Steckbrief:
Ottfried Fischer über Ottfried Fischer. "Der Bulle von Tölz" und "Pfarrer Braun" - nur wenige kennen den beliebten Schauspieler Ottfried Fischer als Kabarettisten. Dabei steht er gerade mit seinem neuen Soloprogramm auf der Bühne. In "Wo meine Sonne scheint" setzt Fischer sich kritisch mit Heimat, Globalisierung und Patriotismus auseinander. Nebenbei moderiert er weiterhin seine monatliche Sendung "Ottis Schlachthof" und steht für Film und Fernsehen vor der Kamera. Trotz Parkinson-Diagnose ist der Schauspieler und Kabarettist Fischer mit Freude bei der Arbeit. In der Kuh-Bar des Wirtshauses im Schlachthof sprach Ottfried Fischer mit Tina Thiele über sein aktuelles Kabarett-Programm, Politik, Kollegen, seinen Gesundheitszustand und Zukunftspläne.
Wie würden Sie Ottfried Fischer beschreiben?
Ottfried Fischer zu beschreiben, ist wirklich schwer, weil er so komplex ist. Aber es handelt sich um einen möglicherweise oft unterschätzten Menschen, der aus dem Hinterhalt erbarmungslos zuschlägt, dabei aber das Gute im Sinn hat.
Sie kommen viel in der Weltgeschichte herum. Was bedeutet für Sie "Heimat"?
Geographisch ist Heimat für mich der Bayerische Wald. Das kommt auch in meinem Programm "Wo meine Sonne scheint" vor, benannt nach einem Titel von Caterina Valente. Wenn der Wind des Bayerischen Waldes im Hochsommer die Fetzen von Blasmusik herüber trägt, dann steht die Heimat meiner Kindheit auf. Nicht, dass ich ein Blasmusikfan wäre, aber Blasmusik ist für mich unkündbar mit Heimat verbunden, und das ist der Auslöser. In ideeller Definition ist Heimat für mich, wie ich es im Stück beschrieben habe, die Seite im Menschen, die einem, so schauderhaft das klingt, ein vertrauter Anblick, Düfte oder Klänge bereiten.
Sie wissen seit geraumer Zeit, dass Sie Parkinson haben. In einer Aufführung sagten Sie, dass der Zuschauer nun aber bitte keine Schüttelreime erwarten soll. Wie ist Ihr aktueller Gesundheitszustand?
Mir ist aufgefallen, nur um diesen Schüttelreim zu erklären, dass sogar meine Stammtischbrüder, mit denen ich täglich zu tun habe, sich nicht getraut haben, zum Thema etwas zu sagen oder so getan haben, als ob nichts wäre, was natürlich kein Zustand ist. Wenn wirklich was ist, muss man trotzdem reden, wie in einer guten Ehe. „Gute" in Anführungszeichen. Ich hab gemerkt, dass man den Leuten die Angst und Beklommenheit nehmen muss. Und ich habe deswegen erzählt, dass ich ein Parkinsonwitzbuch herausgebe und einen Vertrag mit dem Wirt, dass ich von nun an immer bitte Schaum auf dem Bier hab. Doch Spaß beiseite: Viele Menschen haben geglaubt, dass sie mich nicht auf die Krankheit ansprechen dürfen. Deswegen hab ich einfach diesen Weg gewählt. Das resultiert aber aus meiner Geisteshaltung zu dieser Krankheit und ich möchte gar nicht viel mehr dazu sagen. Ich hab mir natürlich überlegt, was es für Möglichkeiten gibt. Es gibt die Möglichkeit zu resignieren oder weiter zu machen. Und das Weitermachen, dafür habe ich mich sehr schnell entschieden, und das hat auch dazu geführt, dass diese Trotzreaktion eingetreten ist, diesen ganzen Unkenrufern zu zeigen, dass es noch geht.
Inwieweit geht das die Öffentlichkeit eigentlich etwas an?
Die Öffentlichkeit geht das insofern etwas an, als es mir geschadet hat. Die haben nämlich gemeint, ich bin drogensüchtig, alkoholabhängig oder ich nehme irgendein Kraut. Deswegen musste ich einfach mit einem privaten Detail, das ich normalerweise nicht verraten hätte, an die Öffentlichkeit gehen, um zu erklären, warum dieser augenscheinlich süchtige Zustand, den ich derzeit verbreite, vorhanden ist. Das war einfach im eigenen Interesse wichtig.
Ihr letztes kabarettistisches Soloprogramm ist zwölf Jahre her. Warum kehren Sie jetzt wieder zurück auf die Bühne?
Da haben wir noch mal Heimat: Kabarett ist immer meine Heimat gewesen und die habe ich auch nie verloren. Kabarettist ist man, Kabarettist bleibt man. Wenn man es nicht bleibt, war man es nicht.
Sie sind Kabarettist, also auch Satiriker und Moralist?
Ja. Ich habe das Programm speziell auf Moral abgestellt. Das scheint sehr konservativ zu sein, doch das ist für mich auch eine moralische Frage und Ansicht. Ich finde, die Moral ist in letzter Zeit zurecht ein bisschen vernachlässigt worden in den Kabarettprogrammen, weil sie in der Zeit davor so hemmungslos praktiziert worden ist, mit einer Betroffenheit und einer Attitüde, die einfach nicht mehr auszuhalten war. Aber in Zeiten der Globalisierung, in denen der Mensch das in kurzer Zeit durchmachen muss, wozu die Evolution Millionen Jahre gebraucht hat, ist es auch nicht falsch, wieder von Moral zu sprechen und sich auf einen moralischen Standpunkt zu stellen.
Werden Sie dabei zynisch?
Ich lass einen zynischen verbalen Gag nicht aus, aber das ist nicht meine grundsächliche Haltung.
Was erwartet den Zuschauer in Ihrem aktuellen Programm?
Den Zuschauer erwartet eine, meine Betrachtung über Heimat, wobei ich mir sehr früh klarmachen musste, dass man nicht in den Fehler machen darf, dies zu banalisieren. Heimat ist ein so komplexes Thema, dass man Schwerpunkte setzen muss. Meine Aspekte sind: Heimat und Heimatlosigkeit, sprich: Flucht. Und daraus resultierend auch die "Flucht" dieses Gefühls durch volkstümliche Musik. Neben der Betrachtung der staatlichen Verhältnisse links und rechts, spreche ich auch über konservative Werte. Dazu braucht man die Heimat und Heimat sind nicht die Melodien von Karl Moik, sondern das ist das Grundrecht des Menschen auf ein sinnstiftendes Element, auf eine Umgebung die weltanschauliche und moralische Werte vermittelt, und die einem Kraft gibt, im Leben zu bestehen.
Wer bekommt denn in Ihrem Programm sein Fett ab?
Zum Beispiel die volkstümliche Musik. Zum Beispiel die Rechts-Links-Sparten-Denker. Spar-ten-den-ker! Und vielleicht auch die, die Heimat für Besitz halten. Das ist nämlich auch nicht der Fall, das kann es zwar sein, aber... Heimat ist Transporteur der Zufriedenheit, der eben schon erwähnten Zufriedenheit, ein ganz wichtiges Grundelement im Leben des Menschen.
Wie viel von dem privaten Ottfried Fischer ist in dem Programm zu sehen?
Nicht so viel wie in den anderen Programmen. Dort waren die Figuren nahe an Ottfried Fischer: sie hatten beispielsweise Jura studiert und abgebrochen. Ich kriege immer wieder die Frage gestellt, wer ich davon bin. In diesem Programm geht es mir mehr um eine Philosophie ähnliche Betrachtungsweise zum Begriff "Heimat", und das ist mehr heimattheoretisch als testimonial praktisch. Das heißt, es kommt gar nicht so darauf an, was diese Figur jetzt mit mir zu tun hat, sondern was die Figur erzählt, ist viel wichtiger.
Sie sehen sich als Sprachrohr?
Ja. Das macht dieses Programm auch ungleich schwieriger als die anderen Programme. Deshalb hab ich auch ein Buch dazu herausgegeben, was sich ganz gut verkauft.
Hat das Kabarett aus Ihrer Sicht eine gesellschaftspolitisch Funktion, oder stillt es in erster Linie das Bedürfnis der Besucher nach Unterhaltung?
Das Kabarett hat nebenbei die Pflicht, auch den Unterhaltungsfaktor zu erfüllen. Kabarett darf keine politische Vorlesung sein, Kabarett muss kulinarisch sein, sonst kann man es vergessen. Witzige Betrachtungsweisen verschaffen Klarheit, die allerdings nicht jeder kapiert. Das ist wie beim Jazz. Der Musikant hat viel Freude, das Publikum schwelgt vielleicht mit, ohne unbedingt eine Ahnung davon zu haben, worauf der Künstler eigentlich hinaus will.
Es gibt kaum einen Themenbereich aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, der Ihrem kritischen Auge nicht ausgesetzt wäre. Aus welchen Quellen schöpfen Sie Ihre Ideen?
Ich bin gar nicht so ein eifriger Quellensammler. Ich hab nur irgendwie die Gabe, mir Dinge, die ich irgendwann brauchen kann, zu merken. So habe ich für dieses Programm auch nur einmal in einem philosophischen Wörterbuch das Höhlengleichnis nachgeschlagen. Ansonsten habe ich es ohne Sekundärliteratur geschrieben.
Was haben Sie genau nachgeschaut?
Das Höhlengleichnis in seiner Kernbedeutung. Ich bin ein assoziativer Mensch, der öfter aus dem schöpft, was er gehört und gelesen hat, aus Radio, über Presse bis hin zum Fernsehen und von Gesprächen mit Menschen... Mir fällt das dann wieder ein, wenn ich es brauche, wenn ich mal einen Witz erzählen soll, zum Beispiel.
Das ist aber eine Gabe.
Ich hab ein sehr gutes Gedächtnis, sagen meine Schulkameraden immer. Meine alten Schulkameraden sind immer erschüttert, wenn sie mich treffen, weil ich noch alte Sachen von denen weiß.
Gibt es denn Tabus oder Themen, die Sie kabarettistisch nicht verwerten würden? Oder nicht verwerten?
Tabus gibt es. Wo seine Tabus liegen, das muss jeder für sich selber entscheiden. Aber ich halte Faschistoides für ein Tabu. Das ist etwas, was ich nie machen würde. Ich muss das, was ich mache, vertreten können. Was ich nicht vertreten kann, was nicht hieb- und stichfest ist, das mache ich nicht.
Wie sehen Sie Ihre Rolle im Haifischbecken des Wettbewerbes?
Das Kabarett hat in dem Sinne nicht diesen Wettbewerb. Wenn einer auf eine kabarettistische Höhe geklommen ist, von der ich behaupte, sie zu besitzen, dann ist schon klar, dass ich ein anderer Typ bin als andere. Das merkt man auch an "Ottis Schlachthof", wo oft der Nachwuchs auftritt. Du weißt ziemlich schnell, wer etwas wird, weil er eine eigene Farbe hat. Und deswegen ist das Haifischbecken nicht so gewaltig schlimm. Eine neue Farbe findet immer wieder ihren Platz im Haifischbecken. Und wer diese eigene Farbe nicht hat, der tut sich schwer. Aber der kommt dann auch gar nicht in Gefahr, sich diesem Wettbewerb aussetzen zu müssen, weil er vorher schon weggeht.
Was ärgert Sie so richtig?
Menschen, die nichts kapieren.
Was kommt nach "Wo meine Sonne scheint"? Haben Sie schon weitere kabarettistische Überlegungen, Pläne?
Ich habe vier Taschenbücher geschrieben und ich möchte vielleicht ein Hard Cover schreiben oder einen Kurzfilm machen. Aber das sind alles noch ungelegte Eier. Die Kabarettprogramme, die ich machen wollte, habe ich eigentlich schon gemacht. Vielleicht würde mir hier und da noch das ein oder andere einfallen. In meiner Situation, die auch ein bisschen von der Krankheit geprägt ist, was meiner Meinung nach aber einen keinen Einfluss auf meine Programme hat, möchte ich eigentlich nur noch Dinge machen, die mir Spaß machen. Ich möchte keinen Schmarrn mehr machen. Deswegen wird das, was jetzt noch kommen wird, bestimmt nicht leichter sein. Ich werde nur Dinge tun, die mich wirklich interessieren, bei denen ich mir nicht überlege, ob es einen breiten Publikum a priori gefällt. Ich bin so eitel, zu behaupten, dass das, was ich zu sagen habe, schon jemanden interessieren wird.
Sie haben im Vertrag bei Ihren TV Serien stehen, dass Sie Ihre Texte selbst ändern dürfen, was ja nicht selbstverständlich ist. Erscheinen Sie da auch als Co-Autor im Abspann?
Nein. Aber wer mich kennt, merkt das. Ich habe zum Beispiel beim "Bullen von Tölz" sehr viele Dialoge selber bearbeitet und da habe ich auch immer meinen Kabarettisten einfließen lassen. Die Regisseure und Drehbuchautoren fühlen sich inzwischen auch nicht mehr angegriffen über die Tatsache, dass ich das mache, sondern ziehen sich den Schuh an, dass so ein guter Gag entstanden ist. Ich habe es im Laufe meiner Karriere geschafft, einen solchen Status zu erlangen. Von mir erwartet keiner einen eins-zu-eins Text des Drehbuches. Wenn das einer erwartet, dann braucht er mich gar nicht erst zu engagieren. Ich akzeptiere dabei schon eine Instanz der Regulierung der ganzen Sache und jemanden, der entscheidet, was gemacht wird. Das muss man schon noch akzeptieren, denn man hat nicht immer Recht. Aber diese Kreativität hat einen guten Nebeneffekt, denn es kommt das ganze Team zu Wort. Manchmal ist eine Dramaturgie zwar gut gedacht, aber es lässt sich mit der Realisierung nicht vereinbaren. Folglich muss man Dinge einfach ändern, weil sie sonst missverständlich sind. Und abgesehen davon macht es auch Spaß, dass man mit einer Aussage als eigenverantwortlicher Deklamateur tätig ist.
Was kann politisches Kabarett leisten?
Politisches Kabarett kann wahrscheinlich nicht die gewaltige Veränderung leisten, obwohl das Wort aus der Idee entstanden ist, die immer auch die Revolution und die Evolution beflügelt hat. Insofern ist es für mich vorstellbar, dass Kabarett etwas auslösen kann. Aber wichtig ist, dass politisches Kabarett den Menschen vermitteln kann, dass da eine Haltung ist, zu der einer steht und die einer vertritt. Wenn dann das Publikum das Gefühl hat, dass diese Haltung auch noch die ist, die es selber hat und sich dabei wohl fühlt, ist damit schon sehr viel erreicht. So ein Kabarettabend sollte ein sinnliches und ein rationales Vergnügen sein. Gelungen ist es, wenn man einen lustigen Abend verbringt und dass man was Vernünftiges gelehrt und gelernt hat.
Das ist mir (neben Ihnen) das letzte Mal bei Hagen Rether passiert.
Hagen Rether ist ein Mensch, der erschafft durch die Zusammenstellung zweier verschiedener Dinge, nämlich der Barmusik und einer politischen Aussage, ein Amalgam. Er kann das Kabarettistische in einer Form verbinden, dass er selbst den schlimmsten Holzhammer tragen kann und es kriegt eine feine Note. Wenn ich die Methode von Hagen Rether nachahmen würde, würde ich wahrscheinlich als Holzhammerlieferant wirken und sehr schnell in einer Ecke stehen. Hagen Rether dagegen macht das auf eine so feine Art, dass es ein Gesamtkunstwerk darstellt. Er ist für mich eines der interessantesten Phänomene der letzten Jahre. Piet Klocke ist auch etwas Sensationelles, aber kabarettistisch gesehen, ist Hagen Rether eine Ausnahmeerscheinung.
Sie engagieren sich auch außerhalb der Bühne politisch. Bei Protestaktionen der bayerischen Milchbauern haben Sie sich an die Spitze der Demo gestellt. Was trieb Sie ans Rednerpult?
Das habe ich sicherlich auch gemacht, da ich aus dem Bereich Landwirtschaft komme und weiß, was Milchbauern leisten und leisten müssen. Und auch weiß, wie die Molkereien mit den Milchbauern umspringen. Daher habe ich mich an die Spitze der Demo gestellt. Unentgeltlich wohl bemerkt! Manche Leute meinten, ich hätte dafür Geld bekommen, was nicht stimmt. Darum geht's nicht. Es geht um die Sache.
Was fehlt uns in Deutschland?
Zivilcourage. (Lange Pause). Auf der Suche nach einem Sinn des gesellschaftlichen Lebens hatten die jungen Leute früher ihre Phasen, wo sie sich politisch engagiert haben, wo sie sich irgendwo daheim fühlen wollten. Das ist heute durch Hip-Hop oder Technomusik weggedröhnt.
Im letzten Sommer haben Sie der CSU noch ein Wahlergebnis von 50% + X prophezeit. Sind Sie froh, dass Sie sich getäuscht haben?
Na ja, was heißt hier froh? In Bayern hat sich nichts geändert. Die Lager sind gleich geblieben. Inzwischen haben einige CSU-Wähler bewiesen, was sie sind: nämlich stimmfähig für die richtige Seite, also ihrer Meinung nach richtigen Seite, meiner Meinung nach der falschen Seite, der rechten, Partei zu ergreifen. In Bayern hat sich inhaltlich nicht sehr viel geändert. Die CSU musste eine Schlappe hinnehmen und die absolute Mehrheit einbüßen. Das hätten die ja nie gedacht, dass so was geht.
Also ging mit diesem Wahlergebnis auch für manche ein Stück Heimat verloren?
Erstaunlich war bei mir Folgendes: Als ich die erste Hochrechnung gesehen habe, wo dieses Debakel klar wurde, da hab ich einen Schuss Wehmut bekommen. Das hat aber auch nur für den Bruchteil einer Sekunde angehalten, was ich hier betonen möchte: Etwas, was von klein auf gültig war - richtig sei dahin gestellt - hat auf einmal nicht mehr gegolten. Ich habe einen kurzen Moment lang den Verlust vom Berechenbaren verspürt. Das hat mich aber sehr schnell wieder verlassen und ich fand es nicht mehr so schlimm.
Jetzt waren Sie Ende Mai in Berlin bei der Wahl des Bundespräsidenten und durften auch Ihre Stimme abgeben. Wie war das?
Ja, ich durfte mitwählen. Die Parteien haben eine Vorschlagspflicht für Leute außerhalb des Parteiensystems. Ich denke, dass ich von der SPD vorgeschlagen wurde, weil ich wahrscheinlich einer der wenigen bin, der in Bayern ab und zu vom klassisch-bayerischen Wahlverhalten abweicht.
Wie läuft die Wahl genau ab?
Am Vortag gab es eine Fraktionssitzung, in der sich die Kandidaten den Fraktionen vorgestellt haben, um sicher zu gehen, dass man auch den Richtigen wählt. Am nächsten Tag war der parlamentarische Wahltag mit abschließender Auszählung der Stimmen. Das ganze hat 2 Stunden gedauert. Ich habe Gesine Schwan gewählt.
Warum finden Sie Gesine Schwan eine bessere Kandidatin?
Weil Sie nicht so langweilig ist wie der jetzige Amtsinhaber.
Könnten Sie sich vorstellen, wie beispielsweise Ihr Kollege Peter Sodann, auch mal für ein Amt in der Politik zu kandidieren?
Jetzt nicht mehr. Aber ich könnte mir vorstellen, dass ich früher in der Politik etwas hätte werden können. Aber ich fand es wichtig, dass Peter Sodann zum Bundespräsidenten kandidierte. Ich war 2004 als Wahlmann für die bayrische SPD bei der Wahl Horst Köhlers dabei, und ich habe damals schon die Meinung vertreten, der Bundespräsident sei der Kabarettist unter den Politikern. Der darf wahnsinnige Forderungen stellen und die andern sollen schauen, wie sie diese realisieren. Die Politik nimmt außer der Politik eigentlich nichts ernst: die Wähler eigentlich am wenigsten und den Kabarettisten schon mal gar nicht. Und wenn das höchste der Gefühle eine "Es geht ein Ruck durch Deutschland"-Rede von Roman Herzog ist und das schon so begeistert aufgenommen wird, dann ist es doch ziemlich schwach gestellt um die Idee vom Bundespräsidenten.
"Yes, we can" lautet die amerikanische Variante.
Ja, wir sind eine Kanne.
Was halten Sie vom deutschen Bildungssystem?
Ich bin der Meinung, wer nicht klar kommt, der muss sitzen bleiben. (Augenzwinkern) Der Bildung fehlt ein bisschen Verspieltheit. Meine zwei Kinder sind in der Waldorfschule, die haben sehr viel Spaß. Meine älteste Tochter ist sehr belesen, interessiert und informiert sich, und das, obwohl sie an einer Schule ist, die in dem Ruf steht, dass sie nur irgendwelche komischen Neigungen fördert und beispielsweise keine Rechtschreibung. Und das ist nicht richtig. Die Kinder müssen Freude am Aufnehmen von Erkenntnissen haben. Wie immer man das auch erreicht, ist eigentlich egal. Wichtig ist seine Hausaufgaben zu machen, da bin ich sehr konservativ. Aber der Bildung einen Charakter des Spielerischen zu geben, das vermisse ich schon in der staatlichen Schullandschaft.
Sehen Sie in der aktuellen Wirtschaftskrise kabarettistisches Potenzial?
Na, dass die Banken jetzt verstaatlicht sind, das haben wir ja immer gefordert.
Film, Fernsehen, Kabarett, Werbung - gibt es noch einen Bereich, den Sie bisher noch nicht "erobert" haben, aber gerne ausprobieren würden?
Kurzfilme wäre so eine Idee. Neben dem Kabarett einfach mal mit der Erfahrung der Jahre, die man jetzt hat, was Lustiges zu machen. Das ist eine grundsätzliche Idee, die ich bisher noch nicht genau verfolgt habe. Was ich gerne machen würde, aber garantiert nicht machen werde, weil ich es nicht kann, aber gerne könnte, wäre Musik machen. Aber da hab ich leider keine Ahnung. Ich spiele keine Instrumente, ich kenne keine Noten.
Haben Sie denn Pläne für eine Autobiographie oder Memoiren?
Ich hab nicht das Gefühl, dass ich so viele Dinge erlebt habe, die andere so wahnsinnig interessieren. Momentan fühle ich mich noch nicht in der Laune, Memoiren zu schreiben. Allerdings merkt man, dass man immer Dinge einfließen lässt, egal was man schreibt. Da fällt mir doch gleich die Laudatio für Hannelore Hoger ein, die ich einmal gehalten habe: "Ich durfte sie das erste Mal bei einem Hörspiel in Köln erleben, wo sie aus dem Regisseur das Letzte herausgeholt hat." Das kam gut beim Publikum an und war natürlich etwas, was ich erlebt habe. Das heißt, es hatte einen Touch Autobiographisches. Also man kommt am Autobiographischen nicht vorbei. Allerdings versprechen tue ich nichts.
Was ist Ihnen wichtig im Leben?
Zufriedenheit. Glück ist nicht wichtig. Glück sind punktuelle Momente. Aber wenn man zufrieden ist, dann ist das gut.
Woran glauben Sie?
Ich glaube nicht nur an meine, sondern prinzipiell an die eigene Kraft.
Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von "casting-network. Das Branchenportal". Mehr zu ihrer Person finden sie in der unter der Rubrik: Über uns.
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