Das Stadt:Kollektiv des Düsseldorfer Schauspielhauses, geht mit seinem Pro-jekt „Achtsam Pöbeln. Gebrauchsanweisungen zum Widerspruch“ an den Start.
Geleitet und inszeniert wird das Projekt, welches Menschen mit und ohne Behinderung inkludiert, von den Kulturpädagoginnen Roisin Keßler und Amelie Herm.
Roisin Keßler hat Erfahrung im Bereich der mixed-abled darstellenden Künste und der Interessenvertretung von Künstler*innen mit Künstler*innen mit Be- hinderung. Sie war Teil von inklusiven Zirkus- und Tanzcamps, ist aktuell Ko-ordinatorin des Netzwerks nicht behinderter und behinderter Tanz- und Theater-schaffender und freie Mitarbeiterin des Projekts „Access Maker“ des Vereins Un-Label.
Amelie Herm hat Erfahrung mit Theaterprojekten an Jugendzentren und im Be-reich intersektionaler und queerer Antidiskriminierungsarbeit.
Wir haben uns zum gemeinsamen Gespräch Mitte Mai zur Probe getroffen. Am 12. Juni wurde um 16:00 Uhr und um 19:00 Uhr das Projekt aufgeführt.
Wer genau seid Ihr?
Wir sind Amelie Herm und Roisin Keßler und leiten den Theaterclub des Stadt:Kollektiv „Achtsam Pöbeln - Gebrauchsanweisungen zum Widerspruch“, in dem Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam miteinander theater-spielen. In den letzten Wochen und Monaten haben wir uns vermehrt mit den Themen Achtsamkeit, Streit, Konflikte, Pöbeln aus-einandergesetzt.
Wir beide werden im Prinzip über das Stadt:Kollektiv beschäftigt, was von Bassam Ghazi - ehemaliger Theaterpädagoge am Schauspiel Köln und Gründer des ‚Import Export-Kollektivs“- und Birgit Lengers, momentan noch Leiterin des Jungen DT in Berlin, geleitet wird. Wir arbeiten rein kreativ und um alles Administrative hat sich das Kollektiv gekümmert. Das Stadt:Kollektiv ist die Sparte zum Mitmachen am Düsseldorfer Schauspielhaus.
Um was geht es in dem Stück?
Es ist kein Stück im klassischen Sinne, sondern eine Performance, die im Innenhof, auf der Probebühne des Stadt:Kollektivs sowie dem Lichthof der Theaterkantine stattfindet.
Wir haben verschiedene Szenen erarbeitet, hinzu kommen performative Anteile, die den Spielenden erlauben intuitiv auf die situativen Umstände zu reagieren.
Ist Eurer Stück barrierefrei?
Nein, leider nicht ganz. Alle Orte sind zwar für Rollstuhlfahrer*innen bzw. allgemein Menschen mit Gehbehinderung zu erreichen, allerdings haben wir keine Audiodeskription und Dolmetscher*innen für deutsche Gebärdensprache.
Wie politisch seid Ihr?
Wir haben politische Textarbeit gemacht und uns natürlich vor allem mit den Themen Inklusion und Ableismus beschäftigt.
„Ableismus“ ist die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung und kommt vom englischen „Ableism“ - „to be able“ bedeutet „fähig sein“ und Ableimus bezieht sich darauf, aufgrund von behinderungsbedingten fehlenden Fähigkeiten diskriminiert zu werden.
Wir haben die Anfrage bekommen, einen Theaterclub für Menschen mit und ohne Behinderung zu leiten. Klar hatten wir dementsprechend Lust ein buntes, positives Zeichen zu setzen, aber wir wollten auch politisch Kante zeigen und auch den Raum geben, zum wütend sein - zum Pöbeln. Wir haben uns die Frage gestellt: Wer wird denn überhaupt gehört, wenn er pöbelt? Und wie pöbelt man so, dass die negative Konnotation wegfällt?
Wir wollten aber auch kein plakatives Behindertenprojekt auf die Beine stellen, sondern einen Raum schaffen, wo alle Teilnehmer*innen die Möglichkeit haben, ihre Erfahrungen offen darzulegen oder auch nicht. Wir glauben, jeder Mensch hat ein Thema, dass ihm wichtig ist. Aber Ableismus steht bei uns im Vordergrund und Menschen mit Behinderungen werden einfach weniger gehört, (wenn sie pöbeln) und wir wollten diesen Menschen mit diesem Projekt einen sicheren Raum geben laut sein zu können.
Welche Rolle spielt das Publikum?
Natürlich möchten wir gerne alle Menschen, die an unserem Theatererlebnis teilnehmen, mit einbeziehen. Und auch gerne das Publikum partizipierenlassen und es somit raus aus seiner Passivität ziehen. Das ist in erster Linie unserer Profession geschul-det, denn wir sind beide Pädagoginnen und keine Regisseur*innen.
Wie habt Ihr das Ensemble „gecasted“?
Wir haben nicht klassisch gecastet, sondern im Vorfeld des Projekts zwei Infotreffen veranstaltet, zu denen alle Interessierten kommen konnten. In den Theaterclubs des Stadt:Kollektiv können alle mitmachen, es braucht keine Schauspielerfahrung oder sogar Ausbildung. Alle, die nach dem Infotreffen bei der Inszenierung mitmachen wollten, haben wir in einen Lostopf geschmis-sen und zwölf Spieler*innen ausgelost.“
Wie gestalten sich die Proben?
Wir haben viele Theaterübungen gemacht und vieles über ein gemeinsames Spielen erarbeitet. Daraus sind letztendlich Arbeitsgruppen entstanden. In diese Gruppen wurden zu den verschiedenen Schwerpunkten Szenen entwickelt, alles in Bezug zu unserem Thema „Pöbeln“ und „Achtsamkeit“. Zum Teil haben wir die Gruppen selbst Szenen entwickeln lassen und haben sie mit Texten zu unseren Themen versorgt.
Und zum Ende der Probenzeit hat sich herausgestellt, welche Szenen wir letztendlich zeigen wollen und haben diese geschliffen und ausgearbeitet.
Warum gerade das Wort „Pöbeln“?
Im Grunde hat sich das auf das aktuelle Spielzeit-Motto des Stadt:Kollektiv gestützt, welches „Radikal sozial“ ist. Als wir uns damit auseinandergesetzt haben, sind wir recht schnell auf die Themen „Konflikte“ und „Streit“ gekommen. Es steckt etwas Aufmüpfiges im Wort „Pöbeln“ - das hat uns gut gefallen.
Wie definiert Ihr Diskriminierung im Kontext von Behinderung?
Dazu möchten wir gerne auf die Definition in der UN-Behindertenrechtskonvention verweisen: „Zu den Menschen mit Be-hinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche,
seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit
verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der
Gesellschaft hindern können.“
Jede Form von Diskriminierung, wie auch Ableismus, ist strukturell und systematisch verankert. Egal, ob bei Menschen mit Behinderung, bei Rassismus, bei Klassismus oder all den Formen der Diskriminierung.
Vielen Dank für das Gespräch und Einblick in die spannende und entspannte Probe.
www.dhaus.de/achtsam-poebeln
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