten wegen Ego und Frust bis hin zu Tränen vor Glück. Oft herrscht auch Unverständnis darüber, dass das Doubeln rein aus versicherungstechnischen Gründen stattfindet. Manchmal überschätzen sich die Akteur*innen auch maßlos und verletzen sich. Oder andersherum: Ein*e Protagonist*in will schon lange gedoubelt werden, weil es zu gefährlich ist, aber traut sich nicht, es zu sagen.
In der Regel ist der Stunt Coordinator die Person, an die sich das Team wendet, wenn es um Sicherheit und um sicherheitsrelevante Einschätzungen geht, unabhängig davon, welches Chaos herrscht. In den meisten Fällen respektieren die Schauspieler*innen den Stunt Coordinator sehr, und ich habe die Erfahrung gemacht, dass Schauspieler*innen oft froh sind, dass jemand da ist, der sich um ihre Sicherheit kümmert.
www.slamartist.com
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Castings: „Kampfansage – Der letzte Schüler“ tba | „Inglorious Basterds“ Jenny Jue, Johanna Ray, France: Olivier Carbone, Germany: Simone Bär | „Suicide Squad“ Lindsay Graham, Mary Vernieu | „Bad Boys for Life“ Lindsay Graham, Alejandro Reza, Mary Vernieu, Atlanta: Meagan Lewis, Mexico: Juan Pablo Rincon | „The Gray Man“ Sarah Finn, Krista Husar, Czech Republic: Maya Kvetny | „Fast & Furious 10“ Susie Figgis, Kirsty Kinnear | „Murder Mystery 2“ Maribeth Fox, Laura Rosenthal, Hawaii: Katie Doyle | „Jawan“ Mukesh Chhabra | „Asphaltgorillas“ Mai Seck (BVC), Wenka von Mikulicz
Hinweis: Das Interview mit Casting Director Iris Baumüller (BVC | ICDA) und Schauspieler Henning Baum: „Oscarreif: Die Kunst der Stuntkoordination und des Castings“ findet Ihr in unserem cn-magazin Sommer 2024 und im Premium Bereich.
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