Steckbrief:
Franziska Aigner-Kuhn wurde am 3. Dezember 1960 in Ludwigsburg geboren. Nach dem Abitur zog es sie nach Berlin, wo sie zunächst Germanistik, Publizistik und Theaterwissenschaften studierte. Sie brach das Studium ab und ging nach München, wo sie eine Buchhändlerlehre absolvierte. Nach der Lehre führte sie ihr Weg wieder in ihre Heimatstadt: dort eröffnete und leitete sie zwei Buchhandel-Filialen des Familienbetriebes „Buchhandlung Aigner". 1989 ging es zurück nach München, wo zunächst Lisa (Jahrgang 1989) und dann Luis (Jahrgang 1991) zur Welt kamen. Zunächst führte sie ihr Weg in den Werbebereich. Dort castete sie beispielsweise für ihren damaligen Ehemann und Vater ihrer Kinder, den Werbefilmer Roman Kuhn. Den Sprung in die Filmbranche schaffte sie bald darauf. Ihr Besetzungsdebut war ein Tatort von Jobst Oetzmann. Seit 1994 arbeitet sie nun als freier Casting Director in München. Franziska Aigner-Kuhn ist Mitglied im Bundesverband Casting (BVC).
Was war Ihre erste Reaktion, als Sie erfahren haben, dass Sie den Deutschen Casting-Preis der Cologne Conference erhalten werden?
Pure Freude! Es gibt da einen Satz von Mae West, der sagt „Zuviel des Guten ---- kann wundervoll sein!" Ja! Das beschreibt das Gefühl, das ich habe, ziemlich gut.
Wie haben Sie davon erfahren?
Dr. Martina Richter von der Cologne Conference [Festivaldirektorin], die auch in der Jury saß, hat mich angerufen. Dann bekam ich auch noch mal Schwarz auf Weiß ein Fax.
Was verstehen Sie für sich persönlich unter Casting?
Casting hat für mich viel mit Liebe zu tun. Mit der Liebe am Menschen. Und mit meiner Freude daran, die Richtigen zusammenzubringen, Wahlfamilien zu suchen und zu finden.
Dieser Blick direkt hinein in den Menschen und das Wissen, was zusammengehört. Ich persönlich bin so gern und immer auf der Suche nach denen, die nicht jeder findet. Ich gehe immer noch wahnsinnig gerne in die kleinen Off-Theater, in die Schauspielschulen, Kabaretts, etc...
Wovon ich übrigens nichts halte, sind diese Glaubenssätze: „Wenn du es bis jetzt noch nicht geschafft hast, wird das nie mehr was!" Ich bin eher der Meinung, dass Glauben Berge versetzen kann: im positiven wie im negativen Sinn!
Wenn ich Regisseure habe, die mir vertrauen - und das ist immer öfter der Fall - bekomme ich auch absolute No-Names besetzt und meist wird das dann ein großes Geschenk! Wenn ich also einen neuen Film besetze, stell ich mir das oft so vor, als würde ich zu einem Fest einladen. Mit wem haben wir Lust, Zeit zu verbringen, mit wem tanzt es sich klasse, mit wem wird's richtig lustig, mit wem trauen wir uns abzustürzen, ja, mit wem wollen wir „feiern"?
Es gibt ja diese Feste, wo sich alle so super gut verstehen, dass es wahnsinnig langweilig wird. Zu meinen eigenen Partys lade ich daher immer gern potentielle Provokateure ein. Die retten meist ein Fest, weil die viel Energie haben und geben. Durch deren „political incorrectness" haben die Anderen dann endlich etwas, um wach zu werden.
Die Mischung muss also stimmen. Und wenn dann die von uns Eingeladenen das Ihre in das Fest hinein geben, also sich selbst (!) der Rolle schenken, dann passiert das mit dem Film, das man nicht so wirklich in Worte fassen kann, aber auf alle Fälle spürt ... Das ist dann dieses „eins mehr"... Vielleicht einfach Liebe ...
Jetzt haben Sie den Preis ja konkret für „Die Welle" erhalten. Warum haben Sie gerade diesen Film eingereicht?
Ja, diese Entscheidung fiel mir wahnsinnig schwer, denn da gab es ja noch die von mir besetzen und so geliebten Rosenmüller-Filme wie beispielsweise „Beste Zeit", „Beste Gegend", „Der Räuber Kneissl", die ich besetzungstechnisch natürlich als mindestens genau so gelungen empfinde. Die endgültige Entscheidung für „Die Welle" war dann doch der extrem lange Casting-Zeitraum und die wirklich schwierige Herausforderung, eine ganze Schulklasse von 16-Jährigen zu finden, die aus produktionstechnischen Gründen alle 18 Jahre alt sein mussten. Frederick Lau bekam dann ja auch noch gleich den Preis als „Bester Nebendarsteller" beim Deutschen Filmpreis... Was ich mir allerdings für die Zukunft wünsche, wäre die Möglichkeit, z.B. 3 Filme einreichen zu dürfen, damit man die gesamte Bandbreite des Casters ersehen kann. Ebenso sehr wünsche ich mir, dass der Casting-Preis von nun an jedes Jahr verliehen wird und dadurch die Arbeit der Casting Directors immer mehr gesehen und honoriert werden kann.
Jeder Film ist anders zu casten. Was war die besondere Herausforderung bei diesem Projekt?
Ja, ganz klar die Klasse der Jugendlichen. Das ist natürlich ein wahnsinniger Aufwand. Zum einen weil dies ja rein altersbedingt keine ausgebildeten Schauspieler sein konnten und zum anderen weil man dann noch Konstellationen ercasten musste, etc...
Obwohl ein paar der Jugendlichen schon Dreherfahrung hatten und mit DVDs aufwarten konnten, haben wir sie, meist mehrere Male, vor die Kamera geholt.
Dennis Gansel [Regisseur von „Die Welle"] ist ein echter Schauspieler-Regisseur, der wahnsinnig viel Wert auf die Besetzung legt. Zum Glück und wie man dann ja sehen konnte, völlig zu Recht!
Wie sah der konkrete und kreative Ablauf der Besetzung aus?
Dennis Gansel, Nina Maag [Ausführende Produzentin von „Die Welle"] und ich trafen uns sehr oft, schon morgens, bei mir zu unseren „Butterbretzel-Meetings". Irgendwie war das fast ein WG-Gefühl in dieser Zeit. Ich hatte also meine Vorschlags-Liste samt DVDs und wir wühlten uns durch die gesamte schauspielerisch tätige Adoleszenz Deutschlands. Danach begann dann die Zeit der Castings in den Studios. Darauf folgte das Sichten wieder bei mir, wo meine Kinder, die genau dem Zielgruppenalter entsprachen, unsere ersten „Hausfrauen-Tester" abgaben.
Welche Rollen haben Sie genau besetzt?
Alle Rollen, bis auf die des kleinen Bruders von Jennifer Ulrich. Das letzte „Vor-die Kamera-Holen" unserer Favoriten wurde dann in noch mehreren Sitzungen unter Mithilfe von Uwe Bünker [Casting Director / BVC] in dessen Studio in Berlin durchgeführt.
Wie lange wurde gecastet?
Unsere erste Sitzung war im Juni 2006, gedreht wurde dann im Juli 2007 - also über ein Jahr!
Eine indiskrete Frage: Was machen Sie mit dem Preisgeld?
Ich stopfe erstmal alle finanziellen Löcher und meine Kinder lad ich ein, zu etwas, was sie sich grade halt so „super-ganz-arg-brutal-wichtig" wünschen. Dann leb ich froh, wie bisher weiter und klar, coole Schuhe kauf ich mir!
Und zwar jetzt.
Vielen Dank für das Gespräch!!!
Lobende Erwähnung erhält: Ulrike Müller für "Jagdhunde"
Die Jury setze sich zusammen aus:
Dr. Martina Richter (Festivaldirektorin der Cologne Conference)
Gabriele Graf (Freie Produzentin)
Tina Thiele (Autorin/Journalistin)
Michael André (Redakteur/WDR)
Thomas Stiller (Regisseur)
Die Sichtung umfasste über 30 Einreichungen.
Die Sponsoren des Preisgeldes in Höhe von 10.000 € wurden von folgenden Film- und Fernsehproduktionsfirmen gestiftet: 20:15 Film- und Fernsehproduktion
Rat Pack Filmproduktion
teamWorx Television & Film
Bavaria Media
PICTORION das werk
Colonia Media Filmproduktion
MADE IN MUNICH Filmproduktion
Die bisherigen Trägerinnen des Casting-Preises sind:
An Dorthe Braker/BVC (1997)
Heta Mantscheff/BVC (1998)
Nessie Nesslauer (1999)
Anja Dihrberg/BVC (2000)
Rita Serra-Roll (2001)
Simone Bär (2002)
Sabine Schroth/BVC (2003)
Risa Kes (2004).
Die Verleihung des Deutschen Casting-Preises findet am 10. Oktober 2008 im Rahmen der Cologne Conference statt.
Anlage: Aktuelle Vita
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Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von "casting-network. Das Branchenportal". Mehr zu ihrer Person finden sie in der unter der Rubrik: Über uns.
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