Immer wieder greift die AfD die Filmbranche an. Der Kampf um die Kultur tobt schon längst. | © Montage: cinearte
Bei der Verleihung der „First Steps Awards“ hatte Ulrich Matthes Klartext gesprochen: Die AfD sei „eine rechtsradikale, demokratiefeindliche, parlamentarismusfeindliche, kunstfeindliche, rassistische, antisemi- tische Partei“, erklärte der Präsident der Deutschen Filmakademie in seiner Eröffnungsrede. Sollte sie irgendwo an die Macht kommen, „wir alle, die wie hier sitzen, wir müssten uns, um es mal etwas flapsig zu sagen, warm anziehen.“ Matthes Mahnung stand unter dem Eindruck dramatischer Ereignisse. Am 2. Juni 2019 war der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke auf seiner Terrasse mit einem Kopfschuss getötet worden. Als dringend tatverdächtig wurde ein Rechtsextremist festgenommen. Der Mordanschlag auf den CDU-Politiker rüttelte die Parteien auf. Allein die AfD blieb mitleidslos: Schuld sei die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer Asylpolitik, erklärte der Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann. Ohne sie „würde Walter Lübcke noch leben.“ Und als sich im Bayerischen Landtag alle Abgeordneten zum Gedenken an Lübcke erhoben, blieb nur einer sitzen: Ralph Müller von der AfD. Der Partei hat das nicht geschadet – im Gegenteil: Bei der Landtagswahl in Brandenburg am 1. September verdoppelte sie fast ihr vorheriges Ergebnis und wurde mit 23,5 Prozent der Stimmen zweitstärkste Fraktion. Ebenso am selben Tag in Sachsen, wo der Zulauf auf 27,5 Prozent sogar noch größer war. Acht Tage später hielt Matthes seine Rede.
Und genau einen Monat später wiederholte sich das Muster: Am 9. Oktober 2019 versuchte ein Rechtsextremist, in die Synagoge von Halle einzudringen, um die Menschen zu töten, die sich dort zum Gottesdienst an Jom Kippur versammelt hatten, dem höchsten jüdischen Feiertag. Das geplante Massaker scheiterte nur, weil er die Tür nicht aufbekam. Stattdessen erschoss er wahllos zwei unbeteiligte Passanten, ehe er festgenommen wurde. Die beiden Fraktionsvorsitzenden der AfD im Bundestag sprachen von einem „entsetzlichen“ (Alice Weidel) beziehungsweise „monströsen Verbrechen“ (Alexander Gauland), und Gauland nannte es „infam, den Terroranschlag und das von ihm verursachte Leid tagespolitisch zu instrumentalisieren.“ Damit meinte er offenbar aber lediglich, doch bloß nicht die AfD dafür verantwortlich zu machen. Denn in der zweiten Reihe seiner Partei wurde Gaulands Mahnung schlicht ignoriert und das Attentat sogleich tagespolitisch instrumentalisiert: Eine solche „Eskalation“ sei absehbar gewesen, meinte der Berliner AfD-Vorsitzende Georg Pazderski. Schuld sei die „fatale Politik“ der anderen Parteien. Sein Parteifreund Roland Ulbrich, gerade erst in den sächsischen Landtag gewählt, sah nicht mal den „Versuch eines Tötungsdelikts“, sondern lediglich „Sachbeschädigung“ – den 51 Besuchern des Gottesdienstes sei ja nichts geschehen. Und was wohl „schlimmer“ sei: „eine beschädigte Synagogentür oder zwei getötete Deutsche“?
Keine drei Wochen danach wurde in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Nach dem gleichen Muster: mehr als doppelt so viele Stimmen für die AfD, die auch hier zweitstärkste Fraktion wurde. Es wäre wohl infam, die Rechtsaußenpartei für die Taten einiger verwirrter Geister verantwortlich zu machen. Die AfD sei nicht der „geistige Wegbereiter“ solcher Taten, widersprach im Deutschlandfunk Armin-Paul Hampel, einstiger Chefreporter des MDR, Parlaments- und Auslandskorrespondent der ARD und heute außenpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion. Man könne doch nicht „die eine oder andere Reaktion eines AfD-Abgeordneten und Politikers in diesem Falle“ auf die Partei als solche beziehen. Recherchen des NDR zufolge soll der mutmaßliche Mörder Lübckes die AfD im hessischen Landtagswahlkampf 2018 unterstützt haben.
Diese bemüht sich eifrig, sich als „bürgerliche Mitte“ und salonfähig darzustellen. Aber nicht etwa, indem sie die Prinzipien einer Demokratie hochhält, sondern indem sie mit Worten immer wieder Grenzen überschreitet und Begriffe setzt: „Lügenpresse“, „Genderwahn“, „Schuldkult“, „Messertürken“, „Kopftuchmädchen“ und „Kulturmarxismus“ beherrschen im Weltbild der Partei das „links-rot-grün verseuchte 68er-Deutschland, von dem wir die Nase voll haben“. So nannte Jörg Meuthen, Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, die Bundesrepublik. Nicht als Einziger und nicht nur einmal. Er ließ aber unklar, ob dies nun die Ansicht eines einzelnen Politikers oder die der Partei ist. Hinter den neuen Vokabeln stecken die alten Kampfbegriffe. Das wird man ja wohl mal sagen dürfen … Bloß: „Bürgerlich“ ist an solchen pauschalen Verunglimpfungen nichts. Da braucht man nicht erst Menschenrechte und Grundgesetz zu bemühen, sondern schlicht den zwischenmenschlichen Anstand, der zwischen Bürgern selbstverständlich ist. Stattdessen werden draußen im Internet die Kampfbegriffe in anonymen Posts und Kommentaren regelmäßig und zuhauf wiederholt – gerne erweitert durch unflätige Beschimpfungen, Fake News (die neue Vokabel für Lügen), Morddrohungen und Todeslisten. Und ein Viertel der Deutschen hält eine Partei für wählbar, die politische Morde nur halbherzig verurteilt oder sie gar noch zu rechtfertigen versucht. Das hatte es selbst im Deutschen Herbst von 1977 nicht gegeben. Ein Ziel hat die AfD bereits erreicht: Der demokratische Diskurs funktioniert nicht mehr richtig. Zumindest hat er eine Unwucht.
Und genau einen Monat später wiederholte sich das Muster: Am 9. Oktober 2019 versuchte ein Rechtsextremist, in die Synagoge von Halle einzudringen, um die Menschen zu töten, die sich dort zum Gottesdienst an Jom Kippur versammelt hatten, dem höchsten jüdischen Feiertag. Das geplante Massaker scheiterte nur, weil er die Tür nicht aufbekam. Stattdessen erschoss er wahllos zwei unbeteiligte Passanten, ehe er festgenommen wurde. Die beiden Fraktionsvorsitzenden der AfD im Bundestag sprachen von einem „entsetzlichen“ (Alice Weidel) beziehungsweise „monströsen Verbrechen“ (Alexander Gauland), und Gauland nannte es „infam, den Terroranschlag und das von ihm verursachte Leid tagespolitisch zu instrumentalisieren.“ Damit meinte er offenbar aber lediglich, doch bloß nicht die AfD dafür verantwortlich zu machen. Denn in der zweiten Reihe seiner Partei wurde Gaulands Mahnung schlicht ignoriert und das Attentat sogleich tagespolitisch instrumentalisiert: Eine solche „Eskalation“ sei absehbar gewesen, meinte der Berliner AfD-Vorsitzende Georg Pazderski. Schuld sei die „fatale Politik“ der anderen Parteien. Sein Parteifreund Roland Ulbrich, gerade erst in den sächsischen Landtag gewählt, sah nicht mal den „Versuch eines Tötungsdelikts“, sondern lediglich „Sachbeschädigung“ – den 51 Besuchern des Gottesdienstes sei ja nichts geschehen. Und was wohl „schlimmer“ sei: „eine beschädigte Synagogentür oder zwei getötete Deutsche“?
Keine drei Wochen danach wurde in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Nach dem gleichen Muster: mehr als doppelt so viele Stimmen für die AfD, die auch hier zweitstärkste Fraktion wurde. Es wäre wohl infam, die Rechtsaußenpartei für die Taten einiger verwirrter Geister verantwortlich zu machen. Die AfD sei nicht der „geistige Wegbereiter“ solcher Taten, widersprach im Deutschlandfunk Armin-Paul Hampel, einstiger Chefreporter des MDR, Parlaments- und Auslandskorrespondent der ARD und heute außenpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion. Man könne doch nicht „die eine oder andere Reaktion eines AfDAbgeordneten und Politikers in diesem Falle“ auf die Partei als solche beziehen. Recherchen des NDR zufolge soll der mutmaßliche Mörder Lübckes die AfD im hessischen Landtagswahlkampf 2018 unterstützt haben. Diese bemüht sich eifrig, sich als „bürgerliche Mitte“ und salonfähig darzustellen. Aber nicht etwa, indem sie die Prinzipien einer Demokratie hochhält, sondern indem sie mit Worten immer wieder Grenzen überschreitet und Begriffe setzt: „Lügenpresse“, „Genderwahn“, „Schuldkult“, „Messertürken“, „Kopftuchmädchen“ und „Kulturmarxismus“ beherrschen im Weltbild der Partei das „links-rot-grün verseuchte 68er-Deutschland, von dem wir die Nase voll haben“. So nannte Jörg Meuthen, Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, die Bundesrepublik. Nicht als Einziger und nicht nur einmal. Er ließ aber unklar, ob dies nun die Ansicht eines einzelnen Politikers oder die der Partei ist. Hinter den neuen Vokabeln stecken die alten Kampfbegriffe. Das wird man ja wohl mal sagen dürfen … Bloß: „Bürgerlich“ ist an solchen pauschalen Verunglimpfungen nichts. Da braucht man nicht erst Menschenrechte und Grundgesetz zu bemühen, sondern schlicht den zwischenmenschlichen Anstand, der zwischen Bürgern selbstverständlich ist. Stattdessen werden draußen im Internet die Kampfbegriffe in anonymen Posts und Kommentaren regelmäßig und zuhauf wiederholt – gerne erweitert durch unflätige Beschimpfungen, Fake News (die neue Vokabel für Lügen), Morddrohungen und Todeslisten. Und ein Viertel der Deutschen hält eine Partei für wählbar, die politische Morde nur halbherzig verurteilt oder sie gar noch zu rechtfertigen versucht. Das hatte es selbst im Deutschen Herbst von 1977 nicht gegeben. Ein Ziel hat die AfD bereits erreicht: Der demokratische Diskurs funktioniert nicht mehr richtig. Zumindest hat er eine Unwucht.
Das zeigte sich kurz nach Matthes Rede auch in der „Causa Mendig“. Bereits im Juli hatte sich der damalige Chef der hessischen Filmförderung mit dem AfD-Bundesvorsitzenden Meuthen zu einem „sehr angeregten und konstruktiven politischen Gedankenaustausch“ getroffen. Was es da zu auszutauschen gab, wollten Ministerium, Filmakademie und Verbände wissen. Joachim Mendig verweigerte eine Erklärung und musste schließlich gehen. Gleichzeitig hatten auch mehrere Hundert Filmschaffende seinen sofortigen Rücktritt gefordert – ungeachtet einer Erklärung. Der reflexartige Protest zeigt, wie blank die Nerven bereits liegen. Zwischen politischen Morden und Erdrutschwahlen war dies nur eine kleine Episode. Wie die AfD und ihre Sympathisanten vor allem dort ihren Kulturkampf betreiben, wo sie in Landtagen, Stadt- und Gemeinderäten sitzen, ist regelmäßig zu sehen und zu lesen. Es ist ein Guerillakrieg gegen Theater, Opernhäuser und Museen, die zeigen wollen, was die AfD nicht sehen will, geführt mit Klagen, Protesten und Pressemitteilungen. Auch hier kommen im Internet Schmähungen und Drohungen gegen Leib und Leben hinzu. Dafür kann die Partei offiziell nichts, sie spricht aber auch nicht dagegen. Und wie soll es zu verstehen sein, wenn Marc Jongen, kulturpolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, schon vor zwei Jahren die „Entsiffung des Kulturbetriebes“ angekündigt hat? Ebenso Markus Frohnmaier, Sprecher der „Jungen Gruppe“ in der AfD-Fraktion: „Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet.“ Ende 2018 hatten sich 140 Berliner Kulturinstitutionen mit einer „Erklärung der Vielen“ vor solchen Angriffen gewarnt und für Toleranz und Vielfalt plädiert. 300 Institutionen quer durch die Republik hatten sich nach einem Jahr angeschlossen, seither kommen beinahe täglich neue hinzu.
Vor diesem Hintergrund scheint die deutsche Filmwelt noch weitgehend unberührt. Was aber auch daran liegen kann, dass sie draußen im Land kaum jemanden interessiert und es nur selten auf die Titelseiten schafft. Über das Gespräch von Hessens Förderchef mit dem AfD-Chef hatte das „Journal Frankfurt“ schon früh berichtet. Doch erst nach fast zwei Monaten, unter dem Eindruck der massiven Proteste und Stellungnahmen, griffen auch einige große Tageszeitungen das Thema auf. Mit Mendigs Entlassung war es bald wieder verschwunden. Dabei hatte die Filmbranche da schon längst ihren eigenen großen Skandal. Fünf Jahre lang hatte der Schauspieler Charly Hübner die Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ mit der Kamera begleitet. Die einstige Schülerband aus Mecklenburg-Vorpommern singt seit zwölf Jahren gegen Rechtsextremismus und Rassismus, besonders in der Anfangszeit mit radikalen Aussagen, weshalb sie über drei Jahre in den Verfassungsschutzberichten des Landes als linksextrem und mit „explizit antistaatlicher Haltung“ aufgeführt wurde. „Die Antwort auf die Frage, was es bedeutet, gegen Neonazis zu sein, fällt da, wo wir herkommen, völlig anders aus als in Hamburg oder Berlin“, erklärte der Sänger Monchi vor zwei Jahren in der „Welt“: „Wenn du in Mecklenburg eine linke Punkband gründest, hast du die Konsequenzen zu tragen und mit den Konflikten zu leben. Du lernst, dass du auch zuschlagen kannst. Auch wenn du keine Band hast und nicht im Film mitspielst und irgendwo in Parchim wohnst. Dann sogar noch mehr.“
Aus eben diesen Gründen war auch Hübner Ende der 1990er-Jahre aus Mecklenburg-Vorpommern geflohen: „Es gab kein Schulfest, ohne dass wir überfallen worden wären. Manchmal habe ich im Theater geschlafen, weil die mir aufgelauert haben. Ich war so müde von dieser blöden Gewalt“, sagte er im Interview mit der „Berliner Morgenpost“. Sein Musikerporträt „Wildes Herz“ versteht er deshalb auch als eine Art Heimatfilm: „Genau diese Zerrissenheit, diese paradiesische Landschaft, dieses Rechts-Problem, wollte ich aufzeigen.“ Sein Langfilm-Regiedebüt wurde auf dem Dokfest Leipzig vierfach ausgezeichnet. Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) verlieh ihm das Prädikat „besonders wertvoll“. Nur der AfD war der Film schon verdächtig, als es ihn noch gar nicht gab. Mit einer kleinen Anfrage im Schweriner Landtag hatte sie herausgefunden, was sie auch mit einem einfachen Klick im Internet erfahren hätte: „Wildes Herz“ war von der Filmförderung des Landes mit 30.000 Euro bezuschusst worden. „Schon der Name und die Ankündigung der bisher noch nicht veröffentlichten Dokumentation zeigen, wo die Reise hingeht. Die extremistischen und polizeifeindlichen Äußerungen der Gruppe sollen verharmlosend in den gesellschaftlichen Kontext eingebettet werden“, meinte der Abgeordnete Sandro Hersel.
Ein Jahr später lief „Wildes Herz“ im Rahmen der Schulkinowochen. Und wieder meldete sich die AfD mit Stellungnahmen und Anfragen in mehreren Bundesländern: In dem Film werde zu Gewalt gegen den Staat und gegen Menschen aufgerufen, in „brutalen und menschenverachtenden Texten“, verkürzt der bildungspolitische Sprecher der Fraktion im Landtag von Schleswig-Holstein, Frank Andreas Brodehl, auf YouTube den Inhalt. „Nichts davon geht!“ Was an Brutalität und Menschenverachtung offenbar doch geht, sind Äußerungen wie diese: „Brennende Flüchtlingsheime sind kein Akt der Aggression, sondern ein Akt der Verzweiflung gegen Beschlüsse von oben“ (Hersel). „Bescheidenheit bei der Entsorgung von Personen ist unangebracht“ (Meuthen). „Eure Eltern waren wohl Geschwister, und wenn ich mir die Gesichter ansehe, waren die Haustiere auch nicht weit.“ Den letzten Satz sprach Stephan Brandner, der, erstmalig in der 70-jährigen Geschichte des Bundestags, als Vorsitzender des Rechtsausschusses abgewählt worden war, nachdem er sogar den Bundespräsidenten angegriffen und gegen ein ungeschriebenes Gesetz verstoßen hatte. Sind dies nun Äußerungen einzelner Abgeordneter oder ist das die Meinung der Partei? Bundestags-Fraktionschef Gauland nahm den geschassten Brandner in Schutz: „Wir haben nur integre Personen.“ Wer kann da noch überrascht sein, wenn sich solche Äußerungen im Internet potenzieren? In Schleswig-Holstein musste Ende November 2018 die Aufführung von „Wildes Herz“ im Rahmen der Schulkinowochen abgesagt werden, nachdem die „Enkel von Adolf Hitler“ per E-Mail einem Kino in Bad Schwartau und einer Schule in Timmendorfer Strand gedroht hatten, die „Volksverräter“ mit „7,62 mm Vollmantelgeschossen aus Sturmgewehren“ zu erschießen und das ganze Kino mit Sprengstoff in die Luft zu jagen.
Gleiche Zeit, anderer Fall: In einer „Polizeiruf 110“-Folge war für wenige Sekunden ein Sticker mit der Aufschrift „FCK AFD“ an der Pinnwand zu sehen. Er klebte im Büro der Ermittlerin Katrin König hinter ihr an der Pinwand zwischen allerlei Papier. Außerdem zu sehen: die Regenbogenfahne, ein Plakat von „Feine Sahne Fischfilet“, eines mit dem Aufruf „Nazi, verpiss dich!“ und weitere Aufkleber gegen Atomkraft, Nazis und Hass. Für die Filmemacher ist dieses Szenenbild ein selbstverständliches Mittel, die Hauptfigur vorzustellen: „Wie bei jedem anderen Menschen auch, bildet ihr Arbeitsumfeld ihre Haltung ab.“ Sie vertrete ein linkes Weltbild, und die Büroeinrichtung habe es von Anfang an gegeben. Allerdings ermittelt Katrin König bereits seit 2009 – die AfD wurde erst 2013 gegründet. Die Partei sah in diesem Szenenbild keine Kunstfreiheit, sondern Propaganda und beschwerte sich nach der Ausstrahlung. Darüber ließe sich durchaus sinnvoll streiten. Doch ehe es überhaupt dazu kommen konnte, ließ die ARD den „Anti-AfD-Aufkleber“ in der Szene für die Mediathek herausretuschieren. Die beiden Beispiele markieren zugleich die Pole, wie man mit dem Protest von rechtsaußen umgehen kann. Im Fall von „Wildes Herz“ stellte sich die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, die die Produktion mit 60.000 Euro unterstützt hatte, vor die Filmemacher und ihre Entscheidung. Ebenso Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU): Es sei „nicht hinnehmbar, dass eine pluralistische Gesellschaft vor extremistischen Drohungen in die Knie geht und sich in ihren Freiheiten beschneiden lässt.“ Und das ZDF zeichnete das Ersatzkonzert von „Feine Sahne Fischfilet“ auf, nachdem der Band nach Drohungen von Rechtsextremisten der Auftritt im Bauhaus Dessau untersagt worden war. Die ARD musste sich für ihre eilfertige Retusche am „Polizeiruf 110“ viel Häme von anderer Seite gefallen lassen: Unter dem Twitter-Hashtag #ARDbearbeitungen finden sich reihenweise Vorschläge für eine „wirbellose ARD“, was außerdem noch verbessert werden könnte – von flapsig („Dass der Herr Thiel im Münster-Tatort St.-Pauli-Fan ist, empfinde ich all jenen gegenüber als ausgrenzend, die Anhänger eines anderen Vereins sind.“) bis sarkastisch („In einigen Sequenzen war unbeabsichtigt zu sehen, wie Gauland bei seiner Augsburger Rede vom Umsturz Deutschlands fantasierte. Die auf ein demokratisches Maß gekürzte Rede finden Sie jetzt in der Mediathek! Alt: 23 Min. Neu: 3 Min.“).
All das wurde schon am 21. November 2018 vom Grünen-Abgeordneten Erhard Grundl im Bundestag angesprochen. Durch die jüngsten Wahlen wirkt die Situation noch bedrohlicher. In allen Länderparlamenten sitzen inzwischen Abgeordnete der AfD, in vier der neuen Bundesländer ist sie sogar die zweitstärkste Kraft. Und damit an den Schalthebeln. Je ein*e Vertreter*in der Partei sitzt in den Rundfunkräten von sechs ARDAnstalten: BR, HR, MDR, SR, WDR und NDR/Mecklenburg-Vorpommern. Sollten Filmemacher sich warm anziehen? Sie sollten wachsamer sein, hatte Ulrich Matthes in seiner Rede bei den „First Steps“ gemahnt und klar gemacht: die Zeit des Beobachtens ist vorbei. Fast drei Monate sind vergangen, seit sich erstmals ein öffentliches Podium mit dem Thema beschäftigte. Das „Festival Around the World in 14 Films“ lud Ende November zum traditionellen Talk „Quo vadis, deutsches Kino?“. In diesem Jahr ging es um „Die Rechten in den Gremien“. Auf dem Podium in der Berliner Kulturbrauerei diskutierte Felix Neunzerling, Geschäftsführer der PR-Agentur Zoom Medienfabrik, mit Hanns-Georg Rodek, Filmredakteur der „Welt“, und Heiko Hilker, Geschäftsführer des Dresdner Instituts für Medien, Bildung und Beratung, der seit 1997 selbst im MDRRundfunkrat sitzt. Ob das Erstarken der AfD die Kultur- und Filmpolitik verändern wird? Und falls ja, wie? Das sollte an diesem Abend diskutiert werden. Neunzerling bezog sich in seiner Einführung auf die Rede von Matthes. Den Streit um den Dokumentarfilm „Wildes Herz“ würde er erst im Lauf der Diskussion ansprechen. Stattdessen bezog er sich auf die aktuellere „Causa Mendig“, die offenbar ein zweiter Weckruf war, der gehört wurde. Ein Rundfunkrat, stellte Hiller erstmal klar, habe keinen direkten Einfluss aufs Programm. „Wir entscheiden auch nicht über die Vergabe von Geldern für den Dokumentarbereich oder ähnliches. Die Brocken sind dort wesentlich höher.“ Und als große Brocken würden sie auch an die Programmbereiche vergeben, erst dort würden sie weiter aufgeteilt – „tiefer geht so ein Wirtschaftsbereich nicht.“ Doch Einfluss lässt sich auch anders nehmen: Beim MDR sitzt Hilker mit Jens Dietrich vom AfD-Landesverband Thüringen am Tisch, der „eher zurückhaltend“ agiere: „Er beobachtet, wo es Kritik am Sender gibt und versucht, die dann mit zu verstärken und die Leute zu unterstützen, wenn sie den Sender kritisieren. Und er stellt viele Fragen. Diese Fragen beziehen sich sehr oft auf Interviews, auf Beiträge über AfD-Politiker*innen oder zur AfD-Politik oder zu Veranstaltungen, wo er kleinste Fakten nachfragt. Und das zum Teil mehrmals.“
Klingt harmlos. Doch um zu verstehen, was dann passiert, muss man wissen wie solche Sender funktionieren. Hilker erklärt dies so: „Wenn jemand vom Rundfunkrat nachfragt, wird die Frage bis zu demjenigen gegeben, der diesen Beitrag gemacht hat. Wer macht heutzutage noch Beiträge? Das sind sehr viele Freie, sehr viele feste Freie, kaum Festangestellte. Die Festangestellten verwalten im Wesentlichen, sind sozusagen die Chefs vom Dienst. Das heißt: Wer muss das beantworten? Wenn es durchgegeben wird (also wenn es nicht der Direktor beantwortet oder der Chefredakteur oder der Chef vom Dienst) der Freie, der den Beitrag gemacht hat. Das bedeutet: Das kriegt er nicht bezahlt. Er bekommt zusätzlichen Druck. Zum Beispiel so: Der Thüringer AfD-Landesverband hatte im vorigen Februar eine Programmbeschwerde beim MDR-Rundfunkrat angekündigt: Im „Thüringen Journal“ vom 30. Januar 2019 war in einem Kurzbeitrag ein Drehteam zu sehen. Für vier Sekunden lief der Tonmann durchs Bild, auf seinem T-Shirt das Logo „FCK AFD“. Der MDR stellte sich vor den Mitarbeiter einer Auftragsfirma. Man schreibe „weder Mitarbeitern, noch externen Produktionsfirmen eine Meinung vor. Das bezieht sich auch auf eine Kleiderordnung. Alles andere würde tatsächlich gegen die Neutralität und Meinungsfreiheit verstoßen.“ Man nehme aber die Kritik auf und werde den Fall besprechen. Die national-konservative „Junge Freiheit“ formulierte das dennoch zu einem Sieg in eigener Sache um. Die Frage sei also: Sorgt die ständige Fragerei dafür, „dass langfristig über bestimmte Themen nicht mehr berichtet wird? Oder auf eine andere Art und Weise? Oder nicht in der entsprechenden Tiefe?“ Denn früher habe es vier bis sechs Anfragen im Jahr gegeben, wo man mal große Probleme mit einer Dokumentation hatte, so Hilker. Bei Dietrich seien es ein bis zwei im Monat, die sich um kleinste Details drehen. „Eine Art strukturelle Zensur“ macht Hilker da aus. Also müssen wir uns eigentlich keine Sorgen machen? Die Frage kam aus dem Publikum. Nicht, solange sich Regierungsmehrheiten nicht ändern. Und es sei ja nicht so, dass die AfD keine Filmpolitik mache, sagte Hilker: In den Parlamenten habe sie in den jüngsten Jahren immer mal wieder bestimmte Filme thematisiert. Als „Wildes Herz“ ins Programm der Schulkinowochen aufgenommen wurde, „gab es in fünf oder sechs Parlamenten fast gleichlautende Anfragen. Warum dieser Film dort läuft, inwieweit er gefördert worden ist vom jeweiligen Land und dann in der achten oder zehnten Frage ein Zitat aus früheren Liedern aus 2011 oder 2010, wo es darum geht, sich mit Bullen zu prügeln – mit der Frage, wie die Landesregierung zu diesem Zitat steht, und warum Filme von einer solchen Band innerhalb der Schulkinowochen gezeigt werden.“ (Die Anfragen aus Schleswig-Holstein und Thüringen).
Auch hier wieder „eine Art strukturelle Zensur“: Jede*r Abgeordnete kann kleine Anfragen an die Regierung stellen. Die hat dann vier Wochen Zeit, sie zu beantworten. Und dann müsse man sich anschauen, wie in der Folgezeit das Verhalten, zum Beispiel „im Bereich der Schulkinowochen ist, also ob bestimmte Filme in der Vorwegnahme einer möglichen Kritik vielleicht nicht mehr aufgenommen werden.“ Ob er selbst schon mal wegen einer Kritik direkt angegangen worden sei, wurde Hanns-Georg Rodek aus dem Publikum gefragt. „Selbstverständlich“, entgegnete er, „Jeder, der heutzutage in einer Zeitung etwas veröffentlicht, das nicht AfD-konform ist, kann damit rechnen, dass er zwischen 15 und 150 böse Kommentare bekommt. Darum darf man sich davon nicht so sehr beeinflussen lassen. Ich bin in einer Position, wo ich mir das leisten kann. Noch.“ Ein jüngeres Beispiel für die angekündigte „Entsiffung des Kulturbetriebs“ lieferte Ende September Ronald Gläser, Pressesprecher der Berliner AfD und stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus von Berlin. Bei der Haushaltsberatung habe er erfahren, dass die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) vom Land mit rund fünf Millionen Euro im Jahr finanziert werde, verkündete er in einem kurzen Internet-Video. Das sei nicht gerecht! Darum habe er beantragt, zehn Prozent der Mittel einzufrieren, „damit die DFFB sich darüber Gedanken machen kann, wie die Kosten gesenkt und ein kleines Studienentgelt eingeführt werden kann.“ Das sei nur fair!
Im Text zum Video argumentiert er streng marktwirtschaftlich: „Die Steuerzahler finanzieren hier einen Studienplatz, der vom Markt ebenso bereitgestellt werden könnte.“ 25.000 Euro müssten dort bezahlt werden, an der DFFB sei das Studium umsonst. „Wie kann das sein?“ empört sich Gläser, der an der Freien Universität in Berlin studiert hat – und zwar umsonst, denn Studiengebühren gibt es an keiner öffentlichen deutschen Hochschule, lediglich für ein Zweitstudium setzen fünf Länder pro Semester eine dreistellige Gebühr an. Berlin gehört nicht dazu. Auch die Freie Universität erhält übrigens jährliche Zuschüsse vom Staat, konsumtiv 340 Millionen Euro waren es zuletzt. Das Geld erhält sie, damit dort Menschen umsonst Wirtschaftswissenschaften studieren können, obwohl doch der Markt solche Studiengänge ebenso bereitstellt. Gläser hat einen Magister-Abschluss und kann flüssige Texte schreiben, also ist er sehr wahrscheinlich nicht dumm. Darum weiß er, dass er schlichtweg Unsinn erzählt. Doch mit seiner Argumentation trifft Gläser vermutlich den Nerv seiner Wähler. Zumal er an keiner Stelle auf Inhalt oder Qualität der Ausbildung an der DFFB eingeht, dafür aber in nur knapp mehr als zwei Minuten dreimal die Formulierung „rot-grünes Biotop“ einpflanzt. Beim vierten Mal ist daraus ein „roter Sumpf“ geworden. Neben falschen Fakten und Polemik findet Gläser auch Zeit für den dritten Teil der AfD-Rhetorik: sich im Angriff selbst als Opfer darzustellen und Vorurteile zu festigen: „Solche kleinen Anträge, die natürlich von den Parteien abgeschmettert werden, finden noch niemals den Weg in irgendeinen Zeitungsartikel“, klagt er. Hiermit sei er widerlegt. Und wo wir schon dabei sind: Das Video hätten die DFFB-Student*innen besser hinbekommen.
Es geht aber noch größer und aktueller: Im Bundestag hatte die AfD am 22. November einen Änderungsantrag gestellt. Überschrift: „Filmförderung neu denken – Haushaltsmittel bis zur Evaluierung einer neuen Richtlinie sperren. Das kann einige Zeit dauern. Und bis dahin soll vom BKM kein Geld mehr in die deutsche Filmförderung fließen. Das ist kein einmaliger Vorgang. Anträge, Filmmittel teilweise zu sperren, gab es auch in der Berliner Haushaltsdebatte“, erklärte Hilker. Zur Begründung zitiert der Antrag ausgiebig die Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Die hatte mit Blick auf das Kinojahr 2018 ein „Missverhältnis zwischen Investition und Ertrag“ festgestellt – oder anders: zwischen dem „massiven Ausbau der Filmförderung einerseits“ und der „Strahlkraft des deutschen Film andererseits.“ Grütters hatte darum einen Runden Tisch avisiert, bei dem es vor allem darum gehen sollte, wie die Filmförderung neu zu justieren sei. Nach Kenntnis der AfD sei das noch nicht geschehen, und solange verbiete sich ein Weiter-so in der Filmförderung. Da sei die Partei aber nicht ganz auf dem neuesten Stand, stellte Rodek richtig: „Es haben sogar schon drei Runde Tische stattgefunden. Es gibt noch kein endgültiges Ergebnis, aber das soll im nächsten Frühjahr vorliegen.“ Das sei aber eine reine Formalie, denn der AfD gehe es um etwas anderes, sagte Rodek: „Die AfD ist eine Meisterin in der Taktik, Dinge aufzugreifen, die nicht ganz falsch sind. Und sozusagen kam die Vorlage zu dieser Anfrage ja direkt von der Kulturstaatsministerin, die meiner Meinung nach vollkommen zu Recht festgestellt hat, dass die Gelder für die Filmförderung immer mehr ansteigen, dass aber die Besucherzahlen für die deutschen Filme, die damit gefördert werden sollen, eher nach unten gehen. Und, in der Tat, darüber muss man sich Gedanken machen. Aber das ist ein anderes Thema.“ Und vorerst erledigt: Der Änderungsantrag wurde fünf Tage später von den anderen Fraktionen in der Generalaussprache zum Bundeshaushalt abgelehnt.
Wie sollen die Filmschaffenden auf solche Angriffe reagieren?, fragte jemand aus dem Publikum. Protestieren wie in Hessen? Rodek riet zur aufmerksamen Gelassenheit. „Man muss nicht 1:1 auf solche Sachen permanent reagieren. Denn erstens werden sie ja nicht von heute auf morgen umgesetzt – es sind ja keine parlamentarischen Mehrheiten dafür da.“ Zweitens gehe es der AfD „ja gar nicht darum, hier eine effektivere Filmförderung zu machen, die funktioniert, sondern sie hat ja ein ganz anderes kulturelles Bild. […] Sie will eine andere Gesellschaft, und damit auch in diesem Bereich eine andere Kultur und einen anderen Film. Deswegen ist es schwierig, darauf überhaupt 1:1 zu diskutieren, denn wenn man das durchdiskutiert, dann ziehen sie sich zurück und sagen: ,Stimmt ja gar nicht, das muss man ja mal diskutieren können, das haben doch andere auch gesagt …‘“ Das große Problem sei, dass alle vier, fünf Jahre über die große Novelle der Filmförderung geredet werde, „und dann wird es wieder eine kleine.“ Die AfD könne denselben Antrag im nächsten Jahr erneut stellen. „Doch wie gefeit ist die Filmförderung selbst?“, fragte Neunzerling. Und bezog sich auf ein Gedankenspiel, das der Filmjournalist Rüdiger Suchsland im Oktober im „Filmdienst“ angestellt hatte: „Könnte Leni Riefenstahl, wenn sie heute noch leben würde, in Deutschland eigentlich erfolgreich Filmförderung beantragen? Was spräche prinzipiell dagegen, einen neuen Riefenstahl-Film zu finanzieren? Eine erfahrene Regisseurin, der man die ästhetisch-künstlerische Begabung nicht absprechen kann. Die international berühmt und preisgekrönt ist, mit großen handwerklichen Fähigkeiten und überdies gut vernetzt. Ein hohes Publikumsinteresse wäre zu erwarten, ebenso die Teilnahme an internationalen Filmfestivals.“ Er kenne natürlich nicht jeden Antrag, der bei der deutschen Filmförderung eingereicht wird, aber er würde „ein halbes Monatsgehalt darauf verwetten, dass es noch keinen rechten Antrag gegeben hat“, antwortete Rodek. Allerdings gebe es „mit Sicherheit keinerlei institutionellen Hindernisse, dass so etwas mal passieren könnte. Das halte ich jederzeit für möglich.“
Doch das Gedankenspiel, das als Provokation gegen die gegenwärtigen Förderkriterien gedacht war, ist gar nicht so fern der Wirklichkeit: Die Förderer haben zusammengelegt, um das deutsche Filmerbe zu bewahren. Jedes Jahr werden mit zehn Millionen Euro alte Filme restauriert, „was dringend notwendig ist“, berichtete Rodek. „Und dort gibt es jetzt eine Einreichung der Erben von Leni Riefenstahl, dass ihr Film ,Tiefland‘ doch bitte zur Restaurierung gefördert werden sollte.“ Und zwar mit 35.126 Euro. Für die Opern-Verfilmung „Tiefland“, die in Spanien spielt, wurden zwischen 1940 und 1944 „südländisch“ wirkende Sinti und Roma aus den Lagern als Statisten zwangsrekrutiert. Für viele bedeutete das Ende der Dreharbeiten die Deportation nach Auschwitz, wo die meisten ermordet wurden. Noch im Jahr vor ihrem Tod leugnete Riefenstahl das 2002 in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“: „Wir haben alle Zigeuner, die in ,Tiefland‘ mitgewirkt haben, nach Kriegsende wiedergesehen. Keinem einzigen ist etwas passiert.“ Später unterschrieb sie eine Unterlassungserklärung für diese Behauptung. Ihr Film wurde erst 1954 fertiggestellt – und veröffentlicht. Wie man letztlich mit dem Druck von Rechts umgehen soll, dafür hatte auch das Podium kein Rezept. Doch Hilker warnte: „Es sind ja führende Funktionäre, die ganz klar sagen, dass sie eine andere Gesellschaft wollen. Und die sagen, sie wollen die Demokratie dazu nutzen, diese andere Gesellschaft herzustellen. Wenn die mehrheitlich an der Macht sind, dann gelten bestimmte Grundrechte einfach nicht mehr für bestimmte Bevölkerungsgruppen oder Leute, die bestimmte Gene nicht haben. Wie geht man überhaupt mit so einer Partei um? Wie diskutiert man mit denen?“ Dass der Aufwärtstrend der AfD sich bundesweit fortsetzt, ist für Hilker nicht unvorstellbar – jedenfalls, wenn man die absoluten Zahlen ansieht. Die hat er auf dem Podium nicht korrekt parat, darum hier die Angaben des Bundeswahlleiters: 1.681.922 der Zweitstimmen hatte die AfD bei der Bundestagswahl 2017 in den Neuen Bundesländern insgesamt gewonnen. 916.300 waren es allein in Bayern, 928.425 in Nordrhein-Westfalen. „Warum soll es nicht auch unter Filmemacher*innen und Produzent*innen Leute geben, die diese Positionen teilen?“ fragte Hilker. „Und die dann irgendwann, oder auch schon bald, vielleicht Förderanträge in diese Richtung einreichen, wo wir dann die nächste Debatte haben.“
Bisher habe der Deutsche Film noch Glück, dass die AfD nicht in den Fördergremien sitzt und direkt mitreden kann. „Die Theater auf kommunaler Ebene haben das, die Jugendvereine haben das, da gibt es Stadtratsbeschlüsse, Kreisratsbeschlüsse, die Mittel zu kürzen. Dann fliegen plötzlich 20, 30 Prozent aus dem Etat. Und wenn die weg sind, sagt der nächste Förderer: ,Nein, mir fehlt das Geld, da muss ich mich leider zurückziehen.‘ Das heißt, wenn man an einer Stelle reinblitzt, kann man ein ganzes System plötzlich unter Druck bringen, weil ja nicht mehr ein Förderer den Film alleine bezahlt, sondern es sind ja mittlerweile viele. Ich muss bloß Angriffspunkte finden, wo ich reinkomme in einen bestimmten Bereich, und kann dann plötzlich viel mehr Druck in diesem System ausüben.“
Von Peter Hartig
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