Das Corona Short Film Festival – Das erste (und hoffentlich letzte) internationale Pandemie-Kurzfilmfestival – ist ein neuer Online-Wett- bewerb für Kurzfilme, der als Reaktion auf die aktuellen COVID19-Entwicklungen gestartet wurde. Für Filmprofis und Filmbegeisterte, die bereits alle Lieblingsserien und -filme erneut angesehen, alle Bücher im Regal gelesen und tagelang immer wieder Online-Spiele gespielt haben, sollte dies eine Möglichkeit sein, um in Zeiten vorsorglicher Maßnahmen mit kreativer Stagnation und Selbstisolation fertig zu werden. Dieses Festival wurde ohne Budget und ohne Gewinn veranstaltet. Nun können alle die ausgewählten Filme kostenlos ansehen. Anstatt Streaming-Gebühren zu erheben, bitten die Veranstalter, der Organisation Ärzte ohne Grenzen einen kleinen Betrag zu spenden und somit deren medizinische Aktivitäten zu unterstützen. Mehr als 1.200 Kurzfilme wurden eingereicht. 35 gelangten in die Endauswahl. Am Ende gab es zwei Gewinner*innen und 2 lobende Erwähnungen. Über die Idee, das Konzept und die Umsetzung dieses Festivals sprachen wir mit dem Initiator Dejan Bućin.
Wann entstand die Idee?
Die Idee zu dem Festival entstand als Reaktion auf die durch die Covid19-Pandemie entstandene Situation und deren weltweite Aus- wirkungen. Nach eigenen mehr oder minder gelungenen Versuchen, meine neu gewonnene Zeit kreativ und produktiv zu nutzen, dachte ich, dass dies doch eine interessante Herausforderung und kreative Beschäftigung für viele Gleichgesinnte sein könnte. Es folgten mehrere Telefonate mit Freund*innen und Kolleg*innen, die allesamt die Idee eines Internationalen-Pandemischen-Selbst-Isolations-Kurzfilmfestivals erstrebenswert fanden und unterstützen. Im Schneeballprinzip wurde diese doch anfänglich sehr naive Idee immer größer und ernstzunehmender, bis ich mich entschied, mich dem gänzlich hinzugeben und es durchzuziehen.
Du hast Dir sicher viel Rat geholt. Dennoch lag alles auf Deinen Schultern. Was war die meiste Arbeit?
Rückblickend kann ich gar nicht mehr nachvollziehen, was die größten Herausforderungen waren. Zwar wage ich zu behaupten, nicht ganz untalentiert zu sein, wenn es um Organisation geht, allerdings war ich auf diesem Gebiet mehr als unerfahren. Ein Festival in so kurzer Zeit aus dem Boden zu stampfen ist an und für sich schon ein unglaublicher Kraftakt. Dies dann fast allein während einer beispiellosen Ausnahmesituation wie der Corona-Pandemie entstehen zu lassen, und das auch noch ohne Budget, Ressourcen und Knowhow, schien schier undenkbar. Glücklicherweise konnte ich mich auf meinen Freundes- und Kollegenkreis und deren Netzwerk verlassen. Ich weiß gar nicht mehr wie viele E-Mails und Anrufe ich geschrieben und getätigt habe. Die Vorbereitungen vor dem Anpfiff hatten es bereits in sich – angefangen bei der Logistik, der rechtlichen Absicherung und der Sponsorensuche über Webseiten-Design und Jury-Zusammenstellung bis hin zum Bewerbungsaufruf und Presse. Und das war erst der Anfang.
Wer gehört alles noch zu Deinem Team?
Wie vorhin erwähnt, hatte ich mehr als Glück, mich auf einige liebe Freund*innen und Kolleg*innen verlassen zu können. Mit den meisten von ihnen habe ich bereits gearbeitet. Wir sind seit Jahren eng befreundet. Allen voran Katharina Rivilis, Regisseurin und Schauspielerin aus Berlin, und Ivan Marković, Schauspieler aus Belgrad. Die beiden haben mich nicht nur tatkräftig unterstützt, sondern waren auch Kummerkasten und Mutmacher zugleich, wenn ich festivalbedingt wieder einmal ins Schwitzen kam. Bald kam Joana Vogdt hinzu, eine Regisseurin aus Berlin, die nicht nur gut vernetzt ist, sondern auch oft den ausschlaggebenden Rat gab. Thom Vander Beken, ein belgischer Regisseur, gehörte ebenfalls zum Festival Team und war insbesondere bei der Sichtung, Zusammenstellung und Auswahl der Festival-Filme eine große Hilfe.
In welchem Zeitraum durften die Filme eingereicht werden? Was gab es zu beachten?
Da wir anfangs nicht abschätzen konnten wie lange der Ausnahmezustand dauern und auch geographisch betrachtet unterschiedliche Formen annehmen würde, entschieden wir uns für einen Einreichungszeitraum von knapp drei Wochen. Innerhalb dieses Zeitraums sollten interessierte Filmemacher*innen und Film-Enthusiasten einen Film mit einer Maximallänge von fünf Minuten drehen. Thema und Genre waren frei wählbar – die Filme mussten nicht notgedrungen mit dem Virus, der Quarantäne oder Isolation zu tun haben, obwohl der Titel dies offensichtlich suggeriert. Wichtig war allerdings, dass die Kurzfilme während dieser Ausnahmesituation entstanden sind – in Quarantäne bzw. Isolation. Die ohnehin auferlegten Restriktionen haben wir uns zum Anlass genommen, unsere Einreichbedingungen daran zu knüpfen: Die Kurzfilme entstanden während der CoVID19 Pandemie unter Beachtung der staatlich verordneten Vorschriften, mit den wenigen Mitteln, die man zur Verfügung hat und ohne das übliche Filmteam. Ein weiterer Punkt: Die Filme sollten, wenn möglich, noch nicht veröffentlicht worden sein, um nicht eventuell einen Vorteil beim Zuschauervoting zu haben.
Wie genau verlief die Sichtung und wer hat alles gesichtet?
Unser Team hatte die große Aufgabe aus über 1.250 Einreichungen eine Selektion von 35 Filmen zu erstellen. Anfangs bangten wir, ob wir überhaupt genügend Einreichungen haben würden, doch je näher wir an die Einreichfrist rückten, desto mehr Einreichungen kamen im Tagesdurchschnitt. Unsere fünf Teammitglieder versuchten, alle Filme zu sehen und zu bewerten. Allerdings wurde bei der Menge schnell klar, dass wir ein anderes System benötigen. Sobald ein Film von drei Teammitgliedern gesehen wurde und keine bestimmte Punktzahl erreichte, wurde er nicht weiter gesichtet. Dennoch gab es sehr viele Filme, die wir alle gesehen haben. Ich kann stolz behaupten, dass ich mehr als 1.100 gesichtet habe. Nach dem anfänglichen Punktesystem wurden die Filme diskutiert und in verschiedenen Programmkonstellationen ausprobiert.
Es durften Videos weltweit eingereicht werden. Wie habt Ihr die Welt darüber informiert?
Wir haben versucht, nicht nur unser privates und später auch offizielles Social-Media-Netzwerk in allen möglichen Formen zu nutzen, sondern auch über andere Kanäle und Wege an die Filmemacher*innen zu gelangen. Portale wie Crew United, e-Talenta, Cineuropa oder auch landeseigene Filmportale halfen uns dabei sehr, unseren Aufruf zu bewerben. Ein weiteres wichtiges Tool war FilmFreeway, eine Plattform, die sowohl für Filmemacher*innen als auch für Festivals essenziell wird, wenn es um Einreichungen geht. Die Organisator*innen können dort ihre Festivals listen und ihre Aufrufe veröffentlichen.
Waren die Teilnehmer*innen alle professionelle Filmprofis, gestandene Hasen im mittleren Alter oder auch Laien und Quereinsteiger?
Es war tatsächlich eine bunte Mischung aller Altersgruppen und Erfahrungsniveaus. Unter den Bewerber*innen sahen wir nicht nur einige bekannte Namen, die man ohne weiteres auf größeren Festivals erwarten würde, sondern auch blutjunge Filmliebhaber*innen, die ihre ersten Regieschritte wagen und damit den erfahreneren Kollegen mehr als gut parieren konnten. Natürlich gab es auch viele Schauspielkolleg*innen, die ihr Können zum Besten gegeben haben. Interessant war jedoch zu sehen, dass die Kreativität gleichermaßen bei den verschiedenen Gruppen vorhanden war. Bei manchen war die Umsetzung virtuos, bei anderen wiederum war die Idee und der Inhalt so besonders und herausragend, dass die technischen Makel irrelevant waren.
Gibt es einen roten Faden in den Einreichungen bzw. länder/regionenspezifische Auffälligkeiten/Genres?
Tatsächlich gab es viele verschiedene Genres aus allen Ländern. Gerade bei einem solchen Aufruf kann es sehr leicht passieren, dass eine Idee mehrmals zu sehen ist. Es gab sehr viele beobachtende und narrative Filme, die sich auf die nächste Umgebung konzentrierten und dabei den Gedanken freien Lauf gelassen haben. Einige wiederum wählten den Blick aus ihren Fenstern, auf Dächer, Terrassen oder leere Straßen. Viele Filme haben, obwohl keine Vorgabe, das Thema Quarantäne gewählt. Man spürte Melancholie und Einsamkeit und auch das Bedürfnis, darüber zu sprechen, aber auch Botschaften der Hoffnung. Andere haben eher den Humor in Vordergrund gesetzt. Insbesondere aus Deutschland kamen viele lustige Beiträge – die Klopapier-Rolle und das Zoom-Meeting waren ein gern gewähltes Element. Ein weiteres wiederkehrendes Genre war der Horrorfilm. Das Klopfen an der Tür, obwohl man niemanden erwartet oder das Gefühl verfolgt zu werden. Generell aber war die Corona-Situation eindeutig Hauptakteur*in der meisten Filme. Es wurde sehr viel Hände gewaschen, gehustet, Maske getragen, desinfiziert und Mut gemacht.
Wer gehört zur Jury und was war ihre Aufgabe?
Die Jury bestand aus sieben Mitgliedern, allesamt aus filmrelevanten Branchen. Der Schauspieler Tom Wlaschiha, der als erster für die Jury gefragt wurde, war auch gleichzeitig unser Jurypräsident. Er wurde unterstützt von der Regisseurin Claire Burger aus Frankreich, der italienisch-amerikanische Schauspielerin Sara Lazzaro, dem bosnischen Produzenten Adis Djapo, der serbischen Regisseurin Marta Popivoda, der französisch-deutsche Redakteurin bei ARTE/ZDF Dr. Catherine Colas, und der armenisch-stämmigen Schauspielerin Nesrin Cavadzade aus der Türkei. Unsere Jury hatte die nicht ganz leichte Aufgabe die Gewinner*innen aus unserer Selektion zu küren. Alle Mitglieder haben das Festivalprogramm separat geschaut, dann in einer Videokonferenz über die Filme diskutiert und eine Entscheidung gefällt.
Wie habt Ihr das Festival finanziert?
Die Begriffe No Budget und No Profit waren hier Programm. Das Festival ist in der Tat ohne große finanzielle Unterstützung ausgekommen. Viel Ehrgeiz, guter Wille und Lust auf das Projekt haben das Festival vorangetrieben. Lediglich die Geldpreise für die Gewinner sowie einige technische Aufwandskosten wurden von fritz-kola übernommen. Die Softdrink-Firma aus Hamburg war eine der ersten, die ich um Unterstützung bat. Ich weiß deren Engagement für kulturelle und soziale Initiativen sehr zu schätzen und dachte, in ihnen einen würdigen Partner finden zu können.
Was hat am meisten Spaß gemacht?
Am meisten Spaß bereitete es mir natürlich, die Filme und die unterschiedlichen filmischen Herangehensweisen aus aller Welt zu sichten. Es war bemerkenswert zu sehen, was für außergewöhnliche Kurzfilme und kreative Lösungen diese weltweite Aus- nahmesituation und meine kleine Idee in so kurzer Zeit hervorgebracht haben. Die Reaktionen zu unserer Festivalinitiative haben nur bestätigt, wie sehr sich Filmemacher*innen und Filmfreunde über eine solche Challenge und Anstoß gefreut haben.
Und was weniger?
Der Stressfaktor war eher unschön. Die Unmengen an Arbeit, die sich mit der Zeit stapelte, haben mir so manchen verzweifelten Abend beschert. Mein Ehrgeiz und die Ambition, allen gerecht zu werden, jede E-Mail ausführlich zu beantworten, jeden Film zu sehen und ihm eine Chance zu geben, jedes Pixel perfekt zu setzen und dieses Festival, trotz der Umstände und fehlender Ressourcen, im besten Licht zu präsentieren, hat mir zwar oft den Schlaf geraubt, aber ich glaube – das war es wert.
Aktuell sind die Filme „nur“ im Netz zu sehen – am Ende vielleicht doch auch im Kino?
Wir hoffen natürlich sehr, dass unsere Filme bald auch auf der großen Leinwand zu sehen sein werden. Interfilm Berlin, einer unserer Festivalpartner, ist zu Beginn des Aufrufs auf uns aufmerksam geworden und hat angeboten, die Gewinnerfilme in deren Verleih und Vertrieb aufzunehmen. Dementsprechend werden unsere Gewinnerfilme hoffentlich bald über die große Leinwand flimmern. Doch auch die anderen Filme haben eine gute Chance auf ein weiteres Festivalleben und Kinoprojektionen. Mehrere Festivals haben Interesse bekundet und werden eventuell einige unserer Filme in ihr Programm aufnehmen – falls sie denn stattfinden.
Vor der Pandemie ist nach der Pandemie – hoffentlich nicht? Was würdest Du als Schauspieler ändern wollen?
In der Hoffnung, dass die Situation sich bald bessert und ein Festival wie unseres nicht mehr vonnöten sein wird, freue ich mich darauf, bald wieder in meinen Beruf einsteigen zu können und mich wieder dem Spielen hinzugeben. Ich glaube, dass es in der Kunst- und Kulturbranche vieles gibt, was sich ändern müsste, insbesondere von institutioneller und staatlicher Seite (freischaffende Künstler*innen fallen oft durch sämtliche Raster), aber dieses Projekt hat mir Hoffnung gegeben. Trotz einer Situation wie dieser und deren Auswirkungen auf die Kunst- und Kulturbranche, geht das kreative Treiben dennoch irgendwie weiter. Zwar notgedrungenen Maßen angepasst an die Umstände, aber wir sind ja zäh – die Kunst kann das überstehen.
Vielen herzlichen Dank für das Interview!
www.coronashortfilmfestival.com
www.crush.de/klient/dejan-bucin
Die Gewinner:
1 Bottle of Wine – Grand Jury Prize
Regie: Anne Isensee | Deutschland | Genre: Animation, Experimentalfilm
Quarantine Mood – Audience Award
Regie: Alessandro Marinelli | Italien | Genre: Dokumentation, Experimentalfilm
Isolationship – Special Mention
Regie: Sarah May Handler | Österreich | Genre: Fiktion, Comedy
Person – Special Mention
Regie: Sunčica Ana Veldić | Kroatien | Genre: Documentary
Hier geht´s zu allen ausgewählten Filmen: www.coronashortfilmfestival.com/programm
Die Jury:
v.l.n.r.: Tom Wlaschiha © Xiomara Bender, Marta Popivoda © Ana Vujanović, Claire Burger © Eric Catarina,
Dr. Catherine Colas © privat, Sara Lazzaro © Alessandro Villa, Nesrin Cavadzade © Muhsin Akgun,
Adis Djapo © Erol Zubčević
Mehr Infos über die Jurymitglieder findet Ihr hier: www.coronashortfilmfestival.com/jury
#BeCreativeAtHome! – eine Initiative von casting-network
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