Steckbrief
Frank Betzelt ist der Mann hinter den Kulissen. Von 1986-1992 stand er selbst als Schauspieler auf der Bühne. Dann begeisterte ihn zunehmend die Regiearbeit und er begann zu inszenieren. Frank Betzelt besuchte einige Filmcoaching-Workshops in den USA und machte sich schließlich 1997 als Coach selbstständig. Zu seinen Klienten zählen August Diehl, Daniel Brühl, Benno Fürmann, Maria Furtwängler, Hannah Herzsprung, Bernadette Heerwagen, Heike Makatsch, Anneke Kim Sarnau, Jessica Schwarz u.a.. Dem Berliner Coach ist es besonders wichtig mit den Schauspielern zusammen ihre Figuren zu erforschen und weiter zu entwickeln. Sei es für Castings, Rollenvorbereitungen oder als regelmäßiges Training. Er begleitet aber auch Regisseure und Produktionsfirmen bei ihrer Arbeit an Film- und Fernsehproduktionen. Seit 2001 hat er sein Klientel noch auf Wirtschaftsunternehmen erweitert. Aufgrund der wachsenden Nachfrage eröffnete er 2003 ein Studio in Berlin, wo er im Coachingteam mit Kai Ivo Baulitz und Teresa Harder zusammen arbeitet.
Wie kam es dazu, dass Du Coach geworden bist?
Ich habe eine Schauspielausbildung gemacht und zunächst sechs Jahre Theater gespielt. Danach war ich Regieassistent und habe angefangen am Theater zu inszenieren. So kam auch der erste Schauspieler zu mir, der mich bat, ihm bei seinen Drehvorbereitungen zu helfen. Das lief so gut, dass mir seine Agentin alle ihre Schauspieler schickte. Ihre Schauspieler waren glücklicherweise so gut ausgesucht und wurden so erfolgreich, dass es auch bei mir mit dem Coaching immer mehr wurde. Ähnlich war es mit den Seminaren, die ich heute anbiete: Ich habe nur auf den Bedarf reagiert und so ist das immer weiter gewachsen.
Wie wichtig ist es für die Ausübung Deines Berufes als Coach, dass Du selbst Schauspieler und auch Regisseur warst?
Ich denke, dass das schon sehr wichtig ist. Ich kenne den Beruf seit vielen Jahren von beiden Seiten sowohl als Schauspieler als auch als Regisseur. Das Theater gibt meinem ganzen Wissen eine gute Basis für alles.
Bei wem hast Du Schauspiel und Regie gelernt?
Schauspiel habe ich an der Otto Falkenberg Schule in München gelernt. Regie habe ich in dem Sinne nicht gelernt, aber ich habe für zwei Produktionen eine Regieassistenz bei George Tabori gemacht. Von ihm lernte man einiges über eine grundsätzliche Lebenshaltung.
Wie arbeitete George Tabori mit seinen Schauspielern?
Die Anweisungen waren sehr wenig konkret und er ließ wahnsinnig gerne durchspielen. Ganz viel von dem was seine Qualität ausmachte, war die Wertschätzung für den einzelnen Menschen. Auf seine charmante Weise hat er Schauspieler auch gerne mal getrietzt. Manchmal nahm er Schauspieler auch gerne zur Seite, ging mit ihnen spazieren und redete über die Figur. Er erzählte sehr viele Anekdoten, natürlich zu den Themen, zu den Figuren und zu den Situationen. Ab und zu machte er auch Strasberg-Übungen. Er brachte den Schauspielern viel Wertschätzung entgegen und gab ihnen sehr viel Raum, so dass sie sich selbstständig vertrauen konnten. Manche konnten diesen Raum wahnsinnig gut nutzen und weit über sich hinaus wachsen, andere wiederum waren vergleichsweise hölzern, weil sie diesen nicht nutzen konnten und jemanden brauchten der sie genau führte.
Was konntest Du aus der Arbeit mit Tabori mitnehmen?
Bei seinen Inszenierungen war das Entscheidende, dass er nicht nur auf jeden kleinen Moment guckt, sondern das Ganze auf sich wirken ließ und dadurch einen viel weiteren Blick hatte. Diesen Blick, wende ich auch für das Coaching an.
In welchen Bereichen bist Du als Coach tätig?
In erster Linie coache ich Schauspieler in Einzelarbeit für Drehvorbereitungen, Castings oder wir machen eine Analyse von bereits gedrehtem Material und überlegen, woran wir noch arbeiten könnten. Ab und zu bin ich auch am Set. Ich rate zwar dazu, das Meiste in der Vorbereitung zu machen, aber manchmal ist es schon wichtig, das ein Coach vor Ort ist, besonders bei sehr langen Drehtagen oder schwierigen Konstellationen. Dann gebe ich noch regelmäßige Meisner-Schauspieltrainings, verbunden mit Strasberg- und Tschechow-Elementen und biete auch Präsenzarbeit an. Kai Ivo Baulitz und Teresa Harder übernehmen vielfach bei uns im Team das Kameratraining. Dabei werden auch Szenen aufgenommen, man schaut sie sich zusammen an, um eine bewusstere Wahrnehmung von sich selber und eine professionelle Spiegelung zu bekommen. Dann geben wir auch noch Seminare zum Thema Sprache - was im Filmbereich leider oft vernachlässigt wird -, Figurenentwicklung und Verwandlung, sprich also Tierarbeit und andere Techniken um eine Figur zu entwickeln. Dabei schaut man sich das Tier ganz genau an und verinnerlicht spezifische Eigenschaften. Marlon Brando hat z.B. für den Paten, mit einem Haifisch gearbeitet.
Zum „Coaching Team Frank Betzelt" gehören noch Kai Ivo Baulitz und Teresa Harder. Wie kam es zu diesem Zusammenschluss und welchen Teamgeist/Philosophie verfolgt Ihr drei?
Entstanden ist das Team, weil die Nachfrage so groß war und ich das alleine nicht mehr bewältigen konnte. So habe ich mir überlegt, ein Team aufzubauen. Erst kam Kai und dann Teresa dazu, die ja auch bereits als Coach gearbeitet hatte. Ich habe beide ausgebildet und wir überprüfen uns gegenseitig durch kontinuierliche Treffen und Besprechungen. Die persönlichen Anregungen und Reflexionen, die jeder einbringt, sind sehr bereichernd. Insofern wir alle mit dem gleichen Methodenkoffer arbeiten, ist es kein Problem, dass beispielsweise ein Schauspieler auch mal zu jemand anderes geht. Dabei ist es sehr entscheidend, dass wir weniger eine Methode vermitteln, sondern auf der Basis unseres Hintergrundwissens sehr genau schauen, wo der Schauspieler gerade steht und was der nächste Schritt als Anregung sein könnte.
Wirst Du von den Schauspielern bezahlt, wenn Du mit am Set bist?
Nein, das wäre für die Schauspieler zu teuer. Viele sagen zwar, dass sie mich sehr gerne jeden Tag mit am Set hätten, aber das steht dann natürlich nicht mehr im Verhältnis. Wenn ich am Set bin, werde ich von den Produktionen gebucht, meistens geht die Initiative von den Regisseuren aus.
Auf eurer Website steht, dass ihr auch Seminare für Regisseure, Produzenten und Autoren anbietet. Welcher Art sind diese?
Für Regisseure gebe ich Schauspielführungsseminare. Da geht es darum wie man z.B. auch mit einem Schauspieler, mit dem sie nicht so gut zu Recht kommen, trotzdem effektiv arbeiten kann. Oder ich analysiere mit ihnen die Figuren bzw. spreche mit ihnen über die Bücher, die sie drehen werden. Mit einzelnen Produzenten arbeiten wir konkret nicht, sondern werden von Produktionsfirmen angefragt, ob wir mit Schauspielern was vorbereiten oder ans Set kommen können. Die Autoren machen noch einen relativ kleinen Teil unserer Arbeit aus. Dabei geht es hauptsächlich um den Schreibprozess wie dramaturgische Entwicklungen zur Figur oder Präsenzarbeit, damit Autoren sich zum Beispiel besser von Schreibblockaden lösen können. Manchmal steckt man einfach irgendwo fest und weiß vielleicht nicht mehr, wo der rote Faden ist. Auch außerhalb des Film- und Fernsehbereichs gebe ich regelmäßig Seminare im Bereich Führung, Persönlichkeitsentwicklung, Kommunikation und Medienauftritte für Führungskräfte.
Arbeitest Du mit einer bestimmten Technik?
Es gibt viele Methoden, aber die Basis von allem ist sicherlich Stanislavski. Ich arbeite auch viel mit Tschechow-Elementen und mit der Meisner-Technik. Auch Stella Adler finde ich sehr wichtig zu nennen, wobei sie sehr nah an Stanislavski ist. Zu den großen Lehrern gehören dann natürlich auch Strasberg und Uta Hagen. Ich versuche immer eine Kombination aus passenden Techniken zu wählen. Dieser ganze Methodenkoffer ist meine Grundlage, aus der ich meine Bausteine zusammensetze.
Besuchst Du Workshops?
Ja, mich interessiert das einfach. Ich besuche selbst immer wieder Seminare und bilde mich ständig weiter. Ich bin sehr wissbegierig und möchte gerne immer weiter dazu lernen. Wenn ich ein Jahr lang nichts mache, dann werde ich unruhig. Ich brauche immer wieder eine Anregung von außen, um mir meine Arbeit noch mal anzuschauen, zu reflektieren und was zu verändern oder alte Sachen wieder zu beleben. Es ist einfach ein sehr großer Methodenkoffer der unterbewusst in mir verankert ist. Letztendlich reagiere ich ziemlich spontan. Wenn ich einen Schauspieler coache, schlage ich ihm gerade das vor, was meiner Meinung nach passen könnte. Hier spricht mehr die persönliche Erfahrung und weniger die Methode.
Hast Du Dir neben diesen besagten Techniken auch noch andere Coaching Methoden zu eigen gemacht?
Ja, ich habe auch eine systemische Coaching Ausbildung gemacht, an einigen Neuro-Linguistisches Programmieren (NLP)-Seminaren teilgenommen und noch einiges mehr in diesem Bereich gemacht. All das verbindet sich zu meinem inneren
Hintergrundwissen und schafft somit die notwendigen Grundvoraussetzungen, damit ein Coaching-Prozess effektiv stattfinden kann. Dieses Hintergrundwissen ist für die Arbeit mit Schauspielern genauso wichtig wie für die Arbeit mit Führungskräften. Die Inhalte sind hier natürlich andere. Zwischen Regisseuren und Führungskräften gibt es natürlich inhaltlich große Schnittmengen, Regisseure sind ja Führungskräfte. Da gibt's oft wenig Verständnis darüber, was Führung eigentlich bedeutet und wie man Leute effektiv leiten kann. Präsenzarbeit biete ich hauptsächlich für Schauspieler an: Hier ist es essentiell wichtig, zu wissen, was sie machen können, um mehr zu sich zu kommen und eine intensive Präsenz herzustellen.
In den USA werden Coaches eher für größere Produktionen angeheuert. Inwieweit setzt sich diese durchaus wirtschaftliche Praxis an deutschen Sets durch?
Das hat sich hier zu Lande nicht verändert. Ich habe das jedenfalls hier noch nicht gehört, dass eine Produktion, die mit hochkarätigen Schauspielern besetzt ist, einen Coach, wie das in Amerika oft der Fall ist bucht. In Amerika wird in der ersten Woche einfach mal prophylaktisch ein Coach ans Set geholt, um zu schauen ob man ihn brauchen könnte oder eben nicht. Das basiert auf der klaren Rechnung, dass eine Überstunde für ein Team einer großen Hollywood Produktion mehr kostet als ein Coach für eine ganze Woche. „Brandherde" können sein, dass ein Schauspieler aus irgendeinem Grund unter Druck steht und nicht sein Bestes geben kann oder es gibt Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Regisseur und Schauspielern. Da kann ein guter Coach „Übersetzungsarbeit" leisten.
Sehen sich die amerikanischen Regisseure eher als Dienstleister?
Ja, ich glaube schon, dass eine unterschiedliche Denkweise über den Beruf des Regisseurs in angelsächsischen Ländern und in Deutschland vorhanden ist. Anders als hier ist das Verständnis des Schauspieler- und dem Regieberufs dort ein sehr viel pragmatischerer. Sie haben einfach ein handwerklicheres Verständnis und vielleicht auch deswegen lieber einen Coach mit dabei. Regisseure wissen einfach, dass sie sich nicht so gut mit Schauspielerei auskennen und sehen das ist auch nicht als ihren Job an. Sie können tolle Bilder inszenieren und machen eben ihre Arbeit. Das könnte ein deutscher Regisseur gar nicht zugeben, weil hier auch von den Schauspielern der Anspruch an die Regisseure besteht, dass sie einem doch helfen müssen. Das machen manche Regisseure in Amerika auch, aber das ist nicht so eine selbstverständliche Erwartung. Ein amerikanischer Schauspieler geht nicht davon aus, dass der Regisseur ihm hilft, diese Rolle zu spielen. Ein amerikanischer Regisseur geht auch nicht grundsätzlich davon aus, dass es sein Job ist, dem Schauspieler zu helfen, sozusagen Coach zu sein. Deutsche Regisseure empfinden das vielleicht eher als ein „in Frage stellen ihrer Kompetenz", wenn ein Coach mit dabei ist. Des Weiteren haben wir hier diese Tradition nicht, die Amerika seit den dreißiger Jahren pflegt und sich auch quantitativ und qualitativ bemerkbar macht. In Los Angeles gibt es z.B. ein gedrucktes Heft, das halbjährlich erscheint, wo nur Coaches drin stehen. Da gibt es unglaublich viele gute Leute, die sehr viel Erfahrung haben.
Womit ist dieser Mentalitätsunterschied zu begründen?
Generell ist das Bewusstsein in Amerika ein ganz anderes. Um historisch auszuholen, mussten dort alle Einwanderer von Anfang an gucken, wie sie weiter kommen. Die Devise lautete: Immer wieder weiter lernen und sich auch immer wieder sehr schnell neu orientieren und anpassen. Das Land gibt es erst seit 200 Jahren. Deutschland hingegen bestand zu der Zeit aus vielen einzelnen Kleinstaaten, wo alle paar Kilometer eine Grenze kam. Das Besitzbestand-Wahren hat hierzulande eine sehr lange Tradition und Veränderungen in jedem Bereich finden nur langsam statt. In Amerika haben Meisner, Adler und Strasberg, die alle drei Schauspieler im Group Theatre waren, ihre Methode in unterschiedlicher Richtung weiterentwickelt. Daraus sind die großen amerikanischen Schauspielschulen entstanden, zu denen in den 40-er und 50-er Jahren die großen Filmschauspieler gegangen sind. Von da an ist eine Tradition entstanden, die vom Theater ausging und die ganze amerikanische Schauspielerei revolutioniert hat. Seit dem gibt es in Amerika diese Tradition des Coachings auf höchstem Niveau.
Als Coach muss man Schauspielern auch mal psychologisch unter die Arme greifen, inwieweit unterscheidet sich dabei Deine Arbeit von der eines Therapeuten?
In einer Therapie geht es um eine langzeitige Begleitung von Menschen und um ihre persönlichen Themen: Das mache ich nicht! Natürlich ist die Psyche des Schauspielers auch sein Instrument. Das heißt, es finden immer wieder Auseinandersetzungen mit seinen seelischen, psychischen und emotionalen Vorgängen statt. Unter Umständen stehen diese ihm im Weg, dann muss man sich damit beschäftigen und Lösungsansätze finden, damit der Schauspieler für seine Figur zur Verfügung steht. In dem Sinne rede ich mit den Schauspielern auch darüber, was sie gerade belastet. Aber das Coaching hat in keiner Weise den Anspruch, das zu bieten, was eine gute Therapie bietet.
Was liebst Du/fasziniert Dich an Deinem Beruf?
Ich liebe es einfach diesen Prozess zu begleiten, Anregungen zu geben und zu erleben, dass ein Schauspieler über sich hinaus in die Rolle hineinwächst. Dieser Verwandlungs-/Entwicklungsprozess der im guten Falle nicht bedeutet, dass der Schauspieler sich eine Figur aneignet und sagt: „Ach der ist ja sowie ich"...sondern über seine Grenzen hinaus in die Figur wächst und neue Möglichkeiten entfaltet, finde ich faszinierend. Wenn das Ganze sowohl menschliche Tiefe, als auch eine Leichtigkeit, hohe Intensität sowie etwas Überraschendes hat und gleichzeitig so umfassend, vielschichtig, vollständig, spannend, geheimnisvoll und faszinierend ist, wie Menschen eben sind, finde ich das ganz wunderbar!
Vielen lieben Dank für das Gespräch!
Nähere Infos zu Frank Betzelt finden Sie hier:
www.frankbetzelt.de
Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von "casting-network. Das Branchenportal". Mehr zu ihrer Person finden sie in der Rubrik: Über uns.
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