Veit Helmer Steckbrief:
Veit Helmer ist 37 Jahre alt und lebt in Berlin. Der Autor-Regisseur-Produzent Veit Helmer drehte seinen ersten Film im Alter von 14 Jahren. Er studierte Film an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. Veit Helmer wurde erstmals dem Publikum bekannt mit seinen ungewöhnlichen Kurzfilmen. Er ist der Koautor des Spielfilms „Die Gebrüder Skladanowsky” (1995) unter der Regie von Wim Wenders. Veit Helmers erster Spielfilm „Tuvalu” (2000) wurde auf 62 Filmfestivals eingeladen. Sein zweiter Spielfilm „Tor zum Himmel" kam 2003 in die deutschen Kinos. Sein Dokumentarfilm „Behind the couch - Casting in Hollywood" feiert seine Weltpremiere im Oktober auf den Hofer Filmtagen 2005. Veit Helmer ist Mitglied der Europäischen Filmakademie seit August 2002. Er hat an verschiedenen Workshops des Media-Programms teilgenommen (EAVE, Equinoxe, Moonstone, Sources, Strategics, Film Business School). Veit Helmer hat an Filmschulen in Beirut, Tiflis, Djakarta, Taschkent und Bogota unterrichtet.
Was sind Momente in denen dir deine Arbeit richtig Spaß macht?
Momente, in denen ich gute Schauspieler habe. Wenn Schauspieler kommen, die nur vorgefertigte und auswendig gelernte Texte vorsprechen wollen, ist das wenig ergiebig oder anders gesagt: die interessieren mich nicht. Denen traue ich auch nicht zu, Hauptrollen zu spielen. Mich interessiert es, wie Schauspieler reagieren, wenn ich ihnen neue Aufgaben stelle. Wenn Schauspieler nicht improvisieren können, kommt halt keine Zusammenarbeit zustande. Manchmal denkt man, man hat einen starken Schauspieler vor sich, der dann aber nur einseitige Sachen kann und mit Regieanweisungen gar nicht klar kommt. Derjenige sagt zwar JA, und probiert es, macht aber im Endeffekt genau dasselbe wie vorher und meistens noch einen Schritt mehr in die falsche Richtung. Andererseits gibt es aber auch Schauspieler, die sind wie Instrumente. Denen kann man einen Ton anschlagen und den spielen sie dann auch. Darüber hinaus spielen sie noch einen Ton, den man gar nicht erwartet hat, der aber passt. Das sind die, die einen verblüffen. Die machen mich neugierig. Wenn mich jemand fragt, welche Schauspieler ich nehme, dann sage ich immer „Die, die mich vollkommen neugierig machen!“
Wann hast du deine Leidenschaft als Regisseur entdeckt?
Kino hat mich als Kind leidenschaftlich interessiert. Ich habe immer die Charly Chaplin Filme geliebt. Ich habe selber früher Theater gespielt und Pantomime gemacht. Die Rolle des Regisseurs war für mich immer die beste Rolle, weil er immer die Entscheidungen treffen konnte. Das schönste Erlebnis allerdings war der Film „Die amerikanische Nacht“. [La Nuit américaine / 1973] Da hat sich für mich eine neue Welt aufgetan! Ich habe zum ersten Mal begriffen, wie Filme eigentlich gemacht werden. Besonders fasziniert war ich von dieser eingefleischten Gruppe im Filmstudio! Diese verschworene Gruppe, die sich neu kennen lernen, um die Phantasien des Regisseurs umzusetzen und es dann gemeinsam schaffen, einen Traum Realität werden zu lassen. Im Film wird der Regisseur gefragt, welches Auto er morgen den Hang runter stürzen lassen will. Trotz der Ferraris will er lieber den Wagen des Studiodirektors haben. Dann stürzt halt am nächsten Tag der Wagen des Studiodirektors den Hang runter! Der Mann konnte in meinen Augen einfach Berge versetzen. Das wollte ich auch!
Wann war dir klar, dass Regie dein Beruf werden soll?
Mit 14 Jahren, als ich meinen ersten Film gedreht habe. Damals habe ich den halben Schulapparat, mit einbezogen, samt meiner Schwester, die damals noch Schauspielerin werden wollte. Ich habe kurzerhand das Büro des Schulleiters in das des Gefängnisdirektors verwandelt. Der Bahnhof in dessen Nähe ich früher gewohnt habe, war auf einmal Kansas City. Ich habe meiner Phantasie einfach freien Lauf gelassen. Ehrlich gesagt, waren meine ersten zwei, drei Filme wirklich grottenschlecht. Allerdings habe ich einen klaren Vorteil gegenüber Schauspielstudenten die ihre ersten Werke erst mit 21 Jahren drehen. Ich kann es unter Jugendsünden verbuchen. Mein dritter Film ging immerhin schon 54 Minuten. Er spielte 1948 und da hatten wir dann auch schon richtige Massenszenen und haben Verfolgungsjagden gefilmt. Mir hat es schon immer Spaß gemacht, Dinge in Bewegung zu setzen, die Organisation, Leute von etwas zu begeistern und zu etwas zu motivieren.
Vielfach bist du aber auch dein eigener Produzent! Lässt sich das künstlerisch immer vereinbaren?
Produzentenentscheidungen haben schon immer enorme künstlerische Auswirkungen auf mich gehabt: Wann, wo, mit wem, für wie viel, mit welchem Kopierwerk, und mit welchem Team drehe ich? Wenn ich das nicht selbst mache, suche ich gute ausführende Produzenten. Diese gibt es zum Glück ja auch! Das müssen dann Menschen sein, die meine Entscheidungen respektieren. Ich selbst habe aber auch schon ausschließlich den Posten des Produzenten übernommen. „Freudenhaus“ (2001) gehört zu den Filmen, die ich als Produzent mit Studenten gemacht habe. Oder verschiedene Kurzfilme für die ich in eine andere Stadt oder in ein anderes Land gehe, und dann mit 15 bis 20 Studenten innerhalb einer Woche einen 35 mm Kurzfilm drehe. Vornehmlich im Ausland, z.B. in Asien. Einmal habe ich das auch in Deutschland gemacht, in Wiesbaden,. Da sind schon tolle Kurzfilme entstanden die auf Arte gelaufen sind und Preise gewonnen haben.
Regisseur auf Rädern! Was bedeutet es für dich zu reisen?
Ich bin süchtig nach Reisen. Wenn ich zu lange in Berlin bin, gehe ich ein wie eine Primel. Ich habe einfach den Drang zu reisen, spazieren zu gehen, neues zu entdecken. Es ist eine Inspiration aber auch Teil meiner Arbeit. Ich konzipiere ja meine Projekte so, dass das Reisen Teil der Projektarbeit ist und das Kennen Lernen von anderen Kulturen und Schauspielern bereichert schließlich auch meine Filme.
Beschränkst du dich auf ein Thema, Genre?
Man kann schon im Rückblick sehen, dass die meistens meiner Filme Liebesgeschichten sind. Sie handeln von Menschen, die sich kennen und lieben lernen. Meine anderen Geschichten haben viel mit Einzelgängern und Außenseitern zu tun, die ihr Leben verändern. Wo jemand versucht, Träume probiert in die Tat umzusetzen.
Woher nimmst du die Themen für deine Filme? Was Inspiriert dich?
Ich habe erst zwei Langfilme gemacht und da waren es Orte, die mich fasziniert haben. Einmal war es ein altes Schwimmbad. Das hatte für mich einen magischen Zauber, der nie was für einen Kurzfilm gewesen wäre. Ein anderes Mal war es der Frankfurter Flughafen, der mich immer sehr fasziniert hat, in seiner Vielschichtigkeit und seiner Unendlichkeit. Ein Mikrokosmos den man nie ganz zu fassen bekommt. Jetzt habe ich aber erstmal keine Lust mehr, einen Film in einem Schwimmbad oder auf einem Flughafen zu drehen. Bei meinem aktuellen Spielfilm „Absurdistan“, den ich nach dem Dokumentarfilm „Behind the couch“ gedreht habe, war es ein Zeitungsartikel. Da habe ich gelesen, dass in einem türkischen Ort die Frauen streikten, weil die Männer das Wasserrohr nicht repariert haben. Dieser Konflikt birgt unglaublich viel Komik. Eine halbe Minute später hatte ich eigentlich schon das Grundgerüst für das Drehbuch im Kopf.
Du hast großen Respekt vor Casting Directors. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?
Casting Directors sind für mich wie ein Nadelöhr. Sie sichern mir meinen Erfolg. Sie stehen immer unter dem Vorwurf berühmte oder befreundete Schauspieler zu bevorzugen, was einfach Quatsch ist. Richtig ist dennoch, dass Sie eine Vorauswahl treffen, die sie mir anbieten. Eine der ersten Casting Directors, die ich kennen lernte, hatte ein kleines Büro. Sie ließ die Kisten mit den Bewerbungen gleich vor der Tür Die erste Auswahl wurde somit praktisch draußen neben den Mülltonnen getroffen und es wurden nur die mit rein genommen, die schon zur Endauswahl gehörten. Ich bekomme also nur die Schauspieler zu sehen, die mir meine Casting Directors weiter empfehlen. Dennoch bin ich interessiert, mich sehr frühzeitig einzuschalten. Bei „Absurdistan“ habe ich in über 20 Ländern mit Casting Directors gecastet. Ca. 2400 Schauspielern habe ich mir auf Video angesehen und etwa 250 kamen zum persönlichen Casting. Irgendwann habe ich, um mir selber ein Bild von einer Casting-Situation zu machen, schlichtweg bei einem Casting mitgemacht. Ich wollte einfach mal sehen, wie ein Casting Director seine Arbeit macht und wie meine Kollegen, die anderen Regisseure, casten.
Wie wichtig ist Bewerbungsmaterial wie Foto, Vita und Showreal für dich?
Fotos interessieren mich eigentlich nicht. Wenn ein Casting Director allerdings drauf besteht, weil so viele auf die Rollenbeschreibung passen und diese extra aus anderen Städten anreisen müssten, schaue ich mir natürlich auch erst Mal Fotos an. Ich bin auch kein Fan von Showreels. Ich warte lieber auf Demobandmaterial, wo die Schauspieler die konkreten Rollen vorsprechen. Ich entscheide mich also für Schauspieler aus der Auswahl, die der Casting Director mir vorgelegt hat und sage ihnen, sie sollen sich vorbereiten. Beim Treffen erkläre ich ihnen zuerst die Szene. Diese wird dann einmal geprobt und dann sage ich ihnen, was sie noch machen sollen. Es kann sein, dass geschrieen wird, ältere Schauspieler auch schon mal erotisch tanzen sollen, ohne sich auszuziehen, Bauchtanz machen, damit sie Selbstvertrauen und Vertrauen zu Ihrem Gegenüber erlangen. Ich muss sehen, was die Leute machen. Lassen sie sich auf mein Spiel und meine Verrücktheit ein, dann haben sie automatisch den ersten Test bestanden.
Es gibt wohl keinen Regisseur, der soviel mit Casting Directors weltweit gearbeitet hat. Magst du mal was über deine Erfahrungen in Osteuropa erzählen?
In den Filmstudios, ob Bulgarien oder Weiß-Russland, gab es vor Glasnost sehr geordnete und aktuelle Fotoarchive. Zum Teil hatten die auch Fotomaterial der Nachbarländer oder oft auch schon Material der Schauspielschulen. Heute sind die Archive veraltet. Da sind Leute zwischenzeitig gestorben, die jungen Männer haben ihre Haare verloren und sind dick. Deswegen braucht man einen Casting-Director. Und wenn es den nicht gibt, suche ich einen Regie-Assistenten, der mir hilft.
Wie wichtig ist es für dich, dass ein Schauspieler eine Ausbildung hat?
Bei jungen Schauspielern ist es ja nicht möglich eine Ausbildung zu haben. Aber mir ist aufgefallen, dass z.B. die jungen Schauspieler in Tschechien schon mit 15 eine staatlich geprüfte Schauspielausbildung haben. Ich bin keiner der auf die Strasse geht und nach verrückten Gesichtern sucht. Schauspieler haben sich diesen Beruf ausgesucht und wissen was auf sie zukommt. Im Winter eine Szene im Unterrock zu spielen und im Sommer mit Pelzmantel zehn Stunden am Strand zu stehen, ohne zu murren, das muss schon gelernt sein. Die wissen auch zu gut, dass Schauspielerei nur 0,01 % was mit über den roten Teppich gehen zu tun hat. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sind für mich sehr wichtig. Ein Schauspieler, der bei mir zum Casting zu spät kommt, hat seine Chance vertan. Das hab ich auch noch nie erlebt, dass der dann noch ein guter Schauspieler wird.
Du hast neben München ja auch an der Ernst Busch zu DDR-Zeiten studiert. Wie wurde dort gecastet oder besser gesagt besetzt?
Damals zu DDR-Zeiten war es uns verboten mit Schauspielschülern zu arbeiten. Wir durften nur mit ausgebildeten Schauspielern zusammen arbeiten. Wir sind in Theater gegangen und haben die Schauspieler gefragt.
Welche Casting-Erfahrungen hast du in Indien gemacht?
Für „Gate to Heaven“ aus dem Jahr 2004 habe ich in Indien gecastet und eine indische Hauptdarstellerin gefunden. Bei den jungen Frauen in Bombay trifft man zuerst den Agenten und dann die Eltern. Wenn man Glück hat darf man dann das junge Starlet treffen!
Wie überzeugst du Schauspieler, dass Sie bei einem Projekt von dir mitmachen?
Als Produzent kannst du den Schauspielern ja erstmal Angebote machen! Meine Budgets sind nie so voluminös, dass jeder Schauspieler gleich in die Hände klatscht. Dennoch haben die Schauspieler die Courage nach Aserbaidschan zu fahren. Dort habe ich gerade den Film „Absurdistan“ gedreht, wo es keine 5 Sterne Hotels gibt und wir zum Teil bei den Bauern übernachtet haben und die Gage nur einem Bruchteil einer normalen Gage entspricht. Aber dann weiß ich auch, dass die Schauspieler die sich auf dieses Abenteuer einlassen, die sind, die mich nicht im Stich lassen, die den Stoff lieben und für ihre Arbeit sterben. Das waren immer Schauspieler die mir die Arbeit zwar nicht einfach gemacht haben, weil sie viele eigene Vorstellungen von Ihrer Rolle hatten, die aber ihr letztes Hemd für das Schauspiel geben würden.
Vielen lieben Dank, Veit!
Der im Rahmen eines Stipendiums an der Villa Aurora entstandene preisgekrönte Dokumentarfilm „Behind the Couch - Casting in Hollywood" von Veit Helmer ist als einer von 11 Beiträgen für das bundesweite Filmfestival „Über Arbeiten" ausgewählt. Das Festival zu Arbeit, Wirtschaft und Globalisierung startet am 2. November in Berlin und wandert durch ganz Deutschland. Innerhalb eines halben Jahres wird das Festival mit mehr als 1000 Veranstaltungen in über 80 Städten zu Gast sein. Das Festival ist eine Veranstaltung der Aktion Mensch und ihrer Kooperationspartner im Rahmen des Gesellschafter-Projektes "In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?".
Veranstaltungsorte und weitere Termine finden Sie unter:
http://diegesellschafter.de/filmfestival
Vorab ein kleiner visueller Vorgeschmack als PDF:
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Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von "casting-network. Das Branchenportal". Mehr zu ihrer Person finden sie in der unter der Rubrik: Über uns.
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