Leonard Grobien wurde 1998 in Bonn geboren. Er hat die Glasknochen- krankheit, ist kleinwüchsig und sitzt im Rollstuhl. Zurzeit studiert er Film mit dem Schwerpunkt Drehbuch an der internationalen filmschule köln (ifs). Im medizinischen Sinne sei er krank, so fühle er sich aber nicht, sagt er. Bekannt wurde er durch seine Auftritte als „Len“ im YouTube-Kanal „100percentme“. Zusammen mit Amelie Ebner er einen Podcast namens „Ameleo“. Da ging es um alle persönlichen und menschlichen Themen, zu denen die beiden was zu sagen hatten. Manchmal sogar um Inklusion. Jede zweite Woche gab es dort, immer ein neues Thema. Im Interview sprechen wir mit ihm über seine Motivation, Drehbuchschreiber zu werden, warum sich in der deutschen Film- und Fernsehbranche dringend etwas ändern muss und warum er trotzdem gegen eine Quote ist.
Wie bist Du zum Drehbuchschreiben gekommen?
Ich habe immer gerne Geschichten geschrieben. Gar nicht so sehr im privaten Kontext, sondern eher in der Schule. Und irgendwann haben Filme angefangen, mich so zu faszinieren, dass letztendlich der logische Schritt folgte, mich fürs Drehbuchschreiben zu begeistern.
Du bist Student der ifs in Köln.
Gab es Berührungsängste bei der Aufnahme?
Nein, nichts, was ich bewusst mitbekommen habe. Es gab eine kleine Unsicherheit hinter den Kulissen, weil ich der erste Student mit Behinderung war, der aufgenommen wurde. Ich wurde und werde allerdings immer wieder gefragt, ob ich mehr Entgegenkommen benötige – das gibt mir ein gutes Gefühl. Vor einem Jahr habe ich dann den Vorschlag gemacht, man könnte doch einen asphaltierten Weg über den bis dato mit Kopfsteinpflaster gebauten Weg zum Parkplatz umbauen, um die Barrierefreiheit zu gewährleisten. Das wurde dann auch umgesetzt.
Wie beschreibst Du selbst Deine Behinderung und welche Probleme bringt sie im Alltag mit sich?
Ich habe die Glasknochenkrankheit und sitze im Rollstuhl. Ich bin nur circa einen Meter groß und somit für manches eingeschränkt. Glasknochenkrankheit bedeutet, dass die Muskelkraft weniger ausgeprägt ist als bei anderen 23-jährigen. Ich bin dennoch selbstständig und habe lediglich alle zwei Wochen eine Haushaltshilfe, die aber nur das Gröbste macht. Das ist eigentlich ein Pflegedienst, der von der Krankenkasse übernommen wird.
Findest Du, dass Diversität in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft ausreichend umgesetzt wird?
Ich glaube, dass Diversität in deutschen Produktionen immer noch ein übergestülptes Ziel ist – im Gegensatz zu den großen englischen und amerikanischen Produktionen. Man versucht es einzuhalten, aber es entsteht noch nicht ganz von innen heraus. Es ist eine noble Zielsetzung und der richtige Weg, aber die Natürlichkeit muss aus den ersten Ideen der Stoffentwicklung kommen. Ich glaube, dass eigentlich jeder diverse Ideen leisten kann, aber gerade ist es eher ein Mantra, das in einer Satzung steht als, dass es wirklich Realität ist.
Hast Du ein gutes und ein schlechtes filmisches Beispiel für den Umgang mit Diversität?
Ein schlechtes Beispiel ist der Film „Die Goldfische“ mit Tom Schilling im Rollstuhl. Ein positives Beispiel, nicht konkret in Bezug auf Behinderung aber auf Diversität, ist der Film „Moonlight“
Woran arbeitest Du gerade?
Ich arbeite gerade an zu vielen Dingen, die ich versuche nach Machbarkeit zu ordnen. Ich schneide gerade meinen zweiten Kurzspielfilm. Außerdem arbeite ich daran einen Animationsfilm zu crowdfunden, für den das Team schon seit Frühling an den ersten Artworks sitzt. Da lerne ich gerade viel, weil es ein völlig neues Genre für mich ist.
Schreibst Du über Dich und Deine Behinderung oder machst Du Dich im Schreibprozess komplett frei davon?
Der Animationsfilm ist ein Sci-Fi Drama mit zwei komplett fiktiven Figuren, die nicht autobiografisch beeinflusst sind. Allerdings habe ich vor einigen Jahren einen stark autobiografisch beeinflussten Langfilm angefangen zu geschrieben. Da geht es um eine Liebesgeschichte, die zwar fiktiv ist, aber der Protagonist ähnelt mir sehr. Wenn ich eine eigene Geschichte erzählen kann, dann versuche ich das auch im Rahmen eines Drehbuches zu machen, aber die Königsdisziplin sind natürlich frei erfundene Geschichten, die sich trotzdem real und authentisch anfühlen.
Was bedeutet für Dich Inklusion in der Film- und Fernsehbranche? Wünschst du dir eine Quote?
Eine Quote könnte das Symptom beheben, aber nicht die Krankheitsursache. Egal, ob eine Gender-, Diversitäts-, oder Behindertenquote. Man kann so etwas nicht künstlich forcieren. Ich habe es als Autor nicht schwerer als alle anderen, aber mir wird es schwerer gemacht, weil mir weniger zugetraut wird und ich unnötigerweise unterschätzt werde.
Und da frage ich mich natürlich: warum?
Würdest Du sagen, dass Du eine „Krankheit“ hast?
Ich würde sagen, dass ich Glasknochen habe. Der Fokus auf den Begriff „Krankheit“ ist bei mir nicht nötig, auch aus medizinischer Sicht. Klar ist es keine Verbesserung des Lebenszustandes, aber es ist eher eine Einschränkung als eine Krankheit. Das sehen sicher andere Betroffene eventuell anders, aber bei einem Begriff wie „Krankheit“ gibt es eh kein kollektives Empfinden und jeder denkt da anders drüber. Manche wollen sich darüber definieren und andere nicht.
Brauchen wir Diversitätsbeauftragte oder einen Inklusionskatalog, um Eckpunkte im Umgang festzulegen?
Ein Regelwerk oder eine beauftragte Person fühlt sich in erster Linie wie ein Armutszeugnis an. Wenn jemand zu mir kommt, mir ein Papier hinlegt und sagt: So funktioniert Diversität – oder sagt, er oder sie sei jetzt mein*e Diversitätsbeauftragte*r, würde ich sagen: Nein, danke, das bekomme ich allein hin. Ich bin mir bewusst, dass in dieser Hinsicht etwas getan werden muss, um Diversität vor und hinter der Kamera zu schaffen, ich würde aber gerne mit jedem Entscheidungsträger reden und sie fragen, wann die personelle Entscheidung mit einem so kleinen Horizont getroffen wurde oder ob es eher Berührungsängste waren, die zu einer solchen Entscheidung geführt haben. Und die absolute Utopie ist: Ein*e behinderte*r Hauptdarsteller*in ohne, dass es im Drehbuch, im Pitch oder in einem Verkaufsrider steht.
Es gibt es keine Inklusion an Schauspielschulen. Warum ist das deiner Meinung nach so?
Es wurde unbewusst verpasst, da einen Weg zu ebnen, also muss man jetzt bewusst daran arbeiten, einen Weg zu schaffen. Klar, jene, die gut genug sind, werden schon ihren Weg gehen, das hat letztendlich nichts mit ihrer Behinderung zu tun. Aber es wäre schon schöner, wenn es uns einfacher gemacht würde, statt zusätzlichen Steinen auf dem Weg.
Laut Teilhabegesetz müssen Menschen mit Behinderung, die in einer Behindertenwerkstatt arbeiten, den Großteil ihrer Gage wieder abgeben. Darfst Du das Geld, was du verdienst, auch behalten?
Ich darf das Geld behalten, aber ich beziehe auch keine Leistungen, habe keine Assistenz und bin auch in keinem Arbeitsverhältnis in einer Behindertenwerkstatt. Man muss für jene, die fit sind und arbeiten können, gerade im kulturellen Bereich Möglichkeiten und Förderungen schaffen.
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