EINLEITUNG
Die Agentur Jovanović gehörte zu den ersten drei Agenturen, die nach dem Zweiten Weltkrieg von der Agentur für Arbeit anerkannt wurde und heute noch als Einzige existent ist. (Siehe hierzu auch das Zeitdokument im Anhang der Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg.)
Die Agentur trägt noch heute den Namen ihrer Gründerin: Stefanija Jovanović. 1969 wurde Elfie Thuy als Assistentin eingestellt. 1990 wurde die Agentur von ihr übernommen. Im Frühjahr 2008 verstarb Elfie Thuy, die auch unsere Patin im Fachbereich Schauspieleragenturen / Managements war.
Auf Wunsch von Elfie Thuy leitet nun Sabine Schröder die legendäre Agentur. Die neue Inhaberin arbeitet bereits seit 2002 in der Agentur. Von 1972-1977 arbeitete die gelernte Galeristin zunächst nach Abschluss ihrer Ausbildung als Einzelhandelskauffrau fünf Jahre lang als Sachbearbeiterin und Chefsekretärin im Kunstverein Hannover. Danach bestritt sie sechs Jahre lang den Posten als Sachbearbeiterin im Künstlerischen Betriebsbüro Schauspiel des Niedersächsischen Staatstheaters Hannover. 1983 führte sie ihr Weg zum damals neugegründeten Münchner Volkstheater, wo sie zuletzt unter der Intendanz von Ruth Drexel als Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros bis 2002 arbeitete.
Die Agentur Jovanovic ist Mitglied im Verband Deutscher Schauspieler-Agenturen e.V.
Am 1. Dezember wird die legendäre Agentur offiziell 60 Jahre alt.
Wir möchten anlässlich dieses Jubiläums noch einmal mit einem Nachruf an Elfie Thuy erinnern.
Hierfür sprachen wir mit ihrer jahrelangen Freundin und Klientin Evelyn Opela.
INTERVIEW
Frau Opela, Sie haben lange Jahre mit Elfie Thuy zusammengearbeitet - wenn Sie an Elfie zurückdenken, an was denken Sie da?
Wenn ich mir einen Menschen ausdenken würde, dann müsste er so sein, wie Elfie war. Sie hatte so viele kostbare Eigenschaften. Wir waren befreundet. Wenn ich heute nach ihrem Tod an sie denke, dann fühle ich noch stärker, was für ein ganz großartiger Mensch sie war. Sie war zuverlässig, sie war treu, sie war aufopfernd und sie war immer für ihre Schauspieler da. Sie hatte diese wunderbare Eigenschaft, alles ins Positive zu kehren und am Ende haben wir immer gelacht. Vor allem war sie sehr sensibel in der Beurteilung von Menschen und Situationen. Elfie war so fein in ihrer Art. Da ist nun eine Lücke, die überhaupt nicht zu schließen ist. Die meisten Menschen sagen gern „Jeder ist ersetzbar" und ich habe das einige Zeit auch so gesehen. Aber dann musste ich feststellen, dass es nicht so ist. Der Tod von Elfie ist ein ganz großer Verlust: für die Agentur und für ihre Freunde. Sie war ein großartiger Mensch und so eine perfekte und tolle Agentin. Wie sie für ihre Leute kämpfte, sich für sie einsetzte, sich aufopferte, war nicht selbstverständlich. Elfie war auch immer für jemanden da, der in Not war oder Probleme hatte. Und das alles aus reiner Überzeugung, aus menschlicher Anständigkeit. So etwas gibt es kaum.
-Lange Pause-
Wie sind Sie zum Schauspiel gekommen?
Ich wollte seit meiner Kindheit Schauspielerin werden! Ich bin in der Tschechoslowakei geboren. Dort bin ich auch aufgewachsen und habe am Gymnasium das Abitur gemacht. Danach habe ich die Schauspielschule besucht und bin ans Theater gekommen. Bald darauf habe ich auch erste Filme gedreht. Damals gab es noch Fächer - ich war die klassische Liebhaberin. Am Theater habe ich eher die großen tragischen Rollen gespielt. Ende 1960 bin ich nach Deutschland gekommen und kam dann auch sehr schnell zu der Agentin Stefanija Jovanović.
Haben Sie damals Unterschiede zwischen der Tschechoslowakei und Deutschland festgestellt?
Es war eine sehr, sehr schwierige Zeit am Anfang. Man hat damals Ausländer nicht besonders gemocht. Heute dagegen liebt man sie. Doch damals war das sehr schwer. Aber auch beruflich gab es einige Unterschiede, zum Beispiel als ich zum ersten Mal in Deutschland für Filmarbeit engagiert wurde, habe ich gefragt: „Wie viel Meter drehe ich?", um die Gage danach zu beurteilen. In der Tschechoslowakei war das so üblich. Genau wurde im Vertrag festgelegt, wann Muster anzusehen sind. Wir saßen dann mit dem Regisseur zusammen in der Vorführung, haben uns die letzten Arbeiten angesehen und genau besprochen und aufgeschrieben, was gut und was nicht so gut war. Das war lehrreich, dabei hat man viel gelernt. In Deutschland dagegen waren Muster geheim, niemand durfte sie sehen. Das hat mich am Anfang sehr irritiert.
Wie war denn die Zusammenarbeit mit Stefanija Jovanović damals?
Steffie Jovanović war eine einmalige starke Persönlichkeit. Die Agentur Jovanović war eine ungeheuerliche Macht zu dieser Zeit - eine international anerkannte Agentur. Es kamen Produzenten aus Hollywood, Frankreich, England, Südafrika und Italien, denn wir hatten ganz große Schauspieler, die in internationalen Filmen mitgewirkt haben. Und so hat Steffie die Agentur auch geführt, fast wie ein General ein Regiment führt. Sie hat ihre Leute perfekt vermittelt, gut verkauft, im ganz großen Stil. Mit dem Fernsehen kam dann aber der ganz große Bruch. Ich weiß noch, ich habe damals für eine große Fernsehrolle 2.700 Mark bekommen. Ich dachte, ich bin gerade Millionärin geworden, habe mir einen Wintermantel, Schuhe, einen Schrank und andere Sachen gekauft und davon noch Monate gelebt. Aber für die Steffie Jovanović waren das jetzt keine guten Gagen, keine großen Produzenten und nur das nichtssagende Fernsehen. Das war nichts für sie. Aber sie musste sich mit dieser neuen Situation arrangieren und versuchen, wie die anderen Agenten, ihre Leute zu beschäftigen. Irgendwann fingen dann auch die Großen an, Fernsehen zu machen. Dann gab es noch in der Agentur die legendäre Baronin von Lazar, eine große Dame...Sie führte die meisten Verhandlungen und war für die Vertragsabschlüsse zuständig. 1969 kam Elfie Thuy dazu.
Wie war Ihr Verhaltnis zu Elfie Thuy zu Beginn?
Wir haben uns sehr schnell angefreundet und viel Zeit miteinander verbracht. An den Wochenenden, an Weihnachten oder Sylvester haben wir sehr viel zusammen unternommen. Wir haben uns sehr gut verstanden, haben uns unterstützt und das nicht nur beruflich, sondern auch privat. Mit Elfie konnte ich alles besprechen und am Ende haben wir immer gelacht. Einmal wären wir sogar fast aus dem Kino heraus geworfen worden, weil wir nicht aufhören konnten zu lachen. (lacht)
Wenn Sie auf Ihre heutige Karriere zurückblicken, wo liegen Ihre persönlichen Meilensteine?
Ich hatte sehr unterschiedliche Zeiten. Erstmal war da natürlich die Zeit in der Tschechoslowakei, die Zeit meiner Ausbildung und dann auch die Zeit, wo ich fest am Theater engagiert war. Meine Professoren waren damals sehr bemüht und haben immer darauf geachtet, ob ich und überhaupt alle ihre Schützlinge, alles umsetzen, was sie uns beigebracht haben. Sie haben mich manches Mal auf Sachen hingewiesen, wo ich noch weiter an mir arbeiten sollte. Dann kam ich nach Deutschland und habe hier viel gedreht. Doch der Film geriet in eine Sackgasse und die Dramaturgie änderte sich total. Es kamen Schülerfilme, Lümmelfilme und Heimatfilme. In einigen habe ich auch mitgewirkt; meist mit erstklassigen Schauspielern wie zum Beispiel Theo Lingen. Aber der Deutsche Film als solcher hatte keine gute Zeit Das Publikum war mehr gierig nach ausländischen Produktionen. In den ersten Jahren in Deutschland habe ich auch synchronisiert, viel Theater gespielt und große Theatertourneen gemacht.
Aber welche Rolle war denn die schönste, die sie je gespielt haben?
Ich habe viele gute Rollen gespielt. Eine der großartigen Rollen war sicher „Das falsche Gewicht", ein Film von Bernhard Wicki. Die Zusammenarbeit mit dem Regisseur und den erstklassigen Kollegen war fantastisch.
Ich habe Sie zuletzt in Peter Thorwarts Film „Goldene Zeiten" gesehen. Wie ist die Zusammenarbeit mit so einem jungen Regisseur und einen so jungen Ensemble?
Die Antwort ist einfach. Es geht immer um Qualität. Das Alter ist vollkommen unwichtig.
Welche Art Regisseur schätzen Sie persönlich am Meisten? Einen, der Ihnen Freiraum gibt und sagt: „Ich vertraue dir", oder...
Das kann man so nicht sagen. Eines habe ich begriffen: Dass ein gutes Verständnis, professionelles Niveau und phantastisches Arbeitsklima zwar gute Vorraussetzungen sind, aber noch lange nicht die Garantie für Erfolg.
An welchen Projekten arbeiten Sie gerade?
Heute (!) mache ich gerade, Gott sei Dank, nichts. Da bin ich sehr froh. (lacht) Ich würde sicher gerne Angebote annehmen, aber wenn gerade nichts zu tun ist, dann stürzt man sich einfach auf andere Sachen. Das ist auch sehr schön.
Was halten Sie denn von diesem Materialwahn, dieses Demomaterial, mit dem Schauspieler heutzutage regelrecht rumgereicht werden?
Ich finde das nicht schlecht, denn ich habe selbst eine Zeitlang mit meinem Mann eine Produktion geführt und 14 Filme gedreht. Man kann oft mit Bändern klare Vorschläge machen, auf bestimmte Szenen hinweisen, in denen der Schauspieler eine besondere einzigartige Färbung zeigt. So bekommt manchmal der Regisseur einen besseren Einblick über eine Besetzung und weiß, ob der Schauspieler seinen Vorstellungen entspricht oder nicht. Man kann auch Schauspieler zurück in Erinnerung bringen, das finde ich überhaupt eine moralische Pflicht.
Gab es spürbare Veränderungen, nachdem Elfie Thuy die Agentur übernommen hatte?
Ja, schon. Steffie wurde krank und ist auch später gestorben und die Baronin von Lazar hat ihre Tätigkeit beendet. Damit ging diese alte Ära zu Ende. Elfie wollte eigentlich eine neue Agentur eröffnen. Doch Sie hat damals keine Lizenz bekommen. Das war viel schwerer als heute. Zu diesem Zeitpunkt hatte Elfie Thuy die Agentur Jovanović gekauft und weitergeführt. Die Agentur wurde zeitgemäßer und auch jünger.
Was glauben Sie, macht eine Tätigkeit als Agent aus?
Ein Agent muss in allererster Linie und auf perfekte Weise Schauspieler vermitteln. Ich finde, man kann diesen Beruf überhaupt nicht lernen. Sie sammeln zwar Erfahrungen und erlangen ein großes Wissen, brauchen aber hauptsächlich Instinkt, Gefühl und vollen Einsatz. Das konnte Elfie und das konnte auch Steffie Jovanović. Und das kann auch zum Beispiel die unermüdliche und vorbildliche Erna Baumbauer.
Auch eine der traditionellen ersten Münchener Agentinnen.
Ja, ich denke die großartige Erna Baumbauer hatte genauso wie Steffie sehr früh berufliche Kontakte zum Ausland. Wenn sie einen Schauspieler anbietet, denken die Regisseure und Produzenten, sie verpassen die Chance ihres Lebens, wenn Sie ihn nicht engagieren. Und das ist es. Es ist eine hohe Kunst und Leidenschaft. Und auch das Wissen, wie das Talent eines Schauspielers gelagert ist. Dieses Gespür hatte Steffie. Sie merkte sofort eine große Begabung.
Kennen Sie Frau Baumbauer persönlich?
Ja, ich bewundere sie. Sie hat mir mal ein Engagement am Düsseldorfer Schauspielhaus vermittelt.
Sie sagte: „Das müssen Sie spielen, das sind Sie!"
Das ist wirklich toll, dass die eigentliche Konkurrenz miteinander arbeitet.
Ja, aber nur die besten, denn über die Konkurrenz ist das Qualitätstreben maßgebend.
Nun hat die Agentur Jovanović am 1. Dezember 60-jähriges Jubiläum.
Ja, stellen Sie sich das vor! Schade, dass Elfie das nicht mehr miterleben konnte. Ich war noch vor Weihnachten 2007 mit ihr zusammen. Wir haben noch Pläne gehabt. Sie wurde in Pilzen geboren und ich habe gesagt: „Komm, wir fahren da mal zusammen hin." Weil Sie die Sprache nicht mehr sprach, wollte ich vermitteln. Wir haben öfters deswegen miteinander telefoniert. Wenn Elfie angerufen hat, konnten wir das Gespräch nie beenden. Wir hatten uns immer viel zu erzählen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Anhang:
Handakten der „Bundesagentur für Arbeit", Nürnberg: Auszug aus Gewinn gerichtete Arbeitsvermittlung Personen, die am 1.5.1952 erlaubterweise Arbeitsvermittlung betrieben haben nach Vermittlungsparten; namentlich, Arbeitsamt Berlin Mitte.
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Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von "casting-network. Das Branchenportal". Mehr zu ihrer Person finden sie in der unter der Rubrik: Über uns.
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