Anne Zander, preisgekrönte deutsche Schauspielerin und stolze Gewinnerin des della Awards 2023 als „Beste gehörlose Schauspielerin“ weltweit, hat die Bühnen der Welt erobert. Ihre beeindruckende Karriere und ihr Beitrag als Schauspielerin machten sie zur perfekten Wahl für diese prestigeträchtige Auszeichnung. Nach dem begeisternden Auftritt von Anne Zander auf der della-Award-Veranstaltung hatte ich die Gelegenheit, mit ihr über ihre Arbeit, den Preis und ihre Visionen für die Zukunft zu sprechen. Der della Award fand am 10. und 11. November erstmals im Studio Babelsberg und im Kino Thalia statt. Während der Preisverleihung wurde auf der Bühne zwischen Deutscher Gebärden- sprache (DGS), American Sign Language (ASL) und International Sign (ISL) übersetzt. Ein bisschen wie Konferenzdolmetschen – und irgendwo gab es natürlich auch noch deutsche Lautsprache.
Als erste weibliche Preisträgerin des della Awards:
Wie war es für Dich, als Dein Name aufgerufen wurde?
Es war ein unglaublicher Moment. Als Lauren Ridloff mit einem Lächeln meinen Namen (sogar perfekt) gebärdete, brannten die Sicherungen in meinem Kopf durch und mein Herz raste. Ich kann es nicht beschreiben, eine unglaubliche Welle von Emotionen kam hoch, aber gleichzeitig musste ich aufstehen und zur Bühne gehen. Und neben mir saß Troy Kotsur, der Oscar-Preisträger. Es war verrückt, es war eine große Ehre für mich, dass Lauren Ridloff mir den Preis persönlich überreichte. Ich empfinde unglaublich viel Stolz und Respekt. Lauren Ridloff hat als Schauspielerin schon in einigen Hollywoodfilmen mitgespielt, und sie übergab mir diesen Ehrenpreis. Das ist schon ein besonderer Moment, den man nicht vergisst. Ich bin überwältigt und dankbar, dass die zum Teil international besetzte Jury meine Arbeit als Schauspielerin bewertet und so entschieden hat. Wie gesagt, das war ein krasser Moment, dazu diese ganze della-Award-Veranstaltung im Studio Babelsberg, die so professionell durchgeführt wurde, dass ich wirklich dachte, ich bin beim Deutschen Filmpreis. Das ist alles sehr viel zu verarbeiten.
Neben der Verleihung fand zwei Tage lang auch ein Filmfestival statt, bei welchem über 2.000 Filme weltweit eingereicht wurden. Konntest Du selbst einige Filme sehen und wie ist hier Dein Feedback?
Ich wünschte, ich hätte die etwa 80 ausgewählten Filme im Kino sehen können, aber leider musste ich echt von einem Interview zum nächsten, zum Q&A, zum Panel und zu Fototerminen springen, mir blieb kaum Zeit.
Du selbst nahmst an einem Panel mit internationalem Input teil.
Was war daran für Dich am meisten beeindruckend und inspirierend?
Ich muss zugeben, dass ich schon etwas k.o. war, weil ich vorher viele Interviews und Fototermine hatte. Das war schon ein bisschen aufregend. Aber es war total schön zu sehen, mit welchem Feuer die Diskussion geführt wurde. Alle scheinen sich untereinander zu kennen, da war es gar nicht so einfach mitzuhalten. Zudem musste auch noch von ASL (American Sign Language) in DGS (Deutsche Gebärdensprache) übersetzt werden. Ich wünsche mir auch hier so eine Leidenschaft, so eine lebhafte Diskussion und so einen Meinungsaustausch.
Das Festival in Potsdam versammelte Talente aus der ganzen Welt.
Du selbst warst vor Ort und gabst Autogramme. Wer war an internationalen Künstler*innen noch da?
Emmanuelle Laborit, Liz Tannebaum, Lauren Ridloff, Troy Kotsur, Shoshannah Stern, Deanne Bray-Kotsur, John Maucere und weitere Schauspieler*innen aus den verschiedensten Ländern.
Bernard Bragg und auch Gunter Trube spielten eine bedeutende Rolle bei der della-Award-Veran-staltung.
Wer sind diese Künstler*innen und wie beeinfluss(t)en sie Deine Kunst?
Ich selbst bin ihnen nicht begegnet. Die meisten Elterngenerationen haben ihn gekannt. Ich gehöre zu einer anderen Generation, nach dem Mauerfall. Gunter und Bragg haben einen unglaublichen Einfluss auf die älteren Gehörlosen, deshalb ist es wichtig, dass diese Persönlichkeiten nicht in Vergessenheit geraten. Gunter ist immer noch sehr präsent, und ich weiß, dass er für die meisten noch lebt. Er war ein unglaublicher Künstler und Aktivist, auch in der LGBTQ-Community. Er war auch, was viele nicht wissen, bei den Dreharbeiten zu „Jenseits der Stille“ dabei, quasi eine Art Urform des Deaf Supervisors – interessant. Das habe ich zufällig entdeckt, weil ich mir auch gerne Making Offs von Filmen anschaue. Die Tatsache, dass beide bis heute präsent sind, zeigt, wie wichtig es ist, an sie zu erinnern, daher war es eine tolle Gelegenheit, den Bernard-Bragg-Preis an Michele Vitale und den Gunter-Trube-Preis an Marco Lipski zu überreichen. Für die Zukunft kann ich mir vorstellen, dass der Gunter-Trube-Preis weiterhin für besonderes Engagement vergeben wird, was Gunter sich damals gewünscht hat, damit die Arbeit fortgesetzt wird.
Das Team auf und hinter der Bühne war zu 99 Prozent selbst taub.
Wie hat das die Dynamik der Veranstaltung beeinflusst?
Es fühlt sich großartig und sicher an, ein Gefühl von Zuhause, ohne Einschränkungen oder halbes Verständnis, sondern 100-prozentiges Verständnis, als Person und Mensch akzeptiert zu werden. Es waren auch einige CODAs dabei, die auch Teil dieser Gemeinschaft sind. Es waren auch gebärdensprach-kompetente Hörende im Team, daher liegt der Schwerpunkt auf der gemeinsamen Arbeit und im Miteinander, nicht nur als unterstützende Kommunikation, sondern als Zusammenarbeit.
Die Botschaft, eine Brücke zur Außenwelt zu schaffen, ist entscheidend.
Wie denkst Du, dass dies erreicht werden kann?
Indem wir auch in Zukunft solche Veranstaltungen durchführen und unterstützen. Die Dynamik der Veranstaltung hat einen großen Einfluss darauf, dass die Teams, die größtenteils aus tauben Mitarbeitern bestehen, in der Lage sind, selbstständig ein qualitativ hochwertiges Festival zu organisieren. Das ZfK hat enorm viel aus eigener Tasche finanziert. Ich denke, wir haben lange genug gewartet und gekämpft, diese Veranstaltung hat allen gezeigt, dass beide Seiten gleichermaßen profitieren können, und ich habe gemerkt, dass viele auch Spaß hatten und gleichzeitig überrascht waren von der Professionalität. Es ist nicht ungewöhnlich, dass dieses alte Bild von Gehörlosen immer noch in den Köpfen der Menschen verankert ist. Es brauchte nur die richtige Zeit und den richtigen Ort, um zu zeigen, dass das nicht stimmt. Die della-Teams, die größtenteils aus tauben Mitarbeitern bestehen, waren in der Lage, selbstständig ein qualitativ hochwertiges Festival zu organisieren. Viele könnten auch in solchen Film- und Fernsehinstitutionen unter gleichen Bedingungen arbeiten. Aber aus Angst und Sorge um die Kommunikation werden solche Chancen „behindert“. Ich bin auch ganz begeistert, dass mein Agent aus Hamburg alle Tage dabei war und alles mitverfolgt hat. Das ist unglaublich wichtig.
Lauren Ridloff & Anne Zander © della AWARD 2023/ZfK e.V. | Christina & UweSchönfeld © della AWARD 2023/ZfK e.V. |
Das Zentrum für Kultur und visuelle Kommunikation der Gehörlosen (ZfK e.V.) spielte eine wichtige Rolle.
Wie wichtig sind die Veranstalter*innen für Dich und Deinen Werdegang?
Oh, ganz wichtig, das ZfK setzt sich stark für kulturelle Angelegenheiten ein. Auch die Gründung der Gunter-Trube-Stiftung wurde durch das ZfK initiiert. Die Umsetzung der Vision, den 1. Internationalen della Award zu stemmen, ist eine Mammutaufgabe. Ich ziehe meinen Hut vor allen, die so viel Zeit und Energie in dieses Festival gesteckt haben. Jetzt sieht man, welch enorme Resonanz der della Award in der Welt ausgelöst hat. Das ist wunderbar und macht mich sehr glücklich. Es ist mit Abstand das außergewöhnlichste Festival der Welt, und ich schätze Christina und Uwe Schönfeld sehr und dass sie es mit ihrer Vision und ihrer Mission geschafft haben, so ein unglaubliches Festival auf die Beine zu stellen. So etwas ist auch mit Risiko verbunden. Man weiß nie, was kommt. Aber es war ein voller Erfolg, und ich glaube, alle im Team sind sehr glücklich, dass es so positiv angenommen wurde. Weitere müssen folgen. Ein historischer Meilenstein wurde gesetzt. Ich schwelge immer noch in Erinnerungen und viele meiner Freunde und Kollegen auch, irgendwie verarbeiten wir das immer noch.
Besonders gefreut hat mich, dass die deutschen Medien wie ARD, ZDF, RBB und allgemein überhaupt die Presse da waren. Sogar in den Tagesthemen wurde über den della Award berichtet! Das gab es hier noch nie. Einige haben mich dann auch angeschrieben, die es gesehen haben und total baff waren. Weil sie so etwas noch nie gesehen oder gehört hatten. Das sagt schon viel. Und es muss in Zukunft diesen della Award geben, damit wir zeigen, dass wir auch mit dem Niveau anderer Filmfestivals mithalten können. Es geht um Sichtbarkeit, Anerkennung, Vernetzung usw., wie Christina Schönfeld schon gesagt hat: eine Brücke zwischen Hörenden und Tauben schaffen. Ich sehe das auch so, ich kenne beide Seiten, aber immer koexistieren wir. Aber ich wünsche mir ein Miteinander, eine Selbstverständlichkeit und kein Reduzieren auf: Wir fördern Inklusion, um den Bedingungen zu genügen – das zeugt von Instrumentalisierung. Es gibt wahnsinnig tolle taube Filme- macher*innen, und wir brauchen diesen Austausch und diese Anerkennung, das fördert die Motivation. Ich brauche das auch! Auf einer hörenden Veranstaltung oder einem Festival, wo viele anwesend sind, kann ich mich kaum austauschen, weil da ganz andere Bedingungen herrschen, wo beide Seiten wenig voneinander profitieren können.
Das International Visual Theatre (IVT) in Frankreich ist eine wichtige Anlaufstelle.
Wie könnten ähnliche Konzepte auch in Deutschland umgesetzt werden?
Es gibt das Deutsche Gehörlosentheater (DGT), das im nächsten Jahr sein 75-jähriges Bestehen feiert. Auch hier gibt es den Wunsch und das Ziel, sich in Zukunft professionell weiterzuentwickeln. Ich bin seit Anfang des Jahres Teil des Projektteams für das Stück „Hamlet“, das bis Ende Dezember 2023 auf Tournee geht. Das DGT soll in seiner Tradition weiter bestehen, ebenso das alle drei Jahre stattfindende DEGETH Festival (Theaterpreis), bei dem ich letztes Jahr überraschenderweise auch den Preis für die „Beste Schauspielerin“ und das „Beste Stück“ gewonnen hatte. Im Dezember besuche ich das IVT, wo ich mit meinem Schauspielkollegen Eyk Kauly in dem Stück „Weast“ auftrete. Ich bin sehr gespannt, und es ist eine besondere Ehre, dort im IVT, das von Emmanuelle Laborit geleitet wird, aufzutreten
Du selbst bist auch Deaf Supervisor. Was ist das?
Deaf Supervisor ist seit dem Spielfilm „Du sollst hören“ (Casting: Phillis Dayanir) ein neues Berufsfeld in der Filmproduktion, das noch weiterentwickelt werden muss. Deaf Supervisor werden erst eingesetzt, wenn auch taube Schauspieler*innen im Film mitwirken. Deaf Supervisor vermeiden typische oder unerwünschte Fehler während der gesamten Filmproduktion. Er hat eine ähnliche Funktion wie ein Sound Supervisor oder VFX Supervisor. Zusätzlich hat der Deaf Supervisor auch eine beratende Funktion für die Crew, damit sich die tauben Schauspieler*innen sich auf ihre eigene Arbeit konzentrieren können. Durch den Einsatz von Deaf Supervisor lassen sich unnötige Erklärungen seitens der Schauspieler*innen vermeiden. Nicht nur am Set, sondern auch in der Postproduktion können die Deaf Supervisor sehr hilfreich sein. Ich selbst arbeite nicht als Deaf Supervisor. Ich habe damals bei „Du sollst hören“ Tobias Lehmann dazugeholt, da ich seine Arbeit als Filmemacher sehr schätze, er hat ein gutes Auge und Gespür für Dinge. Ich möchte mich auf meine Arbeit und meine taube Rolle konzentrieren, und wenn ein Deaf Supervisor da ist, fühle ich mich sicherer und entspannter.
Gebärdensprachdolmetscher*innen und Deaf Supervisors sind mit Kosten verbunden.
Wie könnten diese im Filmbereich zukünftig finanziert werden?
Ich glaube, es ist noch kein geeigneter Topf gefunden worden, viele sind unsicher, wie das finanziert werden soll. Deshalb ist z. B. eine Kooperation mit dem ZfK e.V. ein guter Schritt. Das ZfK e.V. hat Erfahrung und kann gut aufklären. An der finanziellen Frage sollte es nicht scheitern. Natürlich sollten Dolmetscher*innen nicht über das übliche JVEG abgerechnet werden, das würde den Kostenrahmen enorm sprengen. Das gilt auch für Theaterproduktionen. Vielleicht ist das die Sorge wegen der gesetzlichen Regelungen, aber diese gelten nur für Verwaltungsverfahren. Für den kulturellen Bereich ist das alles Verhandlungssache. Derzeit wird eine Vorlage erarbeitet, die als Information an die Produktionsfirmen, Casting Agenturen und Sender gehen soll. Hinweise, Informationen und Kontakte sind aufgeführt, damit für sie eine optimale Vorbereitung und Durchführung möglich ist.
Das ZDF wurde als „Bester Streaming-Anbieter“ ausgezeichnet. Was denkst Du macht es so besonders?
Das ZDF arbeitet seit Jahren daran, nicht nur das Angebot zu verbessern, sondern auch neue Ideen umzusetzen, die aus der Community kommen. Beispiel Referenzkleidung bei Märchen und Spielfilmen. Das ZDF lässt auch zu, andere Übersetzungs- darstellungen auszuprobieren. Ist gerade schwierig, das richtig zu benennen. Und das ZDF hat in der Vergangenheit und mit ZDF-Digital Vorschläge aufgenommen, welche Formate hinzukommen bzw. gestrichen werden. Das war und ist keine Selbstverständlichkeit.
Was wünschst Du Dir für die zukünftigen tauben Künstler*innen?
Dass sie mutig bleiben. Wir brauchen Vorbilder. Empowerment, Glaube, weniger Ego, sondern dass man gemeinsam diesen Weg geht, um für mehr Anerkennung und Sichtbarkeit zu kämpfen. Mein Weg war schon sehr schwierig, ich musste mich auf beiden Seiten beweisen und das war wirklich hart. Und es gibt immer Kritik, die man manchmal auch nicht so einfach wegstecken kann. Es braucht einen starken Willen und Mut, das durchzustehen. Dazu braucht man gute Leute, die einen auf dem Weg begleiten und unterstützen und auch Zeit. Was meine Arbeit betrifft, bin ich sehr diszipliniert und will das Beste erreichen.
Nach einer so erfolgreichen Premiere des della Awards: Glaubst Du, dass er in Zukunft regelmäßig stattfinden wird?
Ich manifestiere es, da gibt es keine Diskussion. Es muss ein weiteres Festival stattfinden! Ich bin auf jeden Fall dabei und freue mich auf neue Talente und Gesichter und kann hoffentlich dann mehr Filme sehen!
www.della-award.de
© della AWARD 2023/ZfK e.V. | Der della Award im TV – „Volle Kanne“ | ZDF | 15.11.2023 |
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