Steckbrief:
Dr. jur. Tilo Gerlach ist Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH (GVL). Der gebürtige Berliner studierte nach dem Abitur Rechtswissenschaften und Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin und der Universität Freiburg. Nach seinem Referendardienst in Berlin und Washington D.C. war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsrecht der Humboldt-Universität Berlin. Zur GVL kam Tilo Gerlach im Jahr 1996 als Justiziar und wurde 2001 Geschäftsführer. Er ist zugelassener Rechtsanwalt und promoviert an der Universität Freiburg zum Thema „Schutz vor fehlerhaften Kunstexpertisen". Zusätzlich ist er Lehrbeauftragter am Institut für Kulturmanagement der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, Mitglied des Fachausschusses Urheberrecht der Gesellschaft für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, der Fachausschüsse Urheberrecht und Kulturwirtschaft des Deutschen Kulturrates und Präsident der Europäischen Dachorganisation der Verwertungsgesellschaften ausübender Künstler AEPO/ARTIS.
Was ist die GVL?
Die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH (kurz GVL) ist die urheberrechtliche Vertretung der ausübenden Künstler und der Tonträgerindustrie.
Was sind die Aufgaben der GVL?
Die GVL kümmert sich um die gesetzlichen Vergütungsansprüche, die den ausübenden Künstlern für Massennutzungen ihrer Darbietungen nach dem Urhebergesetz zustehen. Unter ausübenden Künstlern verstehen wir zum Beispiel Schauspieler, Musiker, Sprecher, Tänzer oder künstlerische Produzenten.
Worin liegen die Unterschiede zur Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA)?
Die GEMA nimmt die Urheberrechte der Komponisten, Musiktexter und, sobald sie übertragen sind, auch die der Verleger wahr. Die GVL nimmt dagegen die Rechte der Interpreten an ihrer Darbietung wahr. Ein Schauspieler hat für seine konkrete Mitwirkung in einem Film oder seinem Auftritt in einem Theater einen bestimmten Umfang an Rechten. Er kann beispielsweise verhindern, dass seine Darbietung mitgeschnitten und im Rundfunk übertragen wird. Der GEMA und der GVL geht es also um verschiedene Leistungen - die schöpferische Leistung durch Komposition oder Text auf der einen, die künstlerische Darbietung auf der anderen Seite.
Die GEMA unterscheidet ja in E- und U-Musik, wird bei Ihnen ähnlich zwischen den Künstlern differenziert?
Nein, diese Unterscheidung gibt es bei uns nicht. Wir sind demokratisch organisiert und verfügen über einen Beirat, der aus Vertretern der verschiedenen Künstler besteht. Dort sitzt ein Vertreter aus beispielsweise der Berufsgruppe Schauspieler, Tänzer oder Studiomusiker. Für die Ausschüttung selbst ist es also bisher kein Kriterium, welches Genre bedient wird.
Für welche „Produkte" entstehen Vergütungsansprüche?
Um den Rahmen hier nicht so sprengen, würde ich mich gerne auf den Wortbereich beschränken, da dies für Sie und Ihre Leser sicherlich relevanter ist. In diesem Bereich ist es so, dass nach dem Gesetz Vergütungsansprüche für die künstlerische Darbietung bestehen. Hier ist zunächst eine Abgrenzung nötig, da Sprache ja auch Sachinformation ist - ein Nachrichtensprecher oder Moderator wäre bei der GVL nicht richtig aufgehoben. Bei Schauspielern und auch Synchronsprechern jedoch steht die künstlerische Darbietungsleistung im Mittelpunkt. Wir vertreten aber zum Beispiel auch Theaterregisseure, weil diese die Schauspieler künstlerisch anleiten und damit entsprechende Rechte haben. Im Gegensatz dazu stehen Filmregisseure, die als Urheber nicht von der GVL, sondern von der VG-Bildkunst vertreten werden.
Viele Schauspieler sind ja auch als Sprecher tätig. Wie verhält es sich da, beispielsweise bei Hörbüchern?
Das ist eine schwierige Sache, da Hörbücher rechtlich letztlich wie erschienene Tonträger zu qualifizieren sind, die Sprecherleistung aber eine der ausübenden Künstler ist. Diese Künstler bekommen nach Anmeldung der Hörbücher Erlöse aus der privaten Vervielfältigung und der öffentlichen Wiedergabe. Doch Hörbucher, obwohl sie erschienene Tonträger sind, können nicht einfach so gesendet werden, weil die VG-Wort anders als die GEMA nicht umfassend die Senderechte am literarischen Werk vertritt. Daher haben die Sender - abgesehen von kurzen Ausschnitten - diese Rechte nicht, sondern müssen diese aufwendig von den Verlagen erwerben. In der Vergangenheit wurde in diesem Bereich nicht groß differenziert. Die Bedeutung von Hörbüchern war so gering, dass eine Differenzierung aufwendiger gewesen wäre, als sie einfach über die Tonträgersendevergütung mit abzuwickeln. Heute behandeln wir das aber anders. Dennoch ist der Bereich, in dem wir Hörbücher für die Tonträgersendung vergüten ein sehr eingeschränkter. Nur dann, wenn uns die Sendung nachgewiesen wird oder wir aus anderen Meldungen von der konkreten Sendung der Hörbücher erfahren, können wir Vergütungsansprüche stellen. Doch das ist leider nur die Ausnahme.
Welche Voraussetzungen müssen für das Entstehen eines Vergütungsanspruches erfüllt sein?
Es muss immer eine mediale Verwertung vorliegen. Die private Nutzung ist für die GVL unerheblich. Um das mal an einem Beispiel zu konkretisieren: Für einen Schauspieler nehmen wir das Recht an der öffentlichen Wiedergabe von Rundfunksendungen und von Bildtonträgern wahr. Das betrifft beispielweise jeden Hotelier, der in der Hotellounge einen Fernseher stehen hat. Dieser muss, da diese Nutzung in der Öffentlichkeit stattfindet, eine Vergütung zahlen. Das gleiche gilt auch für die Kabelweitersendung, wenn ein Kabelunternehmen Programme übernimmt, entsteht dem Schauspieler ein Vergütungsanspruch. Der wohl wichtigste Bereich, den die GVL für einen Schauspieler wahrnimmt, ist die sog. Leermedienabgabe. Hier ergibt sich ein Vergütungsanspruch im Rahmen der privaten Vervielfältigung, die ja in Deutschland grundsätzlich erlaubt ist. Hersteller von DVD-Brennern, DVD-Rohlingen, USB-Sticks und dergleichen zahlen hierfür eine Abgabe, an deren Erlösen die ausübenden Künstler beteiligt werden.
Und wie sieht es im Bereich der neuen Medien aus, zum Beispiel bei Online-Serien?
Für die GVL haben diese neuen Medien nur eingeschränkt Bedeutung. Das liegt daran, dass wir uns eben auf den Bereich der Vergütungsansprüche in der sogenannten Zweitverwertung beschränken. Bei derartigen originären Internetangeboten stehen wir mit den Anbietern nicht in Verbindung, weil dort keine Rechte von uns zu erwerben sind. Genauso wenig sind wir ja auch in die Verträge zwischen Schauspielern und Sendeunternehmen involviert, das sind Aufgaben der Vertragspartner. Wir würden erst bei einer Massennutzung, die sich an die Internetnutzung anschließt, aktiv werden. An der Internetnutzung selber können wir keine Rechte wahrnehmen.
Nehmen wir an, ein junger Schauspieler überlegt sich, einen Wahrnehmungsvertrag abzuschließen. Wie läuft das konkret ab?
Dieser Schauspieler braucht sich nur an die GVL zu wenden und wir schicken ihm diesen Vertrag zu. Das kostet nichts und daher kann ich das nur jedem empfehlen, dessen schauspielerische Leistung zweitverwertet wird, also im Fernsehen übertragen wird oder als Aufnahme erscheint.
Was muss ein Schauspieler tun, um Vergütungsansprüche geltend machen zu können?
Die Wahrnehmungsberechtigen erhalten jedes Jahr von uns einen Nachweisbogen, in dem sie dann eintragen, welche Entgelte im Verteilungsjahr erzielt wurden. Diese Entgelte müssen dann über entsprechende Verträge nachgewiesen werden. Im Grunde funktioniert das wie eine umgekehrte Steuererklärung: Sie weisen Ihre Einkünfte nach, bekommen dann aber Geld statt welches abzugeben.
Sind noch andere Belege notwendig?
Ja, um missbräuchliche Falschangaben zu verhindern. Jeder Wahrnehmungsberechtigte bekommt zusammen mit seinem Nachweisbogen Hinweise dazu. Dort steht ganz genau drin, was im Einzelnen erforderlich ist. Sie bekommen alles Notwendige zugeschickt, müssen nichts per Post anfordern oder herunterladen.
Kann der ausgefüllte Nachweisbogen auch per E-Mail gesendet oder gefaxt werden?
Nein, das geht leider nicht. Die Belege können gerne auch gefaxt, per E-Mail gesendet oder als Kopien eingereicht werden. Aber den Nachweisbogen selber brauchen wir als Original wegen der Originalunterschrift, mit der die Richtigkeit der Angaben bestätigt wird. Das ist auch einfach eine rechtliche Sache.
Welche Fristen müssen eingehalten werden?
Es gibt zwei verschiedene Fristen. Zunächst geht es um den Abschluss des Wahrnehmungsvertrages selber, dieser muss bis zum 30. April erfolgen. Zur Einsendung des Nachweisbogens ist die verbindliche Frist der 30. Juni. Denn sonst können wir nicht berechnen, wie wir unsere Vergütungen zu verteilen haben.
Können auch Vergütungsansprüche aus den Vorjahren geltend gemacht werden?
Nein, das geht leider nicht, weil wir keine Rückstellungen haben, sondern tatsächlich mit Abschluss des Wahrnehmungsvertrages nachweisen, dass die GVL-Ausschüttung beginnt.
Was muss noch beachtet werden?
Ganz wichtig ist, dass uns Kontowechsel und Wohnortwechsel schnellstmöglich mitgeteilt werden, damit es keine Schwierigkeiten gibt und die Schauspieler dann auch Ihre Gelder erhalten.
Wie verhält es sich mit Schauspielern, die Ihren Wohnsitz nicht in Deutschland haben?
Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit für alle EU-Staatsangehörige unabhängig davon, wo sie ihren Wohnsitz haben, einen Wahrnehmungsvertrag mit der GVL abzuschließen. Für Schauspieler, die im Ausland ansässig sind, können sich da steuerliche Probleme ergeben. Wir müssen dann einige Dinge beachten: Gibt es Doppelsteuerungsabkommen? Gibt es Steuerabzüge, die wir vornehmen müssen? Gibt es erforderliche Freistellungen, um den Steuerabzug zu verhindern? Die betroffenen Schauspieler werden dann individuell von uns informiert, was erforderlich ist.
Haben Sie eine Servicehotline, bzw. wer sind die konkreten Ansprechpartner?
Es gibt zum einem den Abteilungsleiter der Abteilung der ausübenden Künstler, Herrn Sehm und die Assistentin der Abteilung Frau Blümel. Das wären die ersten Ansprechpartner. Wenn es um konkrete Verteilungen geht, steht auf dem Nachweisbogen aber auch immer der zuständige Sachbearbeiter, der im Zweifel immer am besten Bescheid weiß.
Wie verhält es sich mit Vergütungsansprüchen im Ausland?
Die Auslandsvergütung ist ein sehr komplexer Bereich. Leider gibt es immer noch kein internationales Abkommen, so dass wir hier einen Flickenteppich unterschiedlicher Rechte haben. Wir haben in Deutschland einen hohen Schutzstandard, der in anderen Ländern, gerade im Bezug auf Vergütungsansprüche, so nicht existiert. Auch wenn es in diesen Ländern Verwertungsgesellschaften gibt, heißt das nicht zwingend, dass man als deutscher Schauspieler dort auch Rechte geltend machen kann. In England gibt es beispielsweise die British Executive Correcting Society (BECS), die sich nur darauf beschränkt, Vergütungen für britische Künstler im Ausland zu empfangen. Denn dort gibt es weder eine Kopierabgabe, noch Vergütungen für die Vermietung oder den Verleih. Der Schauspieler überträgt uns mit Abschluss des Wahrnehmungsvertrags Rechte, und zwar - das ist ganz wichtig - grundsätzlich weltweit. Nach EU-Recht ist es aber auch zulässig, mehreren Verwertungsgesellschaften anzugehören. Wichtig dabei ist die Transparenz. Wenn sich ein Schauspieler entscheidet, diese Ansprüche über eine ausländische Verwertungsgesellschaft wahrzunehmen, so muss er die Rechte für dieses Land bei uns zurückrufen. Wir schließen nämlich Gegenseitigkeitsverträge mit Schwestergesellschaften in anderen Ländern. Diese Verträge mit den ausländischen Verwertungsgesellschaften funktionieren so, dass diese genau wie wir keine konkreten Gelder im jeweils anderen Land in Empfang nehmen. Stattdessen verbleiben diese Beträge bei den heimischen Wahrnehmungsberechtigten, um für Ihre Nutzung im jeweiligen Ausland entschädigt zu werden. Allerdings sind wir am überlegen, dieses System umzustellen und konkret zu sehen, was in welchem Programm genutzt wird und dann auf dieser Basis nutzungsbezogene Vergütungen in Empfang zu nehmen. Die Verhandlungen sind zwar zäh, doch ich bin sehr optimistisch, dass wir uns dort in den nächsten Jahren noch viel besser aufstellen werden. Unser Ziel dabei ist, den Künstlern ohne große eigene Mitwirkung die entsprechenden Auslandserlöse dann weiterzuleiten.
Wie funktioniert die Ausschüttung? Ähnlich wie bei der VG-Wort, dass es einen großen Topf gibt, der nach einem Verteilungsschlüssel an die Mitglieder ausgeschüttet wird?
Ja, das funktioniert in der Tat ähnlich wie bei der VG-Wort. Dort gibt es wie bei uns verschiedene Töpfe nach Art der Leistung. Unser größter Topf ist eigentlich der, in den die Sender für die Sendung erschienener Tonträger einzahlen - also wenn Musik im Rundfunk gesendet wird. Dieser wird natürlich nicht an Schauspieler, sondern an die Musiker ausgeschüttet. Man muss schon sehen, dass jeder aus seinem Topf isst. Der Topf der Schauspieler wird gefüllt durch öffentliche Wiedergaben, private Vervielfältigungen, aber auch durch Erlöse, die wir von Videotheken für den Verleih von Videos bekommen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Den Wahrnehmungsvertrag finden Sie hier:
https://www.gvl.de/pdf/wahrnehmungsvertrag-ausuebende-kuenstler.pdf
Der Vertrag muss in zweifacher Ausführung ausgefüllt und unterschrieben zusammen mit dem ergänzenden Formular und dem Fragebogen und einer Kopie des Personalausweises an die GVL geschickt werden:
Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechen mbH (GVL)
Podbielskiallee 64
14195 BERLIN
Postfach 330 361
14173 Berlin
Das Datum des Vertragsbeginns (Ziff. VI. (1)) wird von der GVL ausgefüllt.
(Einsendeschluss war der 30. April 09)
Im Anhang haben wir Ihnen mit freundlicher Unterstützung der GVL eine Liste von ausländischen Verwertungsgesellschaften zusammengestellt.
Edit: Seit 2016 können Künstler Wahrnehmungsverträge online abschließen:www.gvl.de/gvl/aktuelles
Anhang ansehen / runterladen:
Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von "casting-network. Das Branchenportal". Mehr zu ihrer Person finden sie in der unter der Rubrik: Über uns.
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