Steckbrief:
Patrycia Ziolkowska wurde 1979 in Sokołów Podlaski (Polen) geboren. Ihre Eltern zogen mit ihr zunächst nach Belgien, als sie zweieinhalb Jahre alt war. Später zog die Familie nach Deutschland. Im Alter von siebzehn Jahren brach Patrycia die Schule ab und absolvierte eine Schauspielausbildung an der Westfälischen Schauspielschule Bochum. Neben diversen Gastengagements u.a. in Hamburg, Berlin und Wien drehte Patrycia zahlreiche Kino- und Fernsehfilme. 2007 wurde sie für den UNDINE Award als „Beste jugendliche Charakterdarstellerin in einem Kinospielfilm" für "Auf der anderen Seite" (Regie: Fatih Akin) nominiert. Letztes Jahr folgte eine Nominierung für den FAUST in der Kategorie "Beste darstellerische Leistung Schauspiel" für ihre Rolle der "Kriemhild" in "Die Nibelungen" (Schauspiel Köln). 2009 wird sie ein Festengagement am Thalia Theater in Hamburg annehmen.
Was ist für dich Heimat?
„Heimat" ist da, wo ich mich wohl und frei fühle. Da wo ich meinen Lebensmittelpunkt habe. Das ist auch gebunden an Menschen, die mir nahe sind. Klar, mein Geburtsort Sokołów Podlaski in Polen ist auch ein Stück Heimat für mich. Aber ich lebe hier und bin hier groß geworden. Ich war zweieinhalb, als meine Eltern mit mir in den Westen gekommen sind. Ich fühle mich hier in Berlin heimisch, hier ist mein Lebensmittelpunkt. Aber in Köln fühle ich mich auch sehr wohl.
Heimat definiert man oft durch Orte, aber du formulierst das nach Wichtigkeiten. Ist „Heimat" eher ein Gefühl als ein Ort?
Es ist eher ein Empfinden, als ein an einen Ort gebunden sein. Wenn ich zum Beispiel nach Polen fahre, dann habe ich auch so ein Gefühl - also das schwappt dann aus dem Inneren so raus, durch Eindrücke, durch Assoziationen, durch Gerüche, die ich erst dort wahrnehme. Landschaftlich zieht es mich mehr ans Meer, aber die Berge mag ich auch. Das ist auch wieder mit Wasser verbunden, Bergseen und Flüsse in Berggegenden. Das finde ich total faszinierend. Dieses klare, eiskalte Bergwasser und die Natur dort.
Wolltest du schon immer Schauspielerin werden?
Also nicht immer. Das hat sich so mit 13 / 14 Jahren abgezeichnet. Da war auch noch nicht klar, dass ich das richtig als Beruf machen will. Ich wusste einfach nur, dass ich gerne Theater spielen möchte.
Hast du denn zu der Zeit auch schon gespielt?
Ja, an der Schule.
Wie schwierig war es, an einer staatlich anerkannten Schauspielschule aufgenommen zu werden?
Ich hatte da ziemlich Glück. Bei mir hat es gleich beim ersten Mal geklappt. Ich habe dann mit siebzehn Jahren die Schule abgebrochen, mein Abitur nicht mehr gemacht und bin gleich an die Schauspielschule gegangen.
Ist man während der dreieinhalbjährigen Ausbildung hermetisch abgeschlossen und wie ist der Schritt nachher raus in die Berufswelt?
Es ist schon ein sehr geschützter Ort. Ich habe in Bochum studiert. Die Schule ist sehr klein. Maximal zehn Leute sind in einer Klasse und es gibt auch nur vier Jahrgänge. Es sind somit höchsten vierzig Schauspielschüler an der ganzen Schule, was für eine hohe Konzentration sorgte. Es war eine sehr gute, aber auch schwierige Zeit. Als ich anfing, war ich die Jüngste an der ganzen Schule. Ich war das Nesthäkchen und musste mich durchkämpfen. In meiner Klasse war ich mit siebzehn Jahren die Jüngste und der Älteste war fünfundzwanzig. Das war somit eine krasse Differenz von acht Jahren.
Empfindet man das in dem Alter noch stärker?
Ja. Die Entwicklung war wirklich sehr interessant. Wir waren eine sehr gute Klasse. Oder anders gesagt: Wir waren alle große Egozentriker, die total eigen waren. Es wurde auch gesagt: „Oh Gott, das ist eine Klasse, die ist ganz reich an ganz vielen Farben und sehr vital." Aber das kann auch nach hinten losgehen und quasi in eine falsche Richtung explodieren. Es war dann aber nicht der Fall. Obwohl wir alle so unterschiedlich waren, haben uns im Laufe der Ausbildung immer mehr vereint. Trotzdem ist jeder bei sich geblieben. Dann haben wir am Schauspielhaus Bochum mit Leander Haußmann gearbeitet, was sehr gut war. Ich fand das damals an der Ausbildung überhaupt sehr fruchtend, dass Fachleute mit praktischen Erfahrungen von außen geholt wurden, die mit uns gearbeitet haben. Das ist doch etwas anderes als Dozenten, die nur den Schulalltag kennen.
Macht das den Übergang von der Ausbildung ins Berufsleben leichter?
Genau. Es war schon toll, dass wir im dritten Jahr Stücke von Shakespeare mit Leander Haußmann im Großes Haus in Bochum gespielt haben. So vermischten sich nicht nur Studenten, sondern auch Kollegen vom Ensemble. Eigentlich lautet die Regel, dass man im ersten und zweiten Jahr nicht drehen soll, was ich auch verstehen kann. Ich glaube aber, dass die Einstellung dieser strikten Trennung sich mittlerweile geändert hat. Heutzutage bilden die Schulen verstärkt mit dem Blick auf den Markt hin aus. Wir haben beispielsweise Kameraworkshops oder Hörspielseminare mit dem WDR gemacht. Dennoch: Vieles wird einem nicht beigebracht: Wie man auf dem Markt besteht, beispielsweise Gagen verhandelt.
Wie wichtig ist hierbei für dich deine Agentin?
Sehr wichtig. Ich hätte überhaupt nicht die Muse, die Zeit und das Wissen und auch einfach nicht die Nerven, mich um alles selbst zu kümmern. Ich finde es wichtig, dass es einen Filter zwischen meiner Person und der Person gibt, die mein Arbeitgeber ist. Ich hab das im Theaterbereich erlebt. Als junger Mensch ist man sehr leicht manipulierbar, weil man große Ideale hat und sehr enthusiastisch ist. Dabei vergisst man nicht selten, an sich selbst zu denken. Ich finde es sehr gut, Britta Imdahl zu haben, weil sie auch ein objektiveren Blick auf Dinge hat, als ich ihn haben könnte. Ich bin ja sozusagen das „Objekt", um das es geht.
Seit wie vielen Jahren bist du bei Britta Imdahl?
Ich habe im Jahr 2000 absolviert und war bereits seit 1998 bei ihr.
Wie war dein Weg nach der Schule? Hattest du schon gleich ein Theaterengagement?
Ich hatte schon ein halbes Jahr vor meinem Abschluss ein Vorsprechen bei Claus Peymann. Das war wie eine erste Feuertaufe. Ich war noch gar nicht richtig fertig mit meinen Rollenvorbereitungen. Es hat großen Spaß gemacht, auch wenn es am Ende mit dem Gastengagement nicht geklappt hat. Während der Ausbildung wird einem immer gesagt, dass es gut ist, nach dem Studium gleich in ein festes Engagement zu gehen, um sich auszuprobieren und auszutoben; also einfach spielen, spielen, spielen. Ein festes Engagement gibt dir natürlich auch Sicherheit. Ich habe den komplett anderen Weg gewählt und war die ersten drei Jahre nach dem Studium „frei". Das hatte damals auch mit meinem Privatleben zu tun. Ich habe in Bochum gelebt und bin von dort aus zwischen Hannover und Graz getingelt. Schließlich bin ich nach Hamburg gezogen. Anders als meine Kollegen habe ich in den ersten drei Jahren viel gedreht, wie beispielsweise „Solino".
Wie bist du zu Fatih Akin gekommen?
Ich habe mit Buket Alakus „Anam" gedreht. Das war wie für Buket mein allererster Film, den ich noch während des Studiums gedreht hab. Parallel habe ich meinen Abschluss gemacht und auf das ZBF-Vorsprechen vorbereitet. „Birdy" [Andrew Bird] hat ihn damals in Hamburg geschnitten.
Das ist doch auch der feste Cutter von Fatih Akin, oder?
Genau. Und während er den Film geschnitten hat, war Fatih im gleichen Gebäude und hat den Rohschnitt zufällig bei Birdy gesehen. Folglich mich! Wir haben uns zusammen mit Andreas Thiel getroffen, der sein sehr guter Freund und Mitproduzent war.
War Fatih Akin für dich damals schon ein bekannter Regisseur?
„Im Juli" und „Kurz und schmerzlos" kannte ich natürlich schon.
Wie entscheidest du dich, was du als nächstes machst, Film oder Theater? Gibt es da so ein Gefühl, was dir das sagt, oder differenzierst du das überhaupt nicht?
Natürlich nach dem, was einem angeboten wird, dann aber ganz klar nach dem Lustprinzip. Man musste sich manchmal schon selber um Angebote kümmern und bemühen, dennoch kann ich bilanzieren, dass ich in den drei Jahre meiner freien Tätigkeit ziemlich viel Glück gehabt habe, weil ziemlich viel zusammengepasst und somit auch funktioniert hat.
Wo liegt für dich der Unterschied zwischen Theater und Film?
Beim Film, wenn es ein gutes Projekt mit genug Zeit ist, dann probst du die Szenen auch mal, bevor du ans Set gehst. Dabei ist es eigentlich total wichtig, dass man vorher mit dem Partner geprobt hat. Fatih Akin hat das damals schon bei „Solino" gemacht. E hat zwei Monate vor Drehbeginn alle Schauspieler versammelt, damit sie sich kennenlernen und zusammen das Buch durcharbeiten. Man liest das Buch und überprüft, wie sich das überhaupt spricht. Fatih Akin ist da auch sehr großzügig und großherzig. Dabei stellt er sich auch selber zur Disposition. „Sagt mal: Ist das jetzt Scheiße, was ich da geschrieben habe? Wenn ja, schreiben wir das um." Was ich damit sagen will: Der große Unterschied ist, du machst eine Szene am Set, und zwar gleich zwei, drei mal. Dabei muss alles schon auf dem richtigen Level sein. Du kannst dann nicht irgendwie hinspielen. Dafür hast du keine Zeit. Du musst sofort zu 150% da sein.
Hast du eine andere Präsenz auf der Bühne als beim Dreh?
Eine schwierige Frage. Wenn du probst, hast du zwischen sechs und acht Wochen Zeit, die Rolle zu entwickeln. Mit der Premiere ist die Arbeit ja noch nicht abgeschlossen. Du erlebst jede Vorstellung in unmittelbarem Kontakt mit dem Publikum immer wieder neu. Du spielst zwar jedes Mal die gleiche Rolle, aber es ist trotzdem jedes Mal anders. Wenn du einen Film gedreht hast, bekommst du ihn erst ein oder zwei Jahre später geschnitten zu Gesicht. Du gibst die Verantwortung komplett ab. Die liegt dann beim Regisseur oder bei der Regisseurin, geht dann zum Schnitt, wo viel bis zum Endprodukt passieren kann. Beim Theaterspielen hast du mehr Freiheit und auch eine größere Verantwortung für das Ganze, für dich, für die Kollegen, für das Publikum. Außerdem gibt es noch den Unterschied, dass ein Film für die Ewigkeit immer abrufbar ist. Im Theater stirbt man jeden Tag. Wie im Leben kannst du das Gestern nicht wiederholen. Ich glaube, Godard hat so etwas ähnliches gesagt, jeder Schnitt ist wie ein kleiner Tod. Das ist etwas, womit man sich im Theater andauernd auseinander setzt, mit der Flüchtigkeit des Augenblicks und dem Zeitempfinden.
Hast du die Kölner Theateraufführung „Nibelungen" als Aufzeichnung gesehen?
Ich habe zum ersten Mal Ausschnitte bei der Faust-Preisverleihung gesehen. Ich finde Theater im Fernsehen komisch. Theater ist im Gegensatz zum Film viel pompöser, viel größer und hat eine ganz andere Sprache. Wenn man allerdings das Glück hat, beides machen zu können, ist das das Größte. Da profitieren beide Seiten.
Wie bist du zu Karin Beier gekommen?
Wir kannten uns vorher eigentlich gar nicht, sondern das lief über Rita Thiele, die Chefdramaturgin. Sie war damals bei Claus Peymann gewesen und ist dann irgendwann ans Düsseldorfer Schauspielhaus als Chefdramaturgin gewechselt. Rita kennt mich noch, als ich Studentin gewesen bin. Durch sie bin ich Karin Beier vorgestellt worden.
Wie lange waren die Proben zu „Nibelungen"?
Ich hatte sechs Wochen, die anderen hatten sieben. Ich hab vorher noch in Salzburg gespielt. Ich bin quasi von der letzten Vorstellung in Salzburg direkt nach Köln. Ich hatte keine Leseprobe, nichts, einfach ins kalte Wasser reinspringen und losschwimmen. Und dann ging das für mich wirklich Tag und Nacht...
Du hast auf der einen Seite die Nominierung bekommen für den wichtigsten Theaterpreis und auf der anderen für einen wichtigen Filmpreis. Wie wichtig sind dir solche Anerkennungen?
Ich freue mich sehr darüber. Es ist einfach sehr schön, wenn man mitkriegt, dass die Arbeit, die man macht, wahrgenommen und auch geschätzt und respektiert wird.
Was wünschst du dir für's Jahr 2009?
Eine wirklich schwer greifbare Frage ohne in Pauschalitäten zu verfallen!
(überlegt...)
Ich wünsche mir, dass Begegnungen der letzten Jahre sich vertiefen, wachsen und weitere Knospen daraus erblühen.
Ebenfalls wünsche ich mir, dass es mir weiterhin gut ergeht und dass ich das auch weiterhin schätze.
Rein beruflich wünsche ich mir, dass ich weiterhin im Theater, Film, Fernsehen und auch Hörspielbereich arbeiten kann und dies sich untereinander auch vereinbaren lässt.
Hier wünsche ich mir Projekte, die mich sowie auch das Publikum herausfordern.
Zunächst freue ich mich hier auf das Hörspiel „Vertigo" beim RBB, wo ich die Rolle der Kim Novak sprechen werde. Bereits jetzt schon bin ich gespannt auf Hamburg als mein neues Zuhause. Ab Sommer 2009 habe ich hier ein Festengagement am Thalia-Theater. Dennoch bin ich weiterhin in Köln zu sehen. Es wird also ein Jahr des Umbruches und Wandels. Das finde ich sehr positiv. Es gilt neue Ufer zu entdecken und neue Kräfte freizusetzen: Auf ein bereicherndes Jahr!
(Sie holt abschließend einen kleinen Zettel aus Ihrem Kalender)
Schau mal. Dieses Kleistzitat trage ich immer bei mir:
„...rasend wär` ich, wenn ich im ganzen Gebiet der Möglichkeit mich nicht versuchte."
Vielen Dank für das Gespräch!
Patrycia Ziolkowska wird von der Schauspieleragentur Britta Imdahl vertreten:
www.imdahl.com
Im Anhang finden Sie die aktuelle Vita der Schauspielerin.
Anhang ansehen / runterladen:
Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von "casting-network. Das Branchenportal". Mehr zu ihrer Person finden sie in der unter der Rubrik: Über uns.
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