Die FSK
Die FSK stempelt reihenweise neu erschienene Filme ab - und erzählt uns damit, welches Kind welchen Film sehen darf. Die Kriterien erscheinen Manchem ominös, die Entscheidungen willkürlich. Dass in den Gremien der FSK aber eine schwierige, ernsthafte und verantwortungsvolle Arbeit verrichtet wird, in der beim gemeinsamen Schauen das Popcorn wohl eher selten durch den Saal fliegt, zeigt unser Interview mit Folker Hönge, dem Ständigen Vertreter der obersten Landesjugendbehörden.
Folker Hönge - Steckbrief
Folker Hönge wurde 1952 geboren. Nach dem Studium der Germanistik und Geographie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt/Main war er im Höheren Schuldienst tätig. Von 1982 bis 1987 war er Referent für Jugendbildung beim Landesfilmdienst Hessen. Seit 1987 ist Folker Hönge Ständiger Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH (FSK) in Wiesbaden. Er ist Mitglied der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu Themen des gesetzlichen und erzieherischen Jugendmedienschutzes.
Was ist die FSK?
Die FSK ist die, 1949 gegründete, Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, die von der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) getragen wird. Sie hat die Aufgabe, gesetzliche Alterskennzeichnungen für Filme, Videos, DVDs usw. festzulegen, die in Deutschland veröffentlicht werden und an Kinder unter 18 Jahren abgegeben werden sollen.
Worin bestehen die Aufgaben der FSK?
Die FSK soll die vom Jugendschutzgesetz festgelegten gesetzlichen Alterskennzeichnungen für Filme und vergleichbare Bildträger aussprechen. Sie spricht also keine pädagogischen Empfehlungen aus, sondern bestimmt die gesetzlichen Mindestgrenzen, nach denen ein Film Kindern und Jugendlichen einer bestimmten Altersstufe zugänglich gemacht werden kann.
Warum wurde die FSK gegründet?
In der Zeit des Nationalsozialismus hatte es eine brutale und rigide Zensur in Deutschland gegeben. Eine staatliche Zensur wollte man danach natürlich nicht mehr, und deshalb hat sich die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft eine eigene Selbstkontrolle ins Leben gerufen, um dem Jugendschutz auf freiwilliger Basis gerecht zu werden. Das war 1949. Die Zusammenarbeit mit den Bundesländern, die für die Ausübung des Jugendschutzgesetzes zuständig sind, erfolgte dann 1985, indem eine Public Private Partnership zwischen den obersten Landesjugendbehörden (die Jugendministerien der Bundesländer) und der FSK seinen Anfang genommen hat. In gemeinschaftlicher Arbeit zwischen Filmwirtschaft und Landesjugendbehörden wird die gesetzliche Kennzeichnungsarbeit durchgeführt.
Nach welchen Kriterien richten sich die Freigabeentscheidungen?
Die Kriterien sind jugendsoziologische Erkenntnisse, Kenntnisse aus der Entwicklungspsychologie und der Medienwirkungsforschung, und natürlich auch eigene Erfahrungen der Prüferinnen und Prüfer. Das sind ca. 300 ehrenamtliche Prüferinnen und Prüfer aus allen Berufssparten, die ihre eigene Erfahrung, auch mit Kindern und Jugendlichen, mit in ihre Arbeit einbringen.
Die Prüfer, wer sind die im Einzelnen?
Die verschiedenen Prüfgremien bestehen aus jeweils sieben Mitgliedern. Es gibt sogenannte entsendende Stellen, die das Recht haben, Prüferinnen und Prüfer für die Dauer von drei Jahren - eine Wiederbenennung ist natürlich auch möglich - in die Ausschüsse der FSK zu entsenden. Das sind z.B. Prüferinnen und Prüfer der evangelischen und katholischen Kirche, des Zentralrates der Juden in Deutschland, des Bundesjugendministeriums und der Landesjugendbehörden. Prüferinnen und Prüfer, die von der Film- und Videowirtschaft benannt werden, gibt es ebenfalls, diese dürfen aber nicht in diesem Berufszweig tätig sein.
Sind das alles ehrenamtliche Mitarbeiter?
Alle Prüferinnen und Prüfer sind ehrenamtliche, außer den hauptamtlichen, ständigen Vertretern der obersten Landesjugendbehörden der FSK, also meine zwei Kolleginnen und ich. Wir sind die hauptamtlichen Vorsitzenden in den Prüfgremien, angestellt beim Land Rheinland-Pfalz, weil dieses Bundesland federführend für den Jugendmedienschutz in Deutschland ist.
Wie sieht die Arbeit in diesen Gremien aus?
Jeden Tag treffen sich hier in der FSK in Wiesbaden vier, teilweise sogar fünf Arbeitsausschüsse mit jeweils sieben Kolleginnen und Kollegen, die sich von 9:00 Uhr bis 15:00 ca. zwei bis drei Filme anschauen. Dazu kommen noch Dokumentationen, Trailer und Werbefilme. Jeder Film muss von A-Z angeschaut werden, und danach gibt dann der Vorsitzende - also oftmals ich - eine kleine Einführung in die Jugendschutzproblematik des Filmes. Dann erfolgt eine Diskussion über die mögliche Wirkung des Filmes auf Kinder einer bestimmten Altersgruppe. Daraufhin wird abgestimmt, die Alterskennzeichnung wird mit Mehrheit entschieden.
Beurteilen sie alle Filme, z.B. auch Online-Filme?
Reine Online-Produkte werden nicht von uns beurteilt, weil sie nicht unter das Jugendschutzgesetz fallen, sondern unter den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Dafür sind dann z.B. im Rundfunkbereich die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) verantwortlich, für Telemedien die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM), welche von der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) beaufsichtigt wird.
Sind Gewaltdarstellungen in Filmen generell problematisch, oder können auch Filme ab 12 oder 6 Jahren freigegeben werden, die Gewaltdarstellungen enthalten?
Gewaltdarstellungen sind sicherlich das zentrale Problem der FSK-Gremien. Gewaltdarstellungen sind für eine Freigabe ab 6 so gut wie nicht möglich. Ab 12 sieht das Ganze schon anders aus: Filme können durchaus Gewalt beinhalten, wenn diese Gewalt klar als Fiktionalität erkennbar ist, oder wenn der Anspruch hinter dem Film steht, sich mit dieser Art von Gewalt auseinanderzusetzen. Natürlich muss der Film so gestaltet sein, dass sich 12-jährige kritisch damit auseinandersetzen und keine traumatischen Erfahrungen davon bekommen. Bei "Schindlers Liste" z.B. habe ich mich sehr für eine Freigabe ab 12 eingesetzt. Wenn er auch explizite Gewaltdarstellungen enthält, sind sie doch so gestaltet, dass sich auch heranwachsende Kinder und Jugendliche damit schon auseinandersetzen können.
Wie sieht es mit der Darstellung von Sexualität aus?
Auch in Kinderfilmen können natürlich nackte Menschen vorkommen, wenn das in eine nachvollziehbare Erzählhandlung eingeordnet ist, die explizite Zurschaustellung von bestimmten Körperteilen immer ausgenommen. Einige Rollendarstellungen, die in Erotikfilmen propagiert werden können, sind ein besonderes Problem, z.B. werden hier Vorurteile gegen Homosexualität geschürt oder falsche Rollenbilder vermittelt werden. Insbesondere bei Filmen mit sexuellen Inhalten spielen diese Punkte bei der Beurteilung natürlich eine Rolle.
Warum können Filme, denen eine schwere Jugendgefährdung attestiert wird, nicht für Erwachsene im Kino gezeigt werden?
Dagegen steht §15 Abs. 2 des Jugendschutzgesetzes, nach dem wir urteilen. Dieser Paragraph besagt, dass Filme mit schwer jugendgefährdenden Inhalten automatisch einer Indizierung unterliegen. Das sind z.B. Filme, die gegen das Strafgesetzbuch verstoßen, den Krieg verherrlichen oder Kinder und Jugendliche in unnatürlicher geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen.
Wie lässt sich das mit der Kunstfreiheit in Einklang bringen?
Das muss natürlich abgewogen werden. Wenn ein Film mit einem künstlerischen Anspruch versehen ist, z.B. von der Filmbewertungsstelle hier in Wiesbaden ein Prädikat „wertvoll" oder „besonders wertvoll" bekommen hat, oder ein Film, der aufgrund seiner künstlerischen Ausgestaltung ganz offensichtlich als Kunstprodukt erkennbar ist, ist mit anderen Maßstäben zu messen als ein Film, in dem Gewalt nur um der Gewalt willen dargestellt wird. In Oliver Stones „Natural Born Killers" wird z.B. in hohem Maße Gewalt gezeigt, der Film wurde aber nicht indiziert, weil er in künstlerisch anspruchsvoller Weise das Thema Gewalt und deren Vermarktung in den Medien zum Thema hat, also einen Kunstvorbehalt für sich in Anspruch nehmen kann.
Warum werden an Veröffentlichungen auf DVD andere Maßstäbe angesetzt, z.B. dürfen im Kino Filme mit einfacher Jugendgefährdung laufen, auf DVD dürfen diese aber nicht veröffentlicht werden?
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass im Kino die Kontrolle einfach stärker ist als beim DVD- oder Video-Verkauf oder Vermietung. Das Risiko des Umgehungssachverhalts, dass Jugendliche also doch in Berührung mit jugendgefährdenden Inhalten kommen, sieht der Gesetzgeber einfach als größer an.
Was sagen Sie zu den Vorwürfen, dass sogenannte Blockbuster häufig weniger kritisch bewertet werden, während kleinere Produktionen schneller Freigaben ab 16 oder 18 bekommen und damit an der Kinokasse benachteiligt werden?
Das halte ich für Unsinn. Die Kolleginnen und Kollegen in den Prüfungsausschüssen wissen oftmals überhaupt nicht, von welcher Firma welcher Film vorgelegt wird, und wir schauen jeden Film nach den möglichst gleichen Kriterien an.
Legt die FSK ausschließlich Altersgrenzen fest, oder kann sie auch Empfehlungen für Filmschnitte machen?
Die Ausschüsse haben die Möglichkeit, bei Freigaben bis 16 Jahren sogenannte Schnittempfehlungen oder Schnittauflagen auszusprechen. Wenn etwa ein Abenteuerfilm eine klassische Gewaltdarstellung zeigt, die nach Meinung des Ausschusses so beherrschend sein kann, dass 12- oder 13-jährige Kinder daran negativ hängen bleiben, dann haben wir die Möglichkeit zu sagen: Der Film ist schon ab 12 frei, wenn diese Sequenz entfernt wird. Dann kann sich die Firma entscheiden, ob sie die integrale Fassung ab 16 auf den Markt bringen, oder sie die 12er-Freigabe haben wollen und die Szene entfernen. Von der Möglichkeit der Schnittempfehlung machen die Ausschüsse aber sehr, sehr selten Gebrauch. Meist entscheiden die Ausschüsse nur: freigegeben ab 12 oder ab 16.
Können die Produzenten inzwischen abschätzen, welche Altersfreigabe ihr Film erhält?
Ja, sicher, davon bin ich überzeugt. Die Film-Verleih-Firmen und auch die Video-Verleih-Firmen wissen schon, welche Freigabe sie erwarten können. Wir versuchen natürlich auch, eine möglichst nachvollziehbare Spruchpraxis vorzugeben, dass die Anbieter wissen, welcher Film ab 16 oder ab 12 zugelassen werden könnte.
Gibt es Bewertungsbeispiele der letzten Zeit, die kontrovers diskutiert wurden - z.B. die „grüne Wolke", die erst ab 12 freigegeben wurde, und danach den „goldenen Spatz" erhalten hat?
Ja, ich war auch bei der Verleihung des „goldenen Spatz" und war bei einer Podiumsdiskussion dabei, in der es genau um die Problematik der „grünen Wolke" ging. Der Film lag der FSK einige Male vor und hat dann in gekürzter Fassung eine Freigabe ab sechs Jahren erhalten. Nach Ansicht der Ausschüsse waren in der integralen Fassung des Films eben Szenen enthalten, die Kinder von sechs, sieben oder acht Jahren in hohem Maße ängstigen. Deshalb wurde die Freigabe für die integrale Fassung erst ab 12 Jahren ausgesprochen. Das kommt aber gerade bei deutschen Kinderfilmen äußerst selten vor, dass nicht die anvisierte Altersfreigabe ab 0 oder 6 Jahren erreicht wurde. Bei diesem Film war es so.
Wie finanziert sich die FSK?
Die FSK finanziert sich durch Prüfgebühren, diese werden von den Firmen für die Prüfung ihres Films durch die FSK entrichtet. Durch dieses Geld wird die Filmvorführung gewährleistet, werden die Reisekosten für die Prüferinnen und Prüfer beglichen. Da die FSK ja nicht gewinnorientiert sein darf, wird das, was am Ende des Rechungsjahres übrig ist, anteilmäßig an die Antragsteller wieder abgegeben.
Was genau kostet denn die Prüfung eines einzelnen Films?
Da gibt es eine Pauschale pro Meter Film. Ein Meter kostet 40 Cent, und eine Minute hat etwa 28 Meter. Das sind rund 1000 Euro für einen 90-Minuten-Film.
Gibt es die Möglichkeit, sich die Arbeit der FSK selbst einmal anzusehen?
Ja, nachmittags haben wir sehr oft Schulklassen oder Jugendgruppen hier zu Gast, mit denen wir Filme anschauen, die z.B. auch von der FSK sehr kontrovers diskutiert worden sind, und mit denen wir gemeinsam über die Alterskennzeichnung diskutieren. Ich lege sehr viel Wert darauf, dass wir als Erwachsene das nicht vom grünen Tisch machen. Das ist für uns sehr interessant, und für die Jugendlichen natürlich genauso. Wir arbeiten auf europäischer Basis mit den anderen Filmprüfstellen sehr eng zusammen, und wir sind ein offenes Haus. Wenn also Ihre Leser Interesse haben, die Arbeit der FSK kennenzulernen, sind sie herzlich eingeladen, nach Terminabsprache natürlich, einfach zu sehen, wie das gemacht wird. Das ist also keine geschlossene Gesellschaft, sondern das sind Leute, die sich dem Gespräch gegenüber offen zeigen wollen.
Sind die verschiedenen Freigabestufen nicht ein bisschen problematisch? Manche Filme sind für 6-jährige ja nicht geeignet, könnten von 10 oder 11jährigen aber durchaus verarbeitet werden.
Das ist eine Diskussion, die immer wieder und völlig zu Recht geführt wird. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber ja im Jahre 2003 die sogenannte „Parental Guidance"-Regelung für Filme ab 12 Jahren eingeführt, um diese große Spanne zwischen Grundschülern und Schülern der Sekundarstufe 1, zwischen Sechs- und Zwölfjährigen durchlässiger zu machen. Filme ab 12 Jahren dürfen auch von 6-jährigen in Begleitung der sogenannten Personensorgeberechtigten, im Regelfall also der Eltern, angesehen werden. Hier hat man versucht, die elterliche Verantwortung zu stärken. Diese Regelung ist ein Versuch, der aber durchaus kontrovers diskutiert wird.
Also darf man als Sechsjähriger doch noch „Keinohrhasen" ansehen;-)
Im Anhang finden Sie als pdf ein Schaubild über das Prüfungsverfahren der FSK mit freundlicher Genehmigung von www.medienzensur.de | Christian Bliß.
Anhang ansehen / runterladen:
Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von "casting-network. Das Branchenportal". Mehr zu ihrer Person finden sie in der unter der Rubrik: Über uns.
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