In den 1990er-Jahren entwickelte Dr. Jutta Wiegmann, damals an der VHS Berlin Tiergarten, als eine der Ersten bundesweite Weiterbildungslehrgänge für professionelle Schauspieler*innen. Sie baute das Programm zügig auch für die Berufsgruppe der Film- und Fernsehschaffenden aus und erwirkte 1997 die Gründung des „Instituts für Schauspiel-, Film- und Fernsehberufe“ (iSFF). Nach 25 Jahren verabschiedet sie sich und geht in den Unruhestand, denn ans Aufhören denkt sie noch lange nicht.
Unter Dr. Wiegmanns Leitung wurde das iSFF zu einem der größten Weiter- bildungsträger der Kreativbranche. Mit seinem Programm erreicht es den gesamten deutschsprachigen Raum. Standort des Instituts ist die Medienmetro- pole Berlin. Das iSFF steht für Qualität in der Weiterbildung, Innovationskraft und Kundenorientierung. Die Kurse und Lehrgänge dienen der Fortbildung von Mitarbeiter*innen der Kreativbranche. Dabei konzentrieren sie sich auf die vier Kernbereiche: Film/TV, Synchron, Sprechtheater und Musiktheater.
Die von Dr. Wiegmann entwickelten branchenspezifischen Weiterbildungspro- gramme des iSFF erfüllen hohe Standards. Ein wesentliches Qualitätskriterium ist die strenge Auswahl der Teilnehmer*innen. In den Lehrgängen und Kursen für die genannten Kernbereiche der Kreativbranche werden ausschließlich Profis weitergebildet. Zielgruppen sind Film- und Fernsehschaffende, Schau- spieler*innen und Musical-Darsteller*innen.
Du hast 25 Jahre das iSFF nicht nur geleitet, sondern gegründet. Wie kam es dazu?
Bereits Anfang der 1990er-Jahre habe ich Lehrgänge für professionelle Schauspieler*innen/ Musical- darsteller*innen und Filmschaffende entwickelt und gleichzeitig auch Förderungen durch die Agentur für Arbeit beantragt. In meinen Gesprächen mit den Teilnehmenden stellte ich fest, dass für viele die Frage, wie sie ihre Karriere vorantreiben könnten, ein Buch mit sieben Siegeln war. Der berufliche Erfolg hängt jedoch nicht nur von der Begabung ab, sondern auch von einschlägigen Kontakten, Networking und erstklassigem Bewerbungsmaterial. Darüber hinaus muss die Begabung ständig weiterentwickelt und gepflegt werden.
Für mich war von Anfang an klar, dass mein Herz den Schauspieler*innen, Musicaldarsteller*innen und Filmschaffenden gehört. Die Lehrgänge und Kurse des „Instituts für Schauspiel, Film-Fernsehberufe“ (iSFF) in Berlin haben unter meiner Leitung wesentlich dazu beigetragen, die individuellen Begabungen weiter zu fördern und die Teilnehmenden dazu zu befähigen, einschlägige berufliche Kontakte aufzubauen und zu erhalten. Voraussetzung für die Teilnahme an den Lehrgängen war aller- dings eine professionelle Ausbildung.
Der Schlüssel zum Erfolg waren darüber hinaus die erstklassigen Lehrenden, die alle namhafte Vertreter*innen der Branche sind. Auch die Resonanz auf mein Abschiedsschreiben vom 16. Januar 2023 hat mir gezeigt, wie wertvoll die Lehrgänge und Kurse im Leben der einzelnen Teilnehmer*innen gewesen sind. Darauf bin ich stolz. Habe ich doch mein Leben diesen Berufsgruppen gewidmet.
Die Gründung des iSFF im Jahre 1997 gemeinsam mit dem damaligen Bezirksamt Tiergarten von Berlin und dem Volkshoch- schuldirektor Dr. Wolfgang Uber sollte von Anfang an ein Signal in Richtung Förderung von Schauspieler*innen, Musical- darsteller*innen und Filmschaffenden setzen.
Das Thema Fortbildung hat hierzulande immer noch einen anderen Stellenwert als zum Beispiel in den USA.
Wie war das Image in Deinen Anfängen?
Die Schauspieler*innen, Musicaldarsteller*innen und Filmschaffenden waren in ihrer Ausbildung in den USA von Anfang an nicht nur höchst professionell, sondern auch breit aufgestellt. Jede/r Schauspieler*in musste z.B. neben dem Fach Schauspiel auch Tanz und Gesang glänzend beherrschen. Der Praxisbezug spielte und spielt eine große Rolle. Auch weltbekannte Hollywoodstars besuchen regelmäßig Fortbildungen. Wir denken z.B. nur an das berühmte Camera Actors Studio.
Das Thema Fortbildung für Schauspieler*innen, Musicaldarsteller*innen und Filmschaffende wurde Anfang der 1990er-Jahre erst einmal mit Skepsis aufgenommen. Diese Berufe waren und sind mit einem hohen Glamourfaktor verbunden, der große Erwartungen weckt. Die Absolvent*innen der entsprechenden Hochschulen oder anderer Bildungseinrichtungen wurden jedoch nach ihrer Ausbildung mit einer rauen Wirklichkeit konfrontiert. Nach den ersten Engagements kommt häufig die Karriere ins Stocken. Viele verfügen nicht über die Skills, um ihre Karriere voranzutreiben. Hier greift Fortbildung durch die Verfeinerung des Könnens und die Fähigkeit zum Networking und zur Selbstpositionierung in der Branche. Die Skepsis gegenüber dem Thema Fortbildung hat sich jedoch schnell verflüchtigt. Der Besuch unserer Lehrgänge hat den Teilnehmer*innen gezeigt, dass die Lehrgänge praktisch orientiert und für ihre weitere Karriere sehr nützlich sind.
Was waren die ersten Kurse, die Ihr angeboten habt?
Ab 1992 fortlaufend: Geförderter Lehrgang zur Erarbeitung eines neuen Vorsprechrepertoires für die Engagement-Suche Synchronsprecher*in
Ab 1993 fortlaufend: Actors Studio (zunächst als Kurs, ab 1997 als geförderter Lehrgang); Karrieremarketing für professionelle Schauspieler*innen (zunächst als Kurs, später als geförderte Maßnahme)
Ab 1995 fortlaufend: Geförderter Lehrgang zur Erarbeitung einer Inszenierung für professionelle Schauspieler*innen, Forum für Schauspieler*innen (Gesprächskreis für professionelle Schauspieler*innen und Erarbeitung von Ansätzen zur Lösung berufs- spezifischer Probleme)
Ab 1997 zusätzlich Herstellung eines Kurzfilms für Schauspieler*innen und insbesondere für Musicaldarsteller*innen der Lehr- gang „Musical Auditions erfolgreich bestehen“ unter der Leitung von Craig Simmons.
Später kamen noch weitere Lehrgänge für Schauspieler*innen hinzu wie z.B. Vorbereitung auf internationale Castings (Leitung: Uwe Bünker). Darüber hinaus haben wir viele geförderte Lehrgänge für Filmschaffende angeboten, z.B. Weiterbildung zur/zum Produktionsleiter*in, Producer*in, Regieassistent*in, Aufnahmeleiter*in, Script Continuity, Script Supervisor*in, Szenenbild und Kostümbild.
Wie wichtig war das Voraussetzungskriterium, nur Profis von Anfang an zuzulassen und warum?
Sehr wichtig. Mir war von Anfang an klar, dass ich Schauspieler*innen, Musicaldarsteller*innen und Filmschaffende unterstützen möchte. Es ist das schwere Los dieser Berufsgruppen, dass sie überwiegend befristet tätig sind. Festengagements gibt es kaum noch. Sie hangeln sich also oft von Engagement zu Engagement. Darum ist es z.B. in Zeiten der Arbeitslosigkeit von zentraler Bedeutung, die Skills zu erwerben, die zu einer kontinuierlichen Beschäftigung im Theater- oder Filmbereich führen können. Anders sieht es bei den Filmberufen aus. Diese werden heutzutage händeringend gesucht. Das Dilemma besteht aber darin, dass z.B. Regieassistent*innen, Aufnahmeleiter*innen oder Script Supervisor*innen weder über eine Ausbildung bzw. über eine solide Weiterbildung verfügen. Das gefährdet die Dreharbeiten und das Gelingen der Produktion. Der Fachkräftemangel ist ein sehr ernst zu nehmendes Problem. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden. Ich habe im Rahmen des iSFF mit ausgezeichneten Dozent*innen Lehrgänge für diese Berufsgruppen entwickelt, die mehr denn je für die Film- und Fernseh- branche sehr wichtig werden könnten.
Euer Kursprogramm war stets in Bewegung. Neben etablierten Kursen gab es immer wieder neue Angebote, die dann zum Standard wurden. Wie wichtig war es an dieser Stelle, Neues neben Altbewährtem auszuprobieren?
Das Programm kann sich nicht ständig wiederholen. Die Analyse des Arbeitsmarktes muss den Planer*innen eines Weiter- bildungsprogramms immer vor Augen stehen. Welche neuen Bedarfe gibt es? Was braucht die Branche? Gibt es Segmente, die im Weiterbildungsprogramm noch nicht berücksichtigt wurden? Das sind Fragen, die ich mir bei jeder Planung gestellt habe. Teilweise sind die Teilnehmer*innen auch mit Wünschen auf mich zugekommen.
Eure Vermittlungsquote lag durchschnittlich bei 70 Prozent. Wie erreicht man sowas?
Ich führe diese Vermittlungsquote auf die Güte unserer Lehrgänge und auf die hervorragenden Dozent*innen zurück, die allesamt renommierte Fachkräfte der Branche sind und sehr praxisorientiert vorgehen.
Ihr hattet ein festes Team an Dozent*innen. Wie gestaltete sich das Mitspracherecht?
Die Lehrgangsleiter*innen und Dozent*innen haben auf Honorarbasis gearbeitet. Die Lehrgänge wurden teilweise von den Lehrgangsleiter*innen vorgeschlagen. Darüber hinaus haben sie die Stundenpläne erstellt, mit mir besprochen und auch entsprechende Dozent*innen vorgeschlagen. Die Zusammenarbeit war sehr eng. Viele haben die Weiterentwicklung des iSFF engagiert befördert. Hier ist z.B. die Lehrgangsleiterin Monika Schopp zu nennen, die mir immer mit Ideen und Vorschlägen zur Seite stand.
Kannst Du einige der bekanntesten Lehrgangsleiter*innen benennen?
Ich habe sehr darauf geachtet, dass unsere Lehrgangsleiter*innen renommierte Vertreter*innen der Theater-, Film- oder Fernsehbranche sind. Der Lehrgang zur „Erarbeitung eines neuen Vorsprechrepertoires für die Engagement-Suche“ wurde 1992 angeboten und von Hilde Hessmann, einer renommierten Schauspielerin und Schauspiellehrerin, geleitet, die einst im Brecht-Ensemble gearbeitet hat.
Im Folgelehrgang im Jahr 1993 konnte ich als Lehrgangsleitung für den o.g. Lehrgang einen Star der damaligen Schaubühne in Berlin gewinnen, die renommierte Schauspielerin Elke Petri, die den Lehrgang bis 2020 geleitet hat. Alle Teilnehmer*innen wurden von uns mit Unterstützung der jeweiligen Lehrgangsleitung ausgewählt. Mit dieser Zusage konnten sie sich beim Arbeitsamt/Arbeitsagentur bewerben.
Gleichzeitig startete auch ein Kurs Synchronsprecher*in für professionelle Schauspieler*innen unter der Leitung von Joachim Kunzendorf, einem der renommiertesten Synchronregisseure Deutschlands.
Das Camera Actors Studio wurde zunächst von Veronika Nowag Jones geleitet, später von dem bekannten Fernseh- und Theaterregisseur Klaus Emmerich (u.a. bekannt für „Rote Erde“ oder „Trokadero“ mit Franz Xaver Kroetz und Maria Schell), dann von Detlef Rönfeld, der eine Reihe von preisgekrönten Fernsehfilmen gedreht hat, so z.B. „Hurenglück“ mit Angelia Domröse und Hilmar Thate, „Das tödliche Auge“ mit Ulrich Mühe und Susanne Lothar und z.B. „Die Belmonts“ mit Michel Piccoli und Marthe Keller. Später dann von dem Fernsehregisseur Tom Bohn, der seit 1995 diverse „Tatorte“ realisierte, und der Filmregisseurin Jeanette Wagner, die zuletzt 2022 den Film „Klara Sonntag – Liebe macht blind“ gedreht hat.
Bild aus: „Rote Erde“ | Bild aus: „Klara Sonntag – Liebe macht blind“ |
Im Bereich Musical-Auditions ist die Säule dieses Bereichs der bekannte Musicalregisseur Craig Simmons gewesen. Bei den Film-Fernsehberufen darf hier neben den vielen renommierten Dozent*innen auch nicht Joachim von Vietenghoff, der bekannte Filmproduzent, vergessen werden. Ebenso wie für den Lehrgang Kostümbild die legendäre Kostümbildnerin Ingrid Zoré (u.a. „Engel aus Eisen“ und „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“) und für den Lehrgang Szenenbild die bekannte Szenenbildnerin Anette Ganders-Adlon.
Du warst mit eine der Ersten, die das Thema Nachwuchskräftemangel aussprachen und auch angingen.
Magst Du uns hier mal über das Segment Deiner vielfältigen Arbeit berichten?
Das derzeitige Problem der Branche besteht vor allem in Filmberufen, denen kein Studium oder keine Ausbildung zugrunde liegt. Zu nennen sind hier z.B. Tätigkeiten wie Aufnahmeleitung, Regieassistenz, Script Supervisor*in und andere. Es gab Weiterbildungen dazu, z.B. am iSFF oder bei anderen Weiterbildungsträgern. Diese konnten jedoch nicht den Bedarf der Branche decken. Häufig wurden die genannten Berufe am Set „learning by doing“ erlernt. Durch die steigenden Anforderungen an die Crew reichte dies allerdings nicht mehr aus.
Im November/Dezember 2022 haben wir am iSFF den Lehrgang Aufnahmeleitung bei Film/TV erstmals in Kooperation mit der Deutschen Akademie für Fernsehen (DafF) in Berlin durchgeführt. Im Anschluss an den Lehrgang wurde den Teilnehmenden über die DafF ein vierwöchiges Praktikum bei Film- und Fernsehproduktionen angeboten. Die jeweiligen Firmen haben sich über die Teilnehmer*innen sehr positiv geäußert.
Du warst in der Branche viel unterwegs und auch aktiv. Du warst u.a. jahrelang Jurymitglied beim Grimme Preis.
Magst Du über diesen Blick in die Branche berichten?
Von 2005 bis 2015 war ich Jurorin des Grimme-Preises. Diese Tätigkeit war für mich sehr interessant, da wir als Jury hier die Leistungen der gesamten Crew, insbesondere der Regie und der Schauspieler*innen diskutiert und bewertet haben. Die unterschiedlichen Standpunkte gegeneinander abzuwägen, war immer ein langwieriger Prozess, der aber am Ende zum angestrebten Ziel, der Preisfindung, geführt hat. Ich habe gerne in diesen Jurys gearbeitet, geht es doch darum, das Gesamtkunstwerk Film in all seinen Aspekten zu beleuchten. Darüber hinaus habe ich 2008 bis 2015 gemeinsam mit dem Leiter des Grimme-Preises, Dr. Ulrich Spies, das Format „Grimme trifft die Branche“ entwickelt und abwechselnd in Berlin und München für Filmschaffende durchgeführt.
Wie geht es bei Dir weiter? Von Ruhestand ist sicher nicht die Rede.
Nein, Ruhestand ist mir kein Begriff. Ich bin immer in Bewegung und voller Tatendrang. Ich werde mich auch in Zukunft mit der Entwicklung von Weiterbildungsmaßnahmen beschäftigen und diese der Film- und Fernsehbranche im Rahmen der Fach- kräftequalifizierung anbieten.
Wie geht es mit dem Institut weiter?
Das iSFF wird jetzt, auch räumlich, in die VHS Berlin-Mitte integriert. Konzept des iSFF war bis dato, für professionelle Schauspieler*innen, Musicaldarsteller*innen und Film- und Fernsehschaffende außerhalb der VHS eigene Unterrichtsetagen zu schaffen, wo sie ungestört arbeiten können. Ob die professionelle Zielgruppenorientierung erhalten bleibt, kann ich nicht beurteilen.
Telefon: | 0221 - 94 65 56 20 |
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