Lisa Oláh hat auf Facebook ein bedeutendes Thema für den Workshop-Bereich aufgegriffen: Sollten Casting Directors Workshops für Schauspieler*innen anbieten? In unserem Interview vertiefen wir diese Diskussion. Die Wiener Casterin teilt dabei frei ihre Gedanken zu Casting Workshops und wie sie Schauspieler*innen dabei helfen kann, sich im Casting-Prozess besser zu präsentieren. Dabei gibt sie Einblicke in die individuelle Version für jede Rolle. Sie spricht auch über die Idee einer Deklaration in Form eines Code of Conduct, um die Absicht von Casting-Workshops klarzustellen, und teilt ihre persönlichen Workshop-Themenwünsche.
Du bist leidenschaftliche Sportlerin. Gibt es Parallelen zum Casting?
Kobe Bryant ist mal in einem Interview gefragt worden, welcher der beiden Spielertypen er ist: einer, der es liebt zu gewinnen, oder hasst zu verlieren. Er hat geantwortet: „Neither, I’m playing to figure it out“. Das fand ich sehr schön und passend für unseren Beruf. Ich lade Schauspieler*innen prinzipiell zum Casting ein, weil ich sie kennenlernen will und sie mich als Menschen interes- sieren, unabhängig von der Rolle, die sie spielen.
Lass uns über Workshops mit dem Know-how eines Casting Director sprechen …
Ich finde Workshops im Allgemeinen eine sehr gute Möglichkeit, neue Dinge zu erfahren, neue Denkansätze auszutesten und sich gegenseitig zu inspirieren, auch was Casting betrifft, denn Casting ist ein kreativer Prozess wie alle Schritte beim Filmemachen. Die Idee, eine Art Handel aus Teilnahmegebühr und spä- terer Besetzung zu machen, ist mir jedoch total fremd und wirkt auf mich illusionär, obwohl es anscheinend manchmal Realität ist. Zumindest fühlt es sich manchmal so an, und das reicht eigentlich schon für ein Missverhältnis in der Beziehung zwischen Schauspieler*innen und Caster*innen.
Welche Aspekte Deines Berufs würdest Du Schauspieler*innen in Workshops näherbringen wollen?
Vor allem, wie Besetzungskriterien entstehen, wenn sie sich rein auf das filmische Produkt beziehen. Ein Gefühl der Unge- rechtigkeit kann in kleinen Ländern wie Österreich schnell entstehen, wenn für bestimmte Rollen immer dieselben Personen infrage kommen. Ich möchte Einblicke in den Arbeitsprozess geben und Anregungen bieten, wie man als Schauspieler*in im Casting dazu beitragen kann, möglichst nah an ein Rollenprofil heranzukommen. Und ich würde gerne viele Berichte und Eindrücke von Castings bekommen, die eine bestimmte Stimmung hinterlassen haben, um an meinem eigenen Stil zu arbeiten und eine offene Diskussion darüber zu führen, was wir gemeinsam verbessern können.
Wie würdest Du Dir ein optimales Casting wünschen?
Die Verantwortung, die wir in unseren künstlerischen Berufen für die Gesellschaft tragen, ist sehr subtil, und es fällt auf kurze Sicht nicht auf, wenn wir sie nicht übernehmen. Es ist manchmal angenehm, sie an eine andere Instanz abgeben zu können. Deshalb finde ich das Narrativ „Wie gefalle ich der Casterin?“ oder „Wie erfülle ich am besten alle Wünsche?“ unbrauchbar. Ich würde gerne ein gemeinsames entwickeln: „Wie gehe ich aus einem Casting erfüllt, heiter und mit einem guten Gefühl für meine Arbeit raus?“ Zusammenarbeit statt Castingshow.
Die Casting Society of America (CSA) und die Unione Italiana Casting Director haben Richtlinien* eingeführt, die besagen, dass Casting Directors vor einem Workshop klarstellen müssen, dass Schauspieler*innen nicht für potenzielle Rollen vorsprechen. Wäre das in Deinen Augen eine sinnvolle Maßnahme für den deutschsprachigen Raum?
Eine Deklaration finde ich im Prinzip gut, auch wenn sie schon im Vorfeld auf den Gedanken hinweist, dass etwas mit der Absicht der Caster*innen nicht stimmen könnte. Falls ich einen Workshop außerhalb eines universitären Kontextes geben würde, würde ich dieses Thema innerhalb des Workshops ansprechen, da es direkt mit einem Arbeitsklima auch außerhalb des Workshops zu tun hat. Es impliziert, dass Besetzung auch nach wirtschaftlichen Kriterien gemacht wird, die nichts mit dem Inhalt des Films zu tun haben.
* www.castingsociety.com/workshop-guidelines | www.unioneitalianacastingdirectors.it/regulations
Welche Idee hättest Du für eine Workshop-Ausschreibung in Bezug auf Transparenz?
Ich denke, dass man Absichten und etwaige Inhaltslosigkeit schon in der Beschreibung und Gestaltung eines Ablaufs erkennen kann. Vielleicht würde so eine Deklaration den Entscheidungsprozess zur Teilnahme beeinflussen.
Du arbeitest auch in Österreich und der Schweiz.
Inwieweit unterscheiden sich die Arbeitsweisen von denen in Deutschland?
In Österreich und der Schweiz begegnet man sich beim Arbeiten öfter. Die recht übersichtliche Marktbeschaffenheit führt dazu, dass Caster*innen die Karriereziele, Motivation und manchmal auch die private Situation von Schauspieler*innen kennen, wodurch ein Dialog entsteht, der über das reine Casting hinausgeht. Andererseits gibt es natürlich einen Nachteil, den mir befreundete Schauspieler*innen manchmal schildern. Es entsteht schneller das Gefühl: „Ui, das war heute ein ‚schlechtes‘ Casting, diese*r Caster*in lädt mich sicher nie wieder ein.“ Und falls das zur Realität wird, kann das natürlich schwerwiegende Konsequenzen haben, da es pro Land nur 6 bis 8 Caster*innen gibt. Für mich gibt es jedoch keine schlechten Castings.
Gibt es bestimmte Themen oder Aspekte des Casting-Prozesses, die Du für besonders wichtig hältst, um sie in einem Workshop zu behandeln?
Ja, mir ist am wichtigsten, für jede*n Schauspieler*in eine individuelle Version für die jeweilige Rolle zu finden und wie man sie am besten gemeinsam (er)findet. Das interessiert mich am meisten beim Casting-Prozess. Wenn es zu diesem magischen „Whämm“ kommt, das alle bemerken, obwohl es niemand in Worte fassen kann. Das liebe ich. Grundsätzlich geht es um das kurzfristige Loslassen der Intention, besetzt zu werden oder zu besetzen, und den Fokus auf den Moment zu setzen. Die Ironie darin finde ich schön.
Inwiefern denkst Du, dass ein Casting-Workshop Schauspieler*innen helfen könnte, sich im Casting-Prozess besser zu präsentieren?
Da es keine einheitliche Casting-„Technik“ gibt, hilft es Schauspieler*innen sicherlich, den Arbeitsprozess der Caster*innen besser zu verstehen, um zu wissen, was sie tun können. Und natürlich gibt es Unmengen dazu zu sagen, was subjektiv gut funktioniert und was weniger gut funktioniert.
Welche spezifischen Fähigkeiten könnten in einem solchen Workshop vermittelt werden?
Ich denke, die wichtigste Fähigkeit ist, Casting als Experiment zu verstehen, dessen Ergebnis eine abgeschlossene, kleine Arbeitseinheit darstellt, bei der alle so lange investieren, bis das Ergebnis für beide Seiten zumindest okay ist. Technik ist dann gar nicht unbedingt notwendig.
Wie siehst Du die Balance zwischen „man muss das sein, was man spielt“ und „man kann alles spielen, wenn man recherchiert“?
Dieses Thema beschäftigt mich immer wieder. Bei jedem neuen Film zerbreche ich mir den Kopf darüber. Wie suche ich am besten? Ist es gerechtfertigt, Laien zu suchen und nicht Schauspieler*innen zu fragen? Wie wichtig ist die gelebte Routine, um die es hier häufig geht, wirklich für die Glaubwürdigkeit der Rolle? Die Entscheidung wird immer für jede Rolle neu getroffen werden müssen.
Glaubst Du, dass es möglich ist, eine passende Linie für eine Schauspiel-Community zu finden?
Ich denke, es geht um die Akzeptanz und das Verständnis von verschiedenen Regie-Stilen. Für mich wäre die passende Linie ein Modell, in dem eine gewisse Diskussions- und Kommunikationskultur herrscht und Vertrauen besteht, dass beide Seiten verantwortungsvoll handeln.
Einige Facebook-Kommentare erwähnen die Idee von persönlichen Treffen zwischen Caster*innen und Schau- spieler*innen. Wie denkst Du über diese Möglichkeit und wie könnten solche Treffen aussehen?
Die besten persönlichen Treffen sind für mich bereits mit der Arbeit an Stoffen verbunden. Ich caste zwar nicht viele Filme pro Jahr, aber ich erhalte viele Anfragen zu Kaffee-Terminen. Ich habe keine Idee, wie ich diese Termine fair vergeben könnte. Bei großen Runden, die nicht deutlich zweckgebunden sind, verliere ich schnell den Sinn. Meine Smalltalk-Fähigkeit ist leider stark begrenzt.
Inwiefern könnten Casting-Workshops Schauspieler*innen dabei helfen, sichtbarer zu werden?
Es geht wahrscheinlich vor allem um die Haltung, die Schauspieler*innen zum Gecastetwerden entwickeln, wenn sie etwas mehr über die Caster*innen wissen und auf Augenhöhe operieren können. Aber auch ganz konkret: Wie Fotos, E-Mails, Daten- bankeinträge und die Profile in sozialen Medien aussehen, kann großen Einfluss auf Caster*innen haben. Dies ist ein wichtiges Thema.
Dein größter Wunsch, was Schauspieler*innen in Workshops mit Casting Directors erreichen könnten?
Ich wünsche mir, dass Schauspieler*innen sich immer auf Castings bei mir und anderen Kolleg*innen freuen und neugierig kommen, um zu prüfen, ob ihre Vorstellungen zu denen der Regieleute passen.
Was würdest Du Dir als Workshop-Thema für Dich als Casting Director wünschen?
„Instant“-Rollengestaltung und Kreativität beim Casting, nur als Beispiel. Es gibt viele Themen, die mich interessieren.
www.lisaolah.at
Andra Iulia Stoicescu, Lisa Oláh, Brigitta Kanyaro | Beide Bilder © Oana Bucur |
Hier eine von Casting Network erstellte Übersicht zu Fördermöglichkeiten von Workshops in Deutschland und Österreich:
Deutschland:
Bildungsgutschein ZAV für Workshops:
Webseite: www.arbeitsagentur.de/bildungstraeger/akkreditierung-zulassung
Voraussetzung: AZAV-Zertifizierung erforderlich. Diese muss privat erworben und selbst bezahlt werden.
Kosten: Ca. 2.000 Euro pro Session, insgesamt etwa 20.000 Euro pro Jahr für Personalaufwand.
Bildungsgutscheine GVL für Workshops
Webseite: www.gvl.de/zuwendungen-und-kulturfoerderungen
Zielgruppe: Schauspieler*innen, die bei der GVL gemeldet sind.
Leistungen: Beantragung von Bildungsgutscheinen mit einem 10-Stunden-Kontingent. Die GVL unterscheidet zwischen indivi- duellen und kulturpolitischen Zuwendungen. Grundlage sind die Zuwendungsrichtlinien, die jährlich von der Gesellschafter- und Delegiertenversammlung der GVL verabschiedet werden.
Österreich:
AMS (Arbeitsmarktservice) in Österreich:
Webseite: www.ams.at/arbeitsuchende/weiterbildungsgeld
Leistungen: AMS fördert Weiterbildungen in Österreich.
VdFS (Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden) in Österreich:
Webseite: www.vdfs.at/foerderung
Zielgruppe: Schauspieler*innen, die bei der VdFS gemeldet sind.
Leistungen: Neben der Hauptaufgabe, der Einhebung und Verteilung der Gelder, nimmt die VdFS auch soziale und kulturelle Auf- gaben (Förderung des österreichischen Filmschaffens, Lebenskostenzuschüsse für notleidende Bezugsberechtigte, Förderung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen etc.) wahr. Zusätzlich wird Mitgliedern auch eine Rechts- oder steuerliche Beratung im Rahmen von max. EUR 2.000 pro Jahr angeboten.
Es ist wichtig, die genauen Bedingungen, Anforderungen und Fördermöglichkeiten direkt bei den jeweiligen Institutionen zu prüfen und gegebenenfalls persönlich Kontakt aufzunehmen, um aktuelle Informationen zu erhalten.
Beachtet das nicht alle Schauspieler*innen Zugriff auf diese Förderungen haben und sich das Model eines Stipendium pro Workshop andzudenkenw wäre.
Telefon: | 0221 - 94 65 56 20 |
E-Mail: | info@casting-network.de |
Bürozeiten: | Mo-Fr: 10:00 - 18:00 Uhr |
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