Steckbrief Esther Klostermann
Esther Klostermann kam 1999 als Quereinsteigerin aus dem Hotelgewerbe zum Studio Hamburg. Nachdem Sie zu Beginn im Sekretariat der Produktionsfirma gearbeitet hat, stellte sich bald heraus, dass Sie die besten Vorraussetzungen mitbrachte, sich in Richtung Casting zu orientieren. So entstand auf Ihre Initiative hin das Besetzungsbüro des Studio Hamburg. Schnell etablierte sich Esther Klostermann als Casting Director, so dass Sie kurz nach der Gründung des BVC dem Verband nach der Cologne Conference 2003 beitrat. Bis zur Schließung des Besetzungsbüros des Studio Hamburg zum September 2008 verantwortete Sie unter anderen das Casting für zahlreiche norddeutsche "Tatorte", andere TV-Spielfilme und Serien.
Darf man nach den Gründen fragen, warum ein so etabliertes Castingbüro wie Ihres geschlossen wird?
Studio Hamburg hat sich einfach dazu entschlossen, das Casting zukünftig auszulagern.
Seit wann sind Sie beim Studio Hamburg und wie war hierfür Ihr persönlicher Werdegang?
Das war schon ein wenig absurd, denn ich bin absoluter Quereinsteiger. Ich habe in der Verkaufs- und Marketingabteilung des Hotels Steigenberger in Hamburg gearbeitet. Dort fanden dann Dreharbeiten für die Serie „Dreamgirls" statt. Dabei habe ich ein wenig die Koordination übernommen und irgendwann kam Jutta Lieck auf mich zu fragte, ob ich nicht denke, dass ich hier fehl am Platz bin und ob ich nicht in die Medienbranche wechseln wollte. „Warum nicht?", dachte ich mir und hab ihr meine Unterlagen gegeben. Da sie selbst allerdings gerade keine Stelle freihatte, hat sie die Unterlagen ans Studio Hamburg weitergeleitet und drei Wochen später habe ich dort dann angefangen. Zu Beginn habe ich ganz normal im Sekretariat gearbeitet. Das war großartig, denn so konnte ich einen Einblick gewinnen. Ich wusste ja am Anfang gar nicht, was eine Fernsehredaktion ist, was ein Herstellungsleiter macht und so weiter. Sehr schnell bemerkte ich aber auch, dass ich viel mehr Schauspieler kannte als alle anderen. Während der Schulzeit war ich in der Theater AG und hatte auch kurz den Wunsch, selber Schauspielerin zu werden. Wir hatten einen wunderbaren Deutschlehrer, der immer mit uns ins Theater gegangen ist und ich so bekam ich schon früh einen Blick für Schauspieler.
Wann entstand das Besetzungsbüro?
Als ich bei Studio Hamburg anfing, gab es das noch nicht. Aber wie gesagt, ich kannte sehr viele Schauspieler, wusste, wer in welchen Filmen mitgespielt hat oder wo er auf der Bühne stand und das haben meine Producer-Kollegen auch mitbekommen. Die kamen dann zu mir, gaben mir Drehbücher und sagten, ich solle das mal lesen und mal nachdenken, ob mir Leute einfallen, die dort hineinpassen. Dann wurde auch jemand neues für das „Großstadtrevier" gesucht, dafür hab ich auch meine Vorschläge gemacht und einer von denen wurde dann auch tatsächlich genommen. Dadurch kam mir die Idee für eine Castingabteilung. Herr Schöps, der damalige Geschäftsführer, und Herr Kremer fanden die Idee großartig aber Herr Düwel, der Fernsehchef, war zunächst dagegen. Ich habe mich aber nicht entmutigen lassen, ein Konzept geschrieben und seine Sekretärin gebeten, mir Bescheid zu sagen, wenn er mal richtig gute Laune hat - egal wie lang es dauert. Es hat dann drei Monate gedauert (lacht). Dann kam sie plötzlich eines Nachmittags in mein Büro und meinte: „Wenn du irgendwann mal eine Chance hast, dann jetzt!". Also ging ich zu Herrn Düwel und dachte eigentlich, ich gebe ihm mein Konzept, er nimmt es am Wochenende mit nach Hause und montags sagt er mir, wie er sich entschieden hat. Aber er bestand darauf, dass ich ihm alles darlege und erkläre. Das waren die schlimmsten und aufregendsten zwei Stunden meines Lebens - ich stand ja unter riesigem Druck, da meine Zukunft davon abhing. Am Ende schaute er mich einfach an und sagte: „Wissen Sie was? Das machen wir." (lacht). Das war sehr schön.
Und dann waren Sie dort zu Beginn alleine?
Ja, die ersten zwei Jahre habe ich das alles alleine durchgezogen, was aber wirklich kaum zu schaffen war. Ich hatte nur ein wenig Hilfe durch wechselnde Praktikanten. Aber dann kam Kaija Helweg, die ich über „Die Pfefferkörner" kannte, für die sie Kinder gesucht hatte. Mit ihr habe ich dann ein Jahr lang zusammen gearbeitet. Sie äußerte aber dann relativ schnell den Wunsch, Regisseurin zu werden und ging schließlich nach Köln an die KHM. Das war eine wirklich tolle Zeit mit Kaija und man hatte gesehen, dass man die Arbeit auch sehr gut zu zweit machen kann - es war viel zu tun, da sich das Castingbüro schnell etabliert hatte und die Regisseure haben sehr gerne mit uns zusammen gearbeitet. Dann kam Marion Haack. Sie war, wie ich auch, eigentlich im Hotel-Fach zuhause und da dachte ich mir, ich kam auch aus dem Hotel und habe die Chance bekommen diesen wunderbaren Beruf auszuüben - das wollte ich gerne weitergeben. Marion fing also ein ganz normales Praktikum bei uns an, doch sie hatte sich innerhalb kürzester Zeit dermaßen etabliert, dass wir uns entschieden haben, sie als Besetzerin fest einzustellen. Als Marion dann schwanger wurde und in den Mutterschaftsurlaub ging, kam Helene Thamm zu uns, die zuvor schon Castingassistentin bei Pedro Solar-Ferrer war.
Wo liegt denn der Unterschied zwischen einem festangestellten und einem freien Casting Director?
Ein Freelancer muss natürlich akquirieren und sich um Projekte auf eine ganz andere Art und Weise bemühen, als wir es immer mussten. Ich glaube, der Hauptunterschied ist, dass wir als festangestellte Casting Directors sehr früh in die Projekte eingebunden wurden, zumeist schon in der Entstehung des Exposés. So konnten wir uns bereits zu diesem frühen Zeitpunkt Gedanken über die Figuren machen. Es ist auch ein großer Vorteil, die Entwicklung eines Projekts zu sehen, wie sich Figuren vielleicht verändern. Dadurch konnten wir natürlich auch rechtzeitig an begehrte Schauspieler herantreten. Diese frühe Einbindung ist ein Vorteil für alle. Als Beispiel, allein für das „Pfefferkörner"-Casting sind 700 Kinder gecastet worden und wir haben einen Pool von 150 Kindern gehabt. So etwas ist nur möglich, wenn man auch genug Zeit hat. Sehr praktisch ist es auch, alle Produktionsabläufe direkt auf dem Gelände zu haben.
Was lieben Sie an Ihrem Beruf - und was lieben Sie vielleicht nicht so sehr?
Ich finde es großartig, Figuren zum Leben zu erwecken. Das ist ein Luxus, dass mir der Beruf die Möglichkeit gibt, kreativ zu sein und auch mal gegen den Strich denken zu dürfen, einfach vom Buch wegzukommen und ganz woanders landen zu können. Dafür brauche ich aber auch viel Zeit und Ruhe zum Nachdenken. So kann ich mir ein Konstrukt genau überlegen und dann kommt es zu diesem spannenden Moment, wo man mit der Regie zusammentrifft und über Figuren und Viten brütet, um eine glaubwürdige und spannende Besetzung auf den Weg zu bringen. Und irgendwann schaut man sich an, klatscht in die Hände und sagt: „Das ist es!". Wenn dieser Moment da ist, dieses „Das ist es!" - das bringt mir Spaß. Was ich nicht so schön finde ist, dass Bücher immer später kommen und man dadurch unter Zeitdruck gerät und nur noch funktionieren muss.
Ist das so etwas, dass sich in den letzten Jahren in der Branche verändert hat?
Absolut. Projekte entstehen immer kurzfristiger und Bücher werden auch immer kurzfristiger umgeschrieben. Leider fehlt auch oft der Mut, Dinge umzusetzen. Da gibt es wirklich große und schöne Ideen, die aber immer weiter abgebaut werden, so dass am Ende nicht mehr viel davon übrig ist.
Ohne Sie auf Ihre Besetzungsarbeit für den „Tatort" reduzieren zu wollen, sind Sie jemand, der Sonntagabends keinen „Tatort" verpasst?
Ab und an verpasse ich schon mal einen. Aber natürlich, ich schaue regelmäßig den „Tatort", aber auch Reihen wie „Bella Block", „Ein starkes Team", „Unter Verdacht" und nicht zu vergessen „Polizeiruf".
Wie kann man sich die Besetzungsarbeit bei einem Tatort vorstellen? Sind Sie auch für den Hauptcast verantwortlich und wie lange braucht man für so ein Projekt?
Der Zeitraum ist sehr unterschiedlich, das kann von fünf Tagen bis hin zu drei Monaten dauern. Über den Hauptcast, also die Kommissare, wird zumeist an ganz anderer Stelle entschieden und vielfach auch von den Sendern vorgegeben. Aber zum Beispiel die Figur der „Frieda Jung" aus dem Kieler „Tatort" war ursprünglich ganz anders angelegt und sollte deutlich älter sein. Da hab ich Marion Eggert vorgeschlagen und sie wurde dann auch genommen, ganz ohne Casting. Auch Thomas Kügel, der den Vorgesetzten der Kieler Ermittler spielt, ging ganz ohne Casting durch. Das waren zwei Vorschläge von mir, die auf große Gegenliebe gestoßen sind und wie es aussieht, fügen die sich auch ganz wunderbar ein.
Und bei den Nebenrollen, können diese nicht ein gutes Sprungbrett für neue, noch unbekannte Schauspieler sein, die bisher vielleicht nur am Theater gespielt haben?
Von meiner Seite aus jederzeit. Es gibt viele tolle Schauspieler hier auf den Bühnen in Hamburg, aber auch in Berlin kenne ich viele. Viele Regisseure sind auch immer erpicht darauf, neue Gesichter zu entdecken und haben Spaß daran, mit ihnen zu arbeiten. Es gibt aber genauso auch Regisseure, die auf Nummer sicher gehen. Oft ist das dann ein Kampf gegen Windmühlen, da kann man alles versuchen, aber es funktioniert nicht. Aber oft genug funktioniert es doch, darum lohnt sich dieser Kampf auch.
Welches Projekt, das Sie gecastet haben, ist Ihnen noch in Besonderer Erinnerung?
Da fällt mir „Die Frau am Ende der Straße ein", von Claudia Garde inszeniert und mit Maren Eggert sowie Matthias Brandt in den Hauptrollen. Das war ein sehr spannender Stoff. Es ging um eine Frau, die mit dem Alter komplett überfordert und psychisch krank ist. Sie scheitert die ganze Zeit an Kleinigkeiten, dabei ist alles, was sie will, glücklich zu sein. Doch das möchte ihr einfach nicht gelingen. Ich habe damals, glaube ich, zum vierten Mal mit Claudia zusammengearbeitet, wir kannten uns und konnten sehr intensiv an die Figuren herangehen. Wir konnten uns stundenlang über diverse Viten der einzelnen Figuren unterhalten. Es stand auch relativ schnell fest, wer welche Rolle spielen wird. Neben den schon genannten waren da Inga Busch und Thorsten Merten in weiteren Hauptrollen zu sehen. Es war einfach eine sehr schöne Arbeit mit Claudia, weil wir alles vor uns gesehen haben, was passieren kann und was möglich ist. Und es hat sich alles so eingelöst, wie wir uns das vorgestellt haben. Das hat sehr viel Spaß gemacht.
Haben Sie auch diesen Film für den Casting-Preis, der ja dieses Jahr wieder im Rahmen der Cologne Conference vergeben wird, eingereicht?
Nein, hier aber ich mich für ein anderes tolles, aktuelleres Projekt entschieden, den Kieler Tatort „Borowski und das Mädchen im Moor", ebenfalls unter der Regie von Claudia Garde. Auch das war eine sehr intensive Zusammenarbeit. Es geht um eine Familie, die ihre Tochter in ein sündhaft teueres Internat schickt, damit sie es später einmal besser haben wird. Mit dieser Entscheidung bringt sich die Familie jedoch an den Rand des Ruins und auch darüber hinaus ist die Beziehung zwischen den Eltern, gespielt von Maria Schrader und Andreas Schmidt, komplett zerstört. Es findet keine Kommunikation mehr statt. Diese Ehe ist kaputt und alles ist hinfällig. Es ist ein sehr ungewöhnlicher „Tatort", denn der Zuschauer weiß in Minute zwei bereits, wer der Mörder ist und beobachtet dann Borowski bei seinen Ermittlungen. Ich finde, das ist ein wunderbarer Ansatz, sehr psychologisch.
Welche Maßstäbe sollte oder kann man bei der Vergabe eines solchen Preises ansetzen?
Der Preis wird ja für ein konkretes Projekt vergeben, aber ich finde man sollte sich auch die ganze Vita eines Casting Directors ansehen, um sich bewusst zu machen, welche Arbeit er leistet. Es gibt da ja eine sehr große Palette in Deutschland: der eine macht Kino, der andere TV-Spielfilme oder Serien, wieder andere decken das ganze Spektrum ab. Das ganze auf nur ein Projekt zu beschränken, das kann man natürlich machen, aber das muss man nicht. Aber ich möchte das auch gar nicht kritisieren, bestimmte Kriterien müssen ja festgelegt werden. Ich finde es sehr schön und auch wichtig, dass wieder ein Casting-Preis ausgeschrieben wird und hoffe, dass er auch lange Bestand haben wird.
Was macht für Sie einen guten Cast aus?
Er muss authentisch und glaubwürdig sein. Alles andere ist mir egal.
Glauben Sie, dass der Beruf des Casting Directors immer noch unterschätzt wird?
Ja, ich glaube schon. Zwar nimmt die Zahl derer, die unsere Arbeit unterschätzen, ab, aber das Casting hat in Deutschland immer noch nicht den Stellenwert wie im europäischen Ausland und in Übersee. Ich habe manchmal den Eindruck, dass es immer noch in Teilen der Branche diese arrogante Haltung gibt. In der Sekunde, in der eine Infomappe rausgeht heißt es dann: „Ach Gott, da hätte man auch selber drauf kommen können". Kann man aber gerade nicht. Angefangen damit den Mut zu haben, Namen auszusprechen und auch für Schauspieler zu kämpfen. Es ist nicht so einfach. Und ein Casting Director macht ja nicht nur die Besetzung, sondern viel viel mehr. Zum Beispiel muss er ein Informationspol sein, wissen, ob gerade jemand persönliche Probleme hat oder schwer zu handhaben ist. Mit welchem Regisseur man einen Schauspieler zusammenbringen kann oder vielleicht nicht. Ein guter Casting Director muss eine unglaubliche Menschenkenntnis haben. In diesem Bereich ist er Dreh- und Angelpunkt. Man braucht auch einen guten Draht zu den Agenturen, da gibt es eine Menge Informationen, die man filtern muss und viele Dinge, die es abzuwägen gilt. Das erfordert ein unglaubliches Sinnesgefühl. Außerdem braucht ein Casting Director organisatorisches und wirtschaftliches Verständnis.
Wie wird es für Sie und Ihre Kolleginnen weitergehen?
Ich habe es für mich noch nicht entschieden. Erstmal werde ich jetzt Urlaub machen, alles etwas sacken lassen und ich denke, dass ich dann im Oktober sehr klar bin mit dem, was ich tun werde. Auf jeden Fall halten wir euch auf dem Laufenden.
Wir wünschen Ihnen auf jeden Fall alles Gute für die Zukunft. Vielen Dank für das Gespräch.
Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von "casting-network. Das Branchenportal". Mehr zu ihrer Person finden sie in der unter der Rubrik: Über uns.
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