Vor einigen Jahren haben wir Karl Schirnhofer zum ersten Mal in unseren cn-Produktionsspiegel eingetragen, damals in der Kategorie „Caster ohne Eintrag“. Da man auch sonst wenig über ihn im Internet findet – keine Homepage, kein großes Castingbüro – fragten wir uns, ob es ihn überhaupt gibt. Dann tauchte er jedoch immer häufiger in Produktionen auf, nicht mehr nur als Assistent. Bereits 2017 feierte „Container“ seine Premiere bei der Berlinale in der Sektion Perspektive Deutsches Kino. Beim First-Steps-Nachwuchspreis 2022 waren „Wir könnten genauso gut tot sein“ (AT: „Iris“), der Eröffnungsfilm der Sektion Perspektive der Berlinale war, und „The Ordinaries“ nominiert. Letzterer eröffnete das Filmfestival Oldenburg und erhielt bei den First Steps am 26. September die Auszeichnung als „Bester Abendfüllender Spielfilm“. Spätestens danach offerierten wir ihm einen Eintrag als Casting Director auf www.casting-network.de und im nächsten Schritt dieses Interview: Wer ist Karl Schirnhofer und weshalb ist er beim Casting?
Wie bist Du zum Casting gekommen?
Mein Weg zum Casting war ein ganz klassischer. Mein erster Berührungspunkt war ein Praktikum bei Liza Stutzky vor circa sieben Jahren. Grundsätzlich hatte ich zwar große Lust, den Beruf des Casting Directors auszuüben, wusste aber erst mal nicht genau wie. So bin ich bei einer Werbeproduktionsfirma als Produktionsassistent gelandet. Als ich dort gearbeitet habe, habe ich in einer Ausschreibung von Crew United gelesen, dass Ulrike Müller eine Casting- assistenz sucht, worauf ich mich beworben habe. Bei ihr bin ich heute noch. Neben der Assistenz mache ich auch eigene Projekte. Das heißt, dass ich den üblichen Weg vom Assistenten zum Casting Director gehe.
Wo findest Du Deine Schauspieler*innen? Gehst Du ins Theater?
Hast du schon mal auf der Straße jemanden angesprochen?
Ich würde behaupten, dass ich auch da den klassischen Weg gehe. Wobei ich natürlich nicht weiß, wie andere Kolleg*innen arbeiten. Ich recherchiere in den Datenbanken, schaue Filme, gehe auch gerne ins Theater. Wobei es da am Anfang eine große Sprachbarriere gab, denn ich bin gebürtiger Holländer und es ist natürlich nicht ganz so einfach wie als Muttersprachler einen Brecht-Abend zu genießen. Inzwischen klappt das aber ganz gut, und ich genieße das sehr. Gerade in den pandemischen Jahren 2020/2021 habe ich ganz großartige Schauspieler*innen gefunden und besetzt, die normalerweise durch ihr Engagement am Theater oft gesperrt waren und somit wesentlich mehr Zeit hatten. Auf der Straße ansprechen ist nicht meine Arbeitsweise, da es sehr zeitaufwendig ist. Als ich damals für die Werbeproduktionsfirma gearbeitet habe, habe ich mal ein Streetcasting gemacht. Mich interessiert auch eher das Spiel als die Ausstrahlung. Und da weiß ich nicht genau, wie ich das bei einem Streetcasting einschätzen soll.
Wenn Du Filme schaust, speicherst Du dann auch Schauspieler*innen ab?
Ich gehe auch ins Theater oder ins Kino, wenn ich nicht arbeite, um abzuschalten. Und wenn ich auf einer Datenbank bin, sehe ich Ausschnitte aus Projekten. Dann fällt mir auf: Den Film wollte ich ja auch noch schauen. Ich liebe die Arbeit der Schauspieler*innen auch als Zuschauer. Wenn ich abschalte und lediglich konsumiere, versuche ich, in diesen Momenten nicht wie ein Casting Director zu denken und immer im Hinterkopf zu haben, wie ich jemanden besetzen könnte.
Bild aus: „Container“ | Bild aus: „Container“ |
Wie nimmst Du Drehbücher von Hochschulprojekten wahr?
Denkst Du, sie sind thematisch sehr nah am Zeitgeist?
Da ich gerade erst am Anfang meiner Karriere stehe, habe ich natürlich keinen wirklichen Vergleich. Aber einer der Gründe, warum bekanntere Schauspielende, die für eine normalerweise höhere Tagesgage arbeiten, für studentische Projekte zusagen, ist die künstlerische Freiheit. Der Stoff muss nicht durch tausend Redaktionen gehen. Es steht oft wenig Geld zur Verfügung, was wiederum den kreativen Prozess extrem anfeuert. Klar steht die Vision der Regie im Vordergrund, aber man hat bei studentischen Projekten oft ein größeres Gemeinschaftsgefühl. Auch die Kommunikation auf Augenhöhe ist in unserer Generation sehr wichtig und hat sich im Gegesatz zu vergangenen Zeiten sehr gewandelt. Man möchte eine tolerantere, angenehmere Arbeitsweise am Set, und somit finde ich die neue, junge Welle in der Branche sehr spannend.
Wie reagieren Agenturen derzeit auf Anfragen von Studierenden?
Das kommt vor allem darauf an, wie die Anfrage gestellt wird. Sobald diese unprofessionell wirkt, ist es natürlich von Anfang an schwer, Schauspieler*innen für eine bestimmte Anzahl an Drehtagen zu gewinnen, für die sie deutlich weniger Geld bekommen und auch teilweise für eine längere Zeit gesperrt sind.
Wie frei bist Du in Deinen Besetzungsentscheidungen?
Pushst Du Produktion und Regie gerne mal, ein bisschen unkonventioneller zu besetzen?
Es ist eine Tatsache, dass manche Dinge vorgegeben werden. Das schränkt oft kreative Prozesse ein, aber das ist nicht unbedingt direkt problematisch. Am Ende des Tages ist es nicht meine Vision, die durchgesetzt wird – ich habe weder das Drehbuch geschrieben noch muss ich als Regiesseur eine bestimmte Zeit mit meinen Schauspieler*innen verbringen, deshalb bin ich da recht frei von jeglichen Ego-Gedanken. Es gab natürlich auch schon Projekte, wo ich anderer Meinung als die Regie war. Aber als ich dann am Ende des Tages den Film gesehen habe, habe ich verstanden, warum sich letztendlich für jenen Schauspielenden entschieden wurde.
Bild aus: „Wir könnten genauso gut tot sein“ | Bild aus: „Wir könnten genauso gut tot sein“ |
Welchen Film (gerne groß denken) hättest Du gerne besetzt? Weshalb?
„My own private Idaho“ von Gus Van Sant. Als ich mit 18 Jahren nach Berlin gekommen bin, hat er mich sehr geprägt. Dieses pure Arthouse hat mich weggedonnert. Obwohl die Geschichte so real ist, ist der Film von der Machart etwas Besonderes.
Mit welchem Regisseur würdest Du gerne mal zusammenarbeiten?
Es gab für mich nie den starken Drang, mit großen Leuten zu arbeiten, weil ich zu Beginn meiner Karriere schon viele tolle Regisseur*innen kennenlernen durfte. Ich würde gerne mit Leuten zusammenarbeiten, die einen eigenen Stil haben und etwas Besonderes sind. Alison Kuhn finde ich zum Beispiel sehr spannend, weil sie wichtige und aktuelle Themen anspricht. Das ist ein bisschen die große Idee meiner Arbeit: Sich mit Themen und Menschen auseinandersetzen, die einen interessieren und berühren.
Deutschland und seine Krimis: Ja oder nein?
Ich gebe mein Bestes, um sie zu lieben, und habe auch Freund*innen, die regelmäßig am Sonntag in die Kneipe gehen, um den „Tatort“ zu gucken. Es gibt auch inzwischen viele gute „Tatorte“, aber mein Genre ist es nicht.
Möchtest Du mal im Ausland arbeiten ?
Vor zehn Jahren hätte ich ganz klar gesagt: Amerika. Allerdings möchte ich mich erst mal hier in Deutschland etablieren, bevor ich mich mal eventuell in Richtung Ausland orientiere. Allerdings kann ich mir Koproduktionen gut vorstellen, zum Beispiel eine deutsch-holländische. Ich beobachte auch derzeit viele Kolleg*innen, die gerne in Europa bleiben wollen. Meine Wunschvorstellung ist es auch, weiter mit Leuten zu arbeiten, mit denen ich schon gearbeitet habe. Dieses Fundament, welches aus einem Kennenlernen resultiert, ist für mich sehr wichtig, wächst über die Jahre immer mehr und lässt die Arbeit spannender werden.
Was würdest Du Dir fürs Casting hierzulande wünschen?
Ich bin ja gerade noch recht frisch in der Branche und finde die neue Welle ganz toll, was ich weiter oben genauer beschrieben habe. Ich kann da gar kein größeres Feedback geben, weil ich noch keinen so großen Erfahrungsschatz habe.
Dein bester Tipp für angehende Schauspieler*innen?
Aktualisiert Eure Portale! Regelmäßig. Wenn Ihr neue Fotos habt, ladet sie sofort hoch. Wenn ihr gerade irgendwo mitgespielt habt, besorgt Euch das Material und ladet es sofort hoch. Wartet nicht! Diese Zeit ist schnelllebig. Wenn ich beispielsweise gerade einen „Tatort“ gesehen habe und eine Person vorschlagen will, aber diese Person sehr altes Spielmaterial oder sogar gar kein Spielmaterial online hat, wie soll ich diese Person dann vorschlagen? Auch was Fremdsprachen angeht: Wenn Ihr eine Fremdsprache sprecht, packt das in Euer Showreel!
Bild aus: „The Ordinaries“ | Bild aus: „The Ordinaries“ |
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