Die zweijährige Mila ist gehörlos. Bei einer Untersuchung wird festgestellt, dass sie mit einem Implantat hören könnte. Doch ihre Eltern sind dagegen. Eine Richterin muss entscheiden. Liegt Kindeswohlgefährdung vor, wenn einem Mädchen die Möglichkeit verwehrt wird, hören zu lernen? Oder lohnt sich der Blick hinter die Kulissen: Was ist mit der Sorge der Eltern, dass hier ein Kind ohne Not zu einem Dauerpatienten gemacht werden könnte?
Das deutsche Fernseh-Filmdrama „Du sollst hören“ (Casting: Phillis Dayanir), inszeniert von Petra Katharina Wagner, mit Claudia Michelsen, Benjamin Piwko und Anne Zander in den Hauptrollen, setzt sich mit dem Thema Gehörlosigkeit aus verschiedenen Blickwinkeln auseinander.
Petra Katharina Wagner hat als studierte Soziologin und Philosophin bereits eine gute Reihe an Filmen seit den Neunzigerjahren inszeniert, unter anderem das Fernsehdrama „Herbstkind“ aus dem Jahr 2012, das sich mit postnataler Depression auseinandersetzt. Auch ihr Film „Frankfurt, Dezember 17“ setzt sich auf eine sehr ehrliche Art und Weise mit dem Schicksal eines Obdachlosen auseinander.
Neben ihrer Arbeit als Regisseurin arbeitet sie als Autorin von Drehbüchern und Kurzgeschichten. Sie ist eine der Geschäfts- führer*innen der Berliner Produktionsfirma Moonfilm GmbH (ehemals Indigo Film).
Petra K. Wagner ist Filmemacherin. Sie macht als Regisseurin und Autorin seit 1986 Kino- und Fernsehfilme mit denen sie auf zahlreichen nationalen und internationalen Festivals Nominierungen und Preise bekam. Ihr Film „Frankfurt, Dezember 17“ erhielt 2018 den Medienkunstpreis des Festival des Deutschen Films Ludwigshafen, sowie eine Nominierung zum Grimmepreis. Für den Tatort „Die Guten und die Bösen“ erhielt sie beim Krimifest Wiesbaden 2020 den Regiepreis. Sie ist Gründungsmitglied bei der Moonfilm GmbH, mit der sie Kunstfilme und Kinofilme produziert.
Wie sind Sie zu dem Projekt „Du sollst hören“ gekommen?
Die Produzentin Simone Höller, die meine Arbeit bereits kannte, hat mich gemeinsam mit der Redakteurin Petra Tilger vom ZDF gefragt, ob mich das Thema interessiert. Und dem war so! Sogar brennend. Ich kannte den Fall über einen Spiegel-Artikel, an den ich mich sehr gut erinnern konnte, weil das Thema Selbstbestimmung in Bezug auf ein gehörloses Elternpaar mit Kind für mich sehr spannend war. Ich fand auch die Vorstellung, mit Gehörlosen zu arbeiten und intensiv in dieses Thema einzudringen, eine tolle Herausforderung. Somit wollte ich auch von Anfang an, dass alle Rollen, die im Buch gehörlos sind, auch mit gehörlosen Schauspieler*innen besetzt werden.
Können Sie etwas mehr zum angesprochenen Spiegel-Artikel erzählen?
Gehörlose Eltern, die eine kleine Tochter hatten, wurden vom Krankenhaus verklagt, weil sie das Implantieren eines Cochlear Implantat abgelehnt hatten. Das Gericht hat den Eltern recht gegeben, und das war für Gehörlosen-Community in puncto Selbstbestimmung ein absoluter Meilenstein. Das Urteil bezog sich darauf, dass Gehörlose auch eine anerkannte Sprache haben – die Gebärdensprache. In Deutschland gilt diese zwar erst seit 2002 als vollwertig, aber man kann sie eben auch lernen oder an der Universität studieren.
Bild aus: „Du sollst hören“ | Bild aus: „Du sollst hören“ |
Wie kam es denn zur Entscheidung, dass gehörlose Schauspieler*innen die Rollen verkörpern sollten?
Einer meiner größten Wünsche bei meinen Filmen ist es, authentisch zu sein: In der Figurenführung, in der Geschichte und den Konflikten und natürlich auch bei der Wahl der Schauspieler*innen. Das war also von Anfang an gegeben. Außerdem hoffe ich, dass ich sehr sensibel für Diversität und all die Themen bin, die unsere unsere Welt und damit auch die Filmbranche gerade umtreiben. Gerade auch, wenn es darum geht, dass es aus den verschiedenen Communities einen Wunsch nach Repräsentation gibt. Ich glaube, wir befinden uns in einer Übergangszeit, und ich würde mir wünschen, dass irgendwann jeder alles machen darf. Aber das ist noch nicht so und ich verstehe, dass man sich im Moment genau anschauen muss, wer was macht und wer was repräsentiert.
Hatten Sie bei der Suche nach Darsteller*innen Casting-Directors an Ihrer Seite?
Ja! Der Casting-Prozess hat mich sehr neugierig gemacht, weil das ja die erste Hürde ist, die man in der Entstehung eines Films nimmt. Wir haben zusammen mit Phillis Dayanir von „Dayanir & Hellwig Casting“ zusammengearbeitet und waren sehr verwundert, wie viele gehörlose Schauspieler*innen es doch gibt. Es stand allerdings von Anfang an vonseiten der Produktion fest, dass Benjamin Piwko die Hauptrolle spielt, da er eine große Popularität durch seine Teilnahme bei „Let’s Dance“ gewonnen hatte. Außerdem hatte er bereits einige TV-Produktionen gedreht und brachte somit die nötige Erfahrung mit. Zunächst haben wir eine Art Sammelcasting für die weibliche Hauptrolle und ihre Schwester. für die Rolle der Schwester suchten wir eine Schauspielerin gesucht, die sehr fit in Gebärdensprache ist. Auf diesem Weg haben wir Laura Lippmann gefunden, deren große Schwester gehörlos ist. Das war ebenfalls eine Punktladung. Das ganze Casting war aufregend: Wir hatten den gesamten Zeitraum über zwei Übersetzer*innen dabei. Und für mich als Regisseurin war es auch spannend, über Bande zu kommunizieren und meine Inszenierung dementsprechend anzupassen.
Gab es Ausschreibungen für die Rollen?
Es ist ja nach wie vor schwer, bestimmte Filter über die gängigen Datenbanken anzuwenden.
Phillis Dayanir hat ausgeschrieben und ist direkt mit den Communities in Kontakt getreten. In Berlin ist zum Beispiel eine gut vernetzte Gehörlosen-Community. Dort haben wir die Dolmetscher*innen kennengelernt. Wir waren erstaunt, wie viele Schau- spieler*innen es dann doch gab, die schon Erfahrung im Film und Bühnenbereich hatten.
Bild aus: „Du sollst hören“ | Bild aus: „Du sollst hören“ |
Wenn man mit Schauspiel*innen mit Einschränkungen arbeitet, muss man bestimmte Dinge beachten.
Was wären im Nachgang Ihre Tipps?
Man braucht einen Kommunikationswillen und muss eine gewisse Hemmschwelle überwinden. Es ist schon eine andere Art der Kommunikation, wenn ich einem gehörlosen Schauspielenden Regieanweisungen gebe und er oder sie auf die Dolmetscher*in guckt und nicht auf mich. Daran musste ich mich gewöhnen, es hat aber nach kürzester Zeit ganz wunderbar funktioniert, und dann war der Chemie zwischen mir und meinen Schauspieler*innen gegeben. Beim Drehen hatten wir auch einen Deaf-Supervisor, der als eine Art Bindeglied zwischen mir und den Schauspieler*innen fungierte. Er hat darauf geachtet, dass mit dem gehörlos geprägten kulturellen Hintergrund des Films richtig umgegangen wird und dass die Sätze stimmen. Am Ende der Dreharbeiten hat das ganze Team davon profitiert, dass man mit einer anderen Sprache konfrontiert war.
Wenn der Film ausgestrahlt wird, wie steht es um die Barrierefreiheit?
Der Film wird am 19. September 2022 um 20:15 Uhr im ZDF (Mediathek bis 9. September 2023) ausgestrahlt und hatte seine Premiere auf dem Filmfest Ludwigshafen. Zusammen mit 1.000 Menschen haben meine Schauspieler*innen, ein Teil des Teams und ich den Film sehen können. Wir haben für die Dialoge der tauben Schauspiel:innen miteinander mit Untertiteln im Bild gearbeitet. Das heißt: Wir haben jeweils den Text recht nah an die Schauspielenden gesetzt, der/die gerade spricht. Für die Vorführung in Ludwigshafen gab es eine Kopie mit durchgehenden Untertiteln, die nach Rücksprache mit der Community auf dem unteren Bildrand war.
Können Sie den Skeptikern, die oft als Argument nutzen, dass das Arbeiten mit beeinträchtigten Schauspieler*innen kostspielig wäre, den Wind aus den Segeln nehmen?
In unserem Fall hatte die Produktion definitiv Mehrkosten, weil es das erste Projekt dieser Art und Größe war. Die Dolmetscher*innen, der Deaf-Supervisor am Set, die Untertitel in der Postproduktion. Das ist schon etwas mehr als bei anderen Produktionen. Trotzdem sollte es andere Produzent*innen nicht davor abschrecken, solche Projekte anzugehen. Der Mehrwert ist für alle enorm und ich hoffe sehr, dass, durch unseren Film angeregt, auch viele weitere entstehen, die für solche Themen offen sind und sensibilisieren. Ich selber freue mich sehr darauf, wenn ich in meinen zukünftigen Projekten wieder einmal mit einer oder einem dieser wunderbaren gehörlosen Schauspieler*innen zusammenarbeiten kann.
Was war Ihr schönstes Erlebnis während der Dreharbeiten?
Eines meiner schönsten Erlebnisse war gewiss, dass wir alle gelernt haben die Geburtstage unserer Teammitglieder in Gebärdensprache zu singen!
Bild aus: „Du sollst hören“ | Bild aus: „Du sollst hören“ |
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