Steckbrief:
Siegfried Wagner wurde am 14. Juni 1968 in Memmingen geboren. Sein beruflicher Werdegang begann mit einer Ausbildung zum Hotelfachmann im Mövenpick-Hotel International in Neu-Ulm. Danach studierte er von 1992 bis 1996 Rechtwissenschaften an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Schon während seines Studiums übernahm er verschiedene Jobs bei der Bavaria, u.a. als Komparsenbetreuer. Seit 1999 ist Siegfried Wagner bei der Bavaria festangestellt und übernahm im Februar 2008 die Leitung des Besetzungsbüros.
Seit wann sind Sie in der Medienbranche tätig?
Schon während meines Studiums der Rechtswissenschaften kam ich zum ersten Mal mit der Branche in Kontakt. Ich habe bei den Bavaria Filmstudios alle möglichen Jobs gemacht - vom Fahrer bis hin zum Komparsencasting.
Warum haben Sie sich dann auf das Casting spezialisiert?
Im Dezember 1999 wurde eine Stelle ausgeschrieben: Die Bavaria sucht einen Juristen für das Besetzungsbüro. Ein Produktionsleiter sprach mich darauf an, ob ich mich dort nicht bewerben wolle. Ursprünglich hatte ich nicht vor, beruflich in der Medienbranche tätig zu werden. Doch das Casting, das ich bereits über die Arbeit mit den Komparsen kennengelernt hatte, reizte mich. Casting ist für mich eine fantastische Möglichkeit zu gestalten. Es ist wie eine Kinderfantasie: man liest ein Buch und lässt im Kopf die Figuren Gestalt annehmen - nichts anderes ist Casting. Ich finde, das ist das Faszinierendste, was es gibt. Das war der Anreiz, warum ich mich schließlich auf die Stelle beworben habe. So begann auch meine Zusammenarbeit mit Elke Vogt, die damals für das Besetzungsbüro einen Juristen suchte, der sich um die Verträge kümmert. Für mich war es immer besonders wichtig, auch einen inhaltlichen Zugang zu haben, nur so kann man vernünftige Verhandlungen führen.
Wie ist die Castingabteilung der Bavaria aufgebaut?
Ich habe die Leitung der Abteilung und damit Überblick über die zwei wesentlichen Bereiche. Das ist einmal die Abteilung „Serie", geleitet von dem Casting Director Silke Klug-Bader. Sie umfasst im Moment die zwei täglichen Serien „Marienhof" und „Sturm der Liebe" sowie „Biggi (AT)", ein sich gerade in Vorbereitung befindliches tägliches Format, für das ich zusätzlich die Gesamtverantwortung trage. Die Abteilung „Movie" untersteht dem Casting Director Elke Vogt, die überwiegend für Fernsehfilme und Reihen zuständig ist.
Wie sieht die Zusammenarbeit untereinander aus? Gibt es einen intensiven Austausch?
Ja, es gibt in der Tat einen sehr regen Austausch, den wir dadurch intensiviert haben, dass wir im September gemeinsame Räume bezogen haben. Zusätzlich haben wir unseren wöchentlichen Jour Fixe, wo wir uns untereinander austauschen, weil wir natürlich die Erfahrungen, die Gedanken, das Positive, die Entdeckungen, die jeder Einzelne von uns macht, mit den Anderen auch teilen möchten. Das ist eine Arbeit, die ungemein befruchtet.
Zugleich haben sie ja auch Ihre Archive zusammengeführt, wie ist Ihre Datenbank aufgebaut?
Das Archiv war auch einer der Hintergründe für den Umzug. Es macht heutzutage keinen Sinn mehr, die Datenbanken für die Serien im täglichen Bereich von den Filmen zu trennen. Die Überschneidungen sind inzwischen so fließend. Jeder Schauspieler, der mal im Daily-Format gespielt hat, kann auch im Kinofilm spielen und umgekehrt. Es kommt auf die Rolle und das Rollenprofil an, und daher nutzen wir eine einheitliche Datenbank. Dieses Archiv ist gleichzeitig auch eine Projektverwaltung. Wir haben eine solche Vielzahl an Projekten, da ist es hilfreich auch immer gleich einsehen zu können, welcher Schauspieler gerade für welches Projekt vorgeschlagen ist.
Werden alle Bavaria-Produktionen durch Sie und Ihre Kolleginnen besetzt?
Nein, denn die Bavaria ist so groß aufgestellt, dass wir alle Produktionen allein vom Aufwand gar nicht schaffen könnten. So wird zum Beispiel unsere Serie „Die Rosenheim-Cops" von Anfang an von Stephen Sikder mit seinem Dream Team Munich besetzt. Das ist eine sehr erfolgreiche und gute Zusammenarbeit, auf die wir auch sehr bauen. Daneben gibt es natürlich immer wieder Einzelproduktionen, die außer Haus besetzt werden. Zum Beispiel im Kinobereich oder auch dann, wenn eine sehr große Nähe des Regisseurs zu einem Casting Director vorhanden ist wie beispielsweise bei Dominik Graf und An Dorthe Braker - das könnten und wollen wir gar nicht aufbrechen. Die Verträge werden aber über mein Büro verhandelt. So habe ich auch Kontakt zu anderen Casting Directors, was großen Spaß macht und eine Bereicherung ist.
Führen Sie auch Live-Castings durch und haben Sie dafür ein Studio?
Ab dem 1. November werden wir einen eigenen Casting-Raum haben, der auch entsprechend konzipiert und ausgestattet wird, denn Live-Castings sind unwahrscheinlich wichtig. Gerade bei Serienformaten kann man nicht darauf verzichten, insbesondere bei den Hauptrollen. Ich finde es auch sehr gut, dass uns Live Castings immer mehr auch bei TV-Movies ermöglicht werden. Das ist eine tolle Chance, Talente zu entdecken. Auch Regisseure können davon profitieren und sich dadurch die Rollen erarbeiten und so Sicherheit gewinnen.
Warum wird das Live-Casting denn hierzulande, im Gegensatz zu England oder den USA, so stiefmütterlich behandelt?
Das stimmt. Ich denke, das liegt einfach am anderen System. Wir haben in Deutschland diese großen Archive und auch dieses tolle Demo-Material der Schauspieler - das gibt es ja in England in dieser Form nicht. Die Schauspieler hier geben sich viel Mühe, unterschiedliche Facetten auf ihren Demobändern zu zeigen, und das kann man auch sehr gut nutzen. Besonders weil Castings heute immer kurzfristiger angelegt werden, ist das durchaus sinnvoll. Die ganz feinen Nuancen findet man allerdings nur im Live-Casting. Das ist aber letztlich eine finanzielle Frage.
Welche Vor- und Nachteile bringt es, als Casting Director festangestellt zu sein?
Das ist eine schwierige Frage. Es gibt, und das ist die ehrliche Antwort, einen ganz klaren Vorteil: ein regelmäßiges Einkommen. Ein weiterer Vorteil ist die frühe Einbindung in Projekte, meist schon beim Exposé. Ich kenne zwar auch freie Casting Directors, die Projekte auch schon in sehr frühen Phasen betreuen, aber ich glaube, das ist eher die Ausnahme. Ansonsten sehe ich weder Vor- noch Nachteile. Der Beruf des Casting Directors benötigt eine unwahrscheinliche Leidenschaft und Einsatzfreude. Das heißt natürlich auch an Abenden auf Veranstaltungen zu gehen, ins Theater zu gehen, den Fernseher einzuschalten, auch Programme zu sehen, die man vielleicht nicht unbedingt schauen würde. Das reicht auch schon mal ins Privatleben hinein, dabei sehe ich keinen Unterschied zu einem freien Casting Director.
Welche Art Projekte betreuen Sie persönlich?
Aufgrund der Vielfalt der Projekte wurde ich immer wieder von Produzenten angesprochen, die Gesamtverantwortung für das Casting zu übernehmen. Das habe ich dann auch sehr, sehr gerne gemacht. Das geht von internationalen Co-Produktionen, bei denen französische oder polnische Schauspieler teilweise im Vertrauen auf Fotos und Filmografie besetzt werden mussten, über bayerische Komödien bis hin zum klassischen Freitagabend-Programm wie „Stürme in Afrika" oder aktuell „Eine Liebe in Sankt-Petersburg". Eine besondere Herausforderung war auch das TV-Movie „Machen wir's auf Finnisch" (AT: „Pimp your Vita"), welches der erste Auftrag der Bavaria für ProSieben war.
Wie lange haben Sie an „Machen wir's auf Finnisch" gearbeitet, was war das Besondere an dem Projekt?
Ich kannte dieses Projekt schon als Exposé. In diesem Stadium kam die Produzentin Astrid Kahmke auf mich zu und hat gesagt: „Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn du Zeit finden würdest und dich um dieses Projekt kümmern könntest." Da fingen dann natürlich die ersten Gedanken an. Die eigentliche Zusammenarbeit, dann insbesondere mit der Regie, hat dann noch einige Wochen gedauert, denn wir haben für alle Hauptrollen, mit Ausnahme der Eltern, Live-Castings durchgeführt. Auch die Nebenrollen wurden zu einem großen Teil live gecastet, die Durchführung lag hier bei Stefany Pohlmann. Das war in vielen Punkten ein besonderes Projekt, wie gesagt der erste Film für ProSieben, der von der Bavaria produziert wurde. Außerdem war es das Erstlingswerk einer jungen Produzentin. In finanzieller Hinsicht musste der Cast auch in einem bestimmten Rahmen bleiben, da das Budget für ein TV-Movie sehr gering war. Dazu kommt dann noch die außergewöhnliche Regie mit Marco Petry, das heißt, einem sehr jungen Regisseur, der seine Erfahrung bisher im Kinobereich gesammelt hatte und daher auch diese Live-Castings durchführen wollte.
Ist der Regisseur bei den Castings dabei oder werden ihm nur die Vorschläge präsentiert?
Der Regisseur ist mit dabei. Die Durchführung der Castings hat oft Stefany Pohlmann gemacht bzw. von mir aus zeitlichen Gründen mit übernommen. Dabei hat sie natürlich auch kreativ Vorschläge eingebracht. Die Zusammenarbeit mit Stefany Pohlmann läuft immer hervorragend. Die endgültige Auswahl und Bewertung der Bänder von allen Rollen, auch von den Nebenrollen, wurden dann allerdings immer vom Regisseur, von der Produzentin und von mir vorgenommen, da die Gesamtverantwortung letztendlich bei mir lag.
Zum Schluss eine ganz spannende Frage für unsere Schauspieler: Wie kann man seine Chancen verbessern, für Ihre Formate besetzt zu werden... oder ist das eine blöde Frage?
Nein, die Frage ist überhaupt nicht blöd, sondern sehr wichtig. Wir wundern uns selber manchmal, wie wenig wir tatsächlich mit aktuellem Material versorgt werden. Wenn Sie wüssten, wie wir manchmal da hinterher sind, von Schauspielern neue Demo-DVDs zu bekommen - manch einer ruht sich noch auf seiner VHS aus. Also: die Chancen werden wesentlich verbessert, indem wir regelmäßig mit neuem Material versorgt werden. Man sollte alle zwei Jahre eine neue Demo-DVD und neue Fotos senden, aber uns auch über Veränderungen wie eine neue Haarlänge oder ähnliches informieren. Wenn man noch nicht so bekannt ist, sollte man versuchen, einen persönlichen Termin zu vereinbaren. Wir vergeben gerne Termine nach telefonischer Anfrage. Zwar sind wir oft ausgelastet, aber wir werden auf jeden Fall versuchen, immer wieder neue Schauspieler persönlich kennenzulernen.
Das ist bestimmt sehr interessant für unsere Leser - und sie werden Sie sicherlich beim Wort nehmen.
Das habe ich bei der Aussage auch schon gemerkt. Aber ich stehe dazu und halte das auch für ganz wichtig.
Vielen Dank für das Gespräch!
Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von "casting-network. Das Branchenportal". Mehr zu ihrer Person finden sie in der unter der Rubrik: Über uns.
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