Nico Randel wurde am 24.10.1987 in Köln geboren. Er hat Trisomie 21 und ist in Erftstadt-Lechenich aufgewachsen. Nico ist Schauspieler, bildender Künstler und arbeitet im Kunsthaus Kat18 in der Kölner Südstadt. Er stand schon in vielen Stücken auf den Bühnen der Republik, unter anderem im Comedia Theater in Köln oder bei der Opernwerkstatt am Rhein. Außerdem arbeitet Nico als Schauspielspieler in Film- und Fernsehen, zuletzt neben Axel Prahl und Katharina Thalbach in der Produktion „Extraklasse“ und „Extraklasse 2+“. In der Dokumentation „Alles wird Gut“ seines Namensvetters Niko von Glasow spielte Nico mit. „Der Film wurde auch auf der Berlinale gezeigt“, sagt der selbst- bewusste junge Mann, der mittlerweile in seiner eigenen Wohnung lebt. In Utah in den Staaten wurde Nico für seine Rolle in dem Kurzfilm „Superhero“ zum besten Schauspieler ernannt. Zurzeit steht wieder eine Tournee in die Schweiz und nach süd-Deutschland mit dem Musical „Peer Gynt“ der Opernwerkstatt am Rhein an. Wir haben uns mit Nico und seiner Mutter Monique Randel-Timperman über Nicos Weg in die Schauspielbranche, die finanzielle Unter- stützung vom Staat, ihre Wünsche und Träume und das gemeinsame Leben unterhalten.
Wie kamst Du zur Schauspielerei?
Während meiner Schulzeit habe ich in unterschiedlichen Sketches mitgespielt und auch später in der Johannes Schule in Bonn. Dort habe ich beim Stück „Antigone“ mitgespielt – das war ein Klassenprojekt. In dem Jahr wurde ich auch Mitglied der Truppe „Theaterkönig“ unter der Leitung von Sabine Hahn.
Was war Dein erstes Theaterstück?
Das war 2006 „Das Hamletmaschinchen“ im Comedia Theater in Köln unter Regie von Sabine Hahn, wo ich den „Hamlet“ gespielt habe.
Neben den vielen Theaterauftritten hast Du auch schon einige Male vor der Kamera gestanden, zum Beispiel in „Extraklasse“. Was gefällt Dir besser – Theater spielen oder fürs Fernsehen drehen – und weshalb?
Das ist eigentlich egal. Ich liebe den direkten Kontakt mit dem Publikum im Theater, sie reagieren sofort. Im Fernsehen muss man immer so lange warten, bis ich und meine Freunde die Filme sehen, wo ich mitgespielt habe.
Was wäre Deine absolute Traumrolle?
Ich mag alles sehr gerne, was ich spiele, aber Musicals mag ich besonders gern.
Du bist auch ziemlich gut in Judo. Betreibst Du weiterhin Kampfsport?
Ja, ich habe bei den Special Olympics 2006 in Berlin teilgenommen und habe den orange-grünen Gürtel.
Was kannst Du noch gut?
Neben der Schauspielerei mag ich schwimmen und ins Kino gehen. Ich höre sehr viel Musik und kenne bestimmt über 100 Lieder auswendig und tanze gern. In meiner Freizeit schreibe ich Geschichten und inszeniere sie als Hörspiel auf dem Computer. Ich drehe auch gern Filme von kleinen Sketchen. Für meine Arbeit und für meine Familie mache ich jedes Jahr einen Weihnachtsfilm.
Auf Deiner Website habe ich gesehen, dass Du auch als bildender Künstler aktiv bist. Magst Du uns davon erzählen?
Ich arbeite als Künstler mit Bildern, Texten und mit Modellen, davon findet man einige im KAT18 oder direkt auf www.kunsthauskat18.de. Ich überlege mir witzige Sprüche in einer besonderen Schrift, die auf Plakate, Taschen usw. gedruckt werden. Zurzeit arbeite ich an Pappmaché-Modellen als Bühnenrequisite für einen Film, den ich mal drehen möchte.
Bist du bei Deiner Arbeit auf Hilfe angewiesen?
Nein, ich mache alles alleine und höre auf die Anweisungen.
Was macht Dich glücklich?
Das Schönste ist, am Leben zu sein und natürlich, dass es auch viele andere Menschen gibt – meine Familie, meine Freundin und alle, die mich beim Theater und bei der Arbeit unterstützen.
Was ärgert Dich so richtig?
Wenn technische Geräte nicht funktionieren, zum Beispiel der Fernseher, dann rege ich mich schnell auf, weil ich viel mit Geräten arbeite.
Down-Syndrom oder Trisomie 21. Welchen Begriff bevorzugst Du und was magst Du gar nicht?
Sie sind für mich beide ok.
Bild aus: „Das Restaurant zum abnehmenden Mond“ | Bild aus: „Superhero“ |
Interview mit Monique Randel-Timperman:
Wie definierst Du für Dich Behinderung?
Wenn man nicht die Dinge machen kann oder darf, die allgemein gesellschaftlich anerkannt sind und zum Leben dazugehören. Nico hat das große Glück, in einem Kunsthaus zu arbeiten, dort arbeiten viele Menschen mit unterschiedlichen Problemen mit Künstlern zusammen. Es ist nicht offiziell inklusiv – aber es entstehen viele Kontakte mit der Kunstwelt, die vielen der dort arbeitenden Menschen helfen und ihnen ein bisschen das Gefühl gibt, dazuzugehören.
Nico hat ja schon ein bisschen erzählt, wie er zur Schauspielerei kam.
Hast Du seinem Wunsch von Anfang an unterstützt, oder gab es auch einen Moment des Zögerns?
Er bekam sein erstes Rollenangebot mit acht Jahren. Bis dahin hatte ich kein positives Gefühl, weil ich wenig gute Erfahrungen vom Umgang meiner Mitmenschen ohne Behinderung mit Nico gemacht hatte und geglaubt habe, dass es in dieser Branche besonders schwer würde. Ein anderer Grund war zudem, dass ich in der Zwischenzeit Schauspieler mit Downsyndrom kennengelernt habe. Zum Beispiel Pasqual Duquenne, der durch den Film „Am achten Tag“ berühmt geworden ist. Wirklich geändert hat sich seit seinem Darstellerpreis von Cannes im Jahr 1996 nicht viel. Er konnte in Brüssel mit einer Tanz- und Theatergruppe ein wenig bewegen, auch ein Haus mit betreutem Wohnen mitgründen, aber die Öffentlichkeit hatte ihn schnell vergessen. Chris Burke, der fantastische Darsteller aus der Serie „Life goes on“, stieß bei der Werbetournee für die Serie in Deutschland auf völliges Desinteresse. Daher war ich sehr vorsichtig, weil ich glaube, dass Menschen mit geistiger Behinderung, für die alles wahr und reell ist, den Wechsel zwischen kurzfristiger Berühmtheit und dann wieder unsichtbar werden nicht leicht verkraften würden. Für Nico ist das Theatersspielen aber eins der wichtigsten Dinge in seinem Leben. Es beflügelt seine Fantasie und es hilft ihm, trotz der vielen schweren Krankheiten so positiv im Leben zu stehen.
Kann Nico von seiner Kunst auch finanziell leben?
Das ist ganz unterschiedlich, weil viele der Filme oder auch der Theaterproduktionen, in denen Nico mitgewirkt hat, auf Sponsoren angewiesen sind bzw. kein Budget haben, um ihre Darsteller zu bezahlen. Zum Beispiel beim Kurzfilm „Superhero“ – da gab es keine Gage, aber das Verhältnis zum Regisseur war super, und das stand in dem Fall auch im Vordergrund. Er kann auch mit dem Geld nichts anfangen, weil er es, aufgrund des Bundesteilhabe-Gesetzes, wieder abgeben muss. Er bekommt eine Grundsicherung vom Staat. Wenn er zum Beispiel für das ZDF dreht, bekommt er einen vierstelligen Betrag am Tag. Davon sieht er nichts bis wenig. Ich würde es toll finden, wenn wir das Geld wenigstens für wohltätige Projekte spenden könnten. Denn natürlich kann man verstehen, dass der Staat auch gerne etwas zurückbekommen möchte, wenn er eine Grundsicherung für Menschen mit Behinderung stellt, aber es wäre trotzdem schön, wenn man wenigstens ein wenig mehr vom erarbeiteten Geld behalten könnte. Andererseits sehe ich auch bei nicht behinderten Schauspieler*innen, dass sie nach ihren Engagements wieder auf Hartz IV oder Arbeitslosengeld angewiesen sind. Man könnte das Bundesteilhabe-Gesetz definitiv überarbeiten.
Was sind/waren für Nico Türöffner*innen, die in Bezug auf die Schauspielerei den Weg geebnet haben?
Da gab es nicht viele, und wir haben mehr gekämpft als geebnete Wege zu genießen. Nicos schulischer Weg war schon schwer – die berufliche Orientierung ebenfalls. Dennoch gibt es Menschen, die Nico sehr unterstützt haben. Zum Beispiel Jutta Pöstges, die das Kunsthaus KAT18, in dem Nico auch seine Werke ausstellt, leitet. In Bezug auf das Schauspielen sind es Menschen wie Sascha von Donat, Sabine Hahn oder Rolf Emmerich, die sich mit so viel Liebe und Hingabe und ohne pädagogische Ausbildung der Arbeit mit Menschen mit Behinderung widmen. Ich habe immer wieder festgestellt, dass gerade Schauspieler uns Künstler einen guten Umgang mit Menschen mit Behinderung haben. Viele gehen ungezwungener mit ihnen um als der Durchschnitt der Bevölkerung und sind auch in der Lage einem Schauspieler mit geistiger Behinderung auf Augenhöhe zu begegnen.
Gibt es für Nico viele Rollenanfragen? Welcher Art sind die?
Im Film- und Fernsehbereich sind es ein bis zwei Rollenanfragen im Jahr. Das liegt daran, dass bisher – im Gegensatz zum Theater – dort nicht danach geschaut wird, dass ein Mensch mit Behinderung eigentlich alles spielen kann, sondern durch die Rollenprofile die Art der Behinderung festgelegt ist. Es wird also explizit nach einem Schauspielenden mit Downsyndrom gesucht, anstatt zu schauen, ob eine beliebige Rolle nicht auch von jemandem mit Downsyndrom gespielt werden könnte. Die Bühne ist Nicos Stärke. Da kann er sich immer wieder neu erfinden, und er hat ein gutes Gespür fürs Publikum.
Findest Du Deine und auch Nicos Lebensalltag in der aktuellen Film- und Fernsehbranche vertreten?
Was würdest Du gerne ändern wollen?
In keinster Weise. Diese zwei kleinen Rollen, die Nico in der Produktion „Extraklasse“ spielen durfte, waren nett. Aber festgelegt auf einen Menschen mit Behinderung. Bei dem Independent-Film „Superhero“ hatte der Regisseur Émile von Schlessinger zunächst gar nicht daran gedacht, jemanden mit Downsyndrom zu besetzen, sondern suchte einen Menschen, der schwächer als andere ist. Und so ist er auf Nico gestoßen. Das war eine Ausnahme. Aber generell sind die Rollen im Film- und Fernsehbereich für Menschen mit Behinderung begrenzter als im Theater. Dort hat Nico schon „Frankenstein“ und „Paul Bocuse“ gespielt – das wäre im Film- und Fernsehbereich bisher undenkbar. Es ist schön, dass viele Bahnsteige und öffentliche Plätze barrierefrei sind, aber die Barrieren in den Köpfen der Menschen sind noch sehr zahlreich. Es fehlt vielen Menschen die Überwindung, einfach zu versuchen, auf Menschen mit Behinderung zuzugehen, denn dann würden sie merken, dass es möglich ist.
Wunsch ans Universum: Gelebte Inklusion wäre für Dich …
Dass jede*r mit einer Behinderung das tun kann, was die meisten tun. Es ist für mich als Mutter eines schwerbehinderten Kindes notwendig zu schauen, was mein Sohn möchte und was in ihm steckt, und wie ich ihn dabei unterstützen kann: wenn möglich mittendrin, aber manchmal auch in einer beschützten Umgebung, wenn er sich da wohler fühlt.
Nico und seine Mutter Monique © privat
www.nico-randel.de | www.kunsthauskat18.de/ateliers/nico-randel
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Castings: „Extraklasse“ Mai Seck | „Extraklasse 2+“ Ingrid Cuenca (BVC) | „Am achten Tag“ Gerda Diddens, Patrick Hella, Chantal Marchal, Brigitte Moidon, Justine Pellerin, Geneviève Robillard, Laurette Vankeerberghen | „Life goes on“ Deedee Bradley | „Superhero“ in eigener Regie
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