Mit „TÁR“* erzählt Regisseur, Autor und Produzent Todd Field die faszinierende Geschichte von „Lydia Tár“ (Cate Blanchett), die als erste weibliche Chef- dirigentin ein großes deutsches Orchester leitet. Doch auf dem Höhepunkt ihrer Karriere wird die Musikerin von ihren eigenen Obsessionen eingeholt, und ihr Leben gerät zunehmend außer Kontrolle.
„Lydia Tár“ hat es geschafft. Die begnadete Dirigentin hat sich in der von Männern dominierten klassischen Musikszene durchgesetzt und befindet sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Mit ihrem Orchester plant sie eine mit Spannung erwartete Einspielung von Gustav Mahlers Fünfter Sinfonie. Doch während der Proben gerät die Welt der Star-Dirigentin immer mehr ins Wanken: Nicht nur die Beziehung mit ihrer Konzertmeisterin „Yella“ (Nina Hoss) gestaltet sich zunehmend kompliziert, auch frühere Lebensentscheidungen, Anschul- digungen und ihre eigenen Obsessionen drohen sie einzuholen. In den darauffolgenden Wochen entgleitet ihr die Kontrolle über ihr eigenes Leben immer mehr …
„TÁR“ zeichnet das Bild einer hochkomplexen Frauenfigur und gleichzeitig ein provokatives Porträt des klassischen Musikbetriebs. Der Film lief auf der diesjährigen Berlinale in der Sektion „Berlinale Special“ und ist ab Donnerstag, den 2. März 2023, in den bundesdeutschen Kino zu sehen.
„Cate und ich begannen unsere gemeinsame Arbeit im September 2020“, sagt Todd Field. „Sie drehte zwei andere Filme, während sie sich auf „TÁR“* vorbereitete. Sie hat tagsüber gearbeitet und mich nachts angerufen, machte also noch ein paar Überstunden. Sie hat nicht nur Deutsch gelernt, sondern auch Klavierstunden genommen – ja, das ist Cate, die im Film spielt, und zwar jede einzelne Note – und sie hat ausgesprochen gründ-lich recherchiert. Sie ist eine echte Autodidaktin und hat in einem Jahr, in dem sie noch zwei andere Filme dreh-te, mehr geschafft als „Lydia Tár“ selbst in 25 Jahren geschafft hätte. Während der Produktion hat sie nicht ge-schlafen. Nach einem Drehtag ging sie direkt weiter zu einer ihrer Unterrichtsstunden: Klavier, Deutsch, Amerikanischer Dialekt, Taktstocktechnik, Rhythmusmuster. Ihren freien Tag verbrachte sie auf einer abgesteckten Route, die genau den Abmessungen des Kreisverkehrs am Alexanderplatz entsprach. Dort probte sie mit Nina Hoss eine Szene, während sie mit 100 Stundenkilometern acht von Stuntleuten gesteuerten Autos ausweichen musste. Es gibt absolut nichts, was sie nicht mitgemacht hätte, wenn wir es ihr aufgetragen hätten. Sie hat die Messlatte für uns alle sehr hoch gelegt, und es war wirklich alles andere als einfach, mit ihr mitzuhalten.“
Blanchett gefiel die intellektuelle Komponente von Fields Drehbuch, sie fühlte sich der Geschichte aber in erster Linie auf einer instinktiven, menschlichen Ebene verbunden: „Ich fühlte, dass es für das Publikum und mich eine Menge Dinge zu enthüllen gab, um gemeinsam dieses faszinierende Rätsel namens ,Lydia Tár‘ zu entschlüsseln. Todd hat ein wahrhaft einzigartiges Wesen geschaffen.“ Darüber hinaus war Blanchett von der musi-kalischen Qualität des Drehbuchs und von Fields einzigartigem Konzept hinsichtlich der Darstellung der Figur fasziniert. „Ich bin sehr auf Sprache fokussiert. Als ich das Drehbuch las, entdeckte ich viele Referenzpunkte, mit denen ich einfach nicht vertraut war. Ich wusste aber, dass ich sie in- und auswendig verstehen musste. Das Publikum musste ja darauf vertrauen können, dass die Figur jederzeit genau weiß, wovon sie spricht. Seltsamerweise ist es gar nicht nötig, dass die Zuschauer diese Referenzen genau verstehen. Sie müssen nur wissen, dass ,Lydia‘ ein Genie ist. Ich war gefesselt von diesem Porträt einer Frau, deren Leben aus den Fugen gerät, aber ich habe auch auf einer rhythmischen Ebene durch die Musik auf das Drehbuch reagiert. Musik ist für mich als Schauspielerin oft ein Schlüssel, um eine Figur oder die Atmosphäre zu entschlüsseln, um eine Verbindung zur Geschichte zu finden. In dieser Hinsicht ist Todds Film eine echte Goldgrube.“
Für Field und Blanchett wurde die Zusammenarbeit im Vorfeld der Produktion zu einer wichtigen Lehrstunde, was den Aufbau der Atmosphäre sowie Entwicklung und Umfeld der Charaktere betrifft. „Wir haben gemeinsam Dinge entdeckt, die über das eigentlich vorhandene Material hinausgingen“, sagt Blanchett. „Todd war bei der gemeinsamen Arbeit bedingungslos aufgeschlossen und furchtlos. Wenn ich eine verrückte Idee hatte, griff er sie auf und schickte mir um zwei Uhr morgens eine Textnachricht, in der stand: ‚Ich glaube, ich weiß, wie das funktionieren kann.‘ Er war unglaublich erfinderisch. Wir brachten die Figuren weiter, als wir anfingen, große Fragen zu stellen. Was ist eigentlich ein Prozess? Wie transaktionsorientiert sind die Beziehungen im Drehbuch? Sind alle Figuren mitschuldig am Funktionieren dieser Machtstrukturen? Ist es normal, dass eine Situation unangenehm wird, wenn man versucht, eine Gruppe von Menschen aus ihrem gewohnten Umfeld zu lösen? Wir bewundern gerne große Menschen – aber mögen wir es auch, sie fallen zu sehen? Diese Gespräche haben auch die Figur ,Lydia‘ geprägt. Viele unserer bedeutenden Narrative sind gescheitert, und ich war fasziniert von jenen Menschen, deren Anliegen bedeutend und weitreichend sind, die aber historisch gesehen keinen Zugang zu solcher Bedeutsamkeit hatten. Was passiert mit großen Menschen, die zurückblicken und Zugang zu vergangener Größe erlangen möchten, aber in den Nebensächlichkeiten der Gegenwart gefangen sind?“
Bild aus: „TÁR“ | Bild aus: „TÁR“ |
„Cate verschlang das Drehbuch förmlich, lernte es von vorne bis hinten auswendig und nahm es Stück für Stück auseinander“, sagt Field. „Sie wollte alles über sämtliche Elemente in ,Társ‘ Umfeld herausfinden. Als wir mit den Dreharbeiten begannen, wusste sie alles, was ich wusste – sie wusste sogar noch mehr. Sie korrigierte mich während der Proben und sagte, dass man MTT sagt, wenn man Michael Tilson Thomas meint.“
„Dirigieren ist keine leichte Aufgabe. Es hat mich umgehauen, wie viel Aufwand Cate in ihre Darstellung gesteckt hat, durch all die Einflüsse, die sie aufgenommen hat. Sie hat es geschafft, eine völlig neue und originelle Person zu erschaffen, die sich durch und durch authentisch und lebensecht anfühlt“, schwärmt Sophie Kauer. Mit ihrer Rolle als junge russische Cellistin „Olga Metkina“ gibt Kauer, die auch im wahren Leben Cellistin ist, in „TÁR“ ihr Filmdebüt. „Mein Ausgangspunkt waren die Meisterkurse von Ilya Musin und die aufrüttelnde Dokumentation über Antonia Brico“, sagt Blanchett. „Ich habe Claudio Abbado, Carlos Kleiber, Emmanuelle Haim und Bernard Haitink studiert, um herauszufinden, wer ,Tár‘ nicht ist – aber auch, wer sie sein möchte. Dirigieren ist wie eine Sprache, ein gewaltiger Akt der kreativen Kommunikation. Es ist in höchstem Maße individuell und persönlich. Die Gestik war für mich ein großartiges Hilfsmittel, um mich in die Denkweise einer Meistermusikerin hinein- zuversetzen, aber auch um mir zu zeigen, wie sie sich in der Welt bewegt.“
Blanchett trainierte ausgiebig mit der Dirigentin und Coach Natalie Murray Beale. Zugleich weist sie darauf hin, dass „das Training für diese Rolle Klavier-, Dialekt- und Sprachunterricht erforderte. Alles praktische, mechanische Dinge, die zu den Fähigkeiten dieser Figur gehören. Aber sie sind nicht die Figur. Dies ist kein Film, in dem es nur um das Dirigieren geht. Das ist nur etwas Grundlegendes, das die Figur tut, wie Atmen. Die eigentliche Herausforderung für mich als Darstellerin war es, mich in den Kopf einer Person hineinzuversetzen, die sich von sich selbst entfremdet hat. Sie hat sich vergessen, sie hat sich von dem ‚Warum?‘ entfernt und bei dem Versuch, ein Vermächtnis zu erschaffen, ihre Verbindung zur Musik gekappt. ,Tár‘ ist ein Mensch mit einem starken inneren Kritiker, der unbewusst der Vorstellung anhängt, dass, wenn man perfekt ist, einem niemand etwas anhaben kann. Aber natürlich ist Perfektion in der Kunst unmöglich. Die Kunst ist voller Unvollkommenheit und Grauzonen, und genau da liegt der Haken.“ „Ich habe auf meine bescheidene Art und Weise verstanden, wie es sich anfühlt, eine bedeutende Kultur- institution zu leiten“, sagt Blanchett, die zusammen mit ihrem Ehemann Andrew Upton fast ein Jahrzehnt lang die künstlerische Leitung und die Geschäftsführung der Sydney Theater Company innehatte. „Dieses Maß an kultureller und physischer Verantwortung kann sich bisweilen sehr einsam und undankbar anfühlen. Aber genauso kann es auch die wichtigste berufliche Erfahrung bedeuten. 70 Prozent unserer Zeit als Künstler verbrachten wir damit, die eigentliche Organisation zu leiten. Wir waren zuständig für das Gebäude, den Spielplan, die Sponsoren, die Schnittstelle zum Publikum. Und wir kümmerten uns um Fragen der Unternehmenspolitik, des Personalmanagements und der staatlichen Finanzierung.“
Ihre Erfahrung half der Oscar-prämierten Schauspielerin, das Innenleben eines künstlerischen Ensembles zu verstehen – und das einer anspruchsvollen, oft sprunghaften Figur, die ein deutsches Orchester leitet. „Die kreative und physische Verantwortung lag bei uns. Aber als wir den Job übernahmen, haben wir unsere Mitarbeiter auf sinnvolle Weise in künstlerische Entscheidungen eingebunden. Ich bin sicher, dass viele, die an einen eher hierarchischen Ansatz gewöhnt waren, anfangs dachten, dass wir gar nicht wissen, was wir tun. Sie waren es nicht gewohnt, auf demokratische Weise zu arbeiten. Traditionell gibt es in der Welt der klassischen Musik – wie in vielen anderen Institutionen auch – keine solchen Abmachungen. Von ,Tár‘ zum Beispiel wird erwartet, dass sie alle Aufgaben alleine stemmt. Als Dirigentin beeinflusst sie die Musik, aber es gibt keine Vorbilder für Menschen in ihrer Position. Die einzigen Beispiele waren die großen, dominanten männlichen Dirigenten des klassischen Musikkanons, wie etwa Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan.“
Bild aus: „TÁR“ | Bild aus: „TÁR“ |
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
*Casting: Avy Kaufman, UK: Jeremy Zimmermann (ICDA), Germany: Simone Bär (ICDA | CSA), Alexandra Montag, Kinderrolle „Petra“: Katrin Vorderwülbecke, Southeast Asia: Thitiya Tongbai
Telefon: | 0221 - 94 65 56 20 |
E-Mail: | info@casting-network.de |
Bürozeiten: | Mo-Fr: 10:00 - 18:00 Uhr |
© 2005-2024 Gesichter Gesucht & casting-network
Internetagentur - die profilschmiede
Datenschutzeinstellungen