Steckbrief
Daniel Philippen, aufgewachsen in Aachen, Studium der Neuen Geschichte, Literatur-, Musik- und Theaterwissenschaft. Danach Dramaturg am Theater in der Josefstadt in Wien, am Theater Hannover und am Bayerischen Staatsschauspiel. Parallel hierzu Arbeiten mit freien Schauspielgruppen: u.a. Performance Review Committe (PRC) und Beinhardt Ensemble. Außerdem Producer der Neuen Deu- tschen Filmgesellschaft (ndF) und bei der die film gmbh und Dramaturg. Seit 2001 Arbeitsvermittler für Film und Fernsehschauspieler in der ZAV Künstlerver- mittlung München.
Die ZAV Künstlervermittlung gibt es seit über sechzig Jahren. Sie ist eine Institution der Bundesagentur für Arbeit und vermittelt Künstler aller darstellenden Berufe, so auch Film- und Fernsehschauspieler und auch alle „Gewerke" hinter der Kamera. Wie es auf der Website heißt, kommen Film-Vermittler selbst aus der Filmbranche, verfügen über ein engmaschiges Beziehungsnetzwerk und begleiten ihre „Kunden" in den Niederlassungen Berlin, Hamburg, Köln und München mitunter ein ganzes Berufsleben lang. Die Vermittlung ist provisionsunabhängig. 2015 hat allein die ZAV Film/Fernsehen in München Schauspielgagen über rund 3,8 Millionen Euro aus annähend 500 Vermittlungen mit circa 2.000 Drehtagen vermittelt. Über die Ver- mittlung hinaus ist Berufsberatung ein wichtiges Arbeitsfeld. Dem widmet sich Vermittler Daniel Philippen mit einem besonderen Progamm für die Ausbildung junger Schauspieler: der Ausbildungsoffensive16/20.
Du hast dieses Jahr in der ZAV Künstlervermittlung ein neues Programm ins Leben gerufen: die Ausbildungsoffensive. Was kann man sich darunter vorstellen?
Die Ausbildungsoffensive ist ein Workshop-Angebot der ZAV Künstlervermittlung Film-Fernsehen für alle Studentinnen und Studenten der staatlichen Hochschulen und Akademien für Darstellende Kunst. Die Film- und Fernsehbranche ist selbst für Profis ab und zu gerne mal unübersichtlich. Die Fragen angehender Schauspieler sind daher vielfältig: Wie bewerbe ich mich? Wie gehe ich mit Datenbanken um? Wer entscheidet über mich? Wie bereite ich mich auf einen Dreh vor? Was wird von mir erwartet und wer erwartet mich am Drehort? Was soll ich und, mysteriöser noch, muss ich eigentlich nicht machen? Wie betreibe ich effizientes Marketing in eigener Sache? Und mit den ersten Film-Engagements kommen auch wieder Fragen: Steuern, Sozialversicherung, Krankenkasse, Pensionskasse, KSK, GVL, SGB III, Rente, Gagen, Rechte und Verträge. Zugegeben, das muss angehende Schauspieler noch nicht brennend bis ins Detail interessieren – aber ausweichen wird man diesen weniger künstlerischen Themen nicht können. Schauspielerei ist ein Beruf, mit dem man sein Leben meistern können soll. Auf Amerikanisch: How to make a living. Nicht schlecht, wenn sich in der Ausbildung schon klären lässt, wo es langgehen könnte und wo Hilfe zu finden ist.
Wie entstand die Idee zu diesem „Workshop-Angebot“?
Berufsberatung und Vermittlung sind tragende Säulen unserer Arbeit in der ZAV. So weit, so gut. Doch wir können uns auf unseren institutionellen Status allein nicht verlassen, sondern müssen immer wieder raus mit Serviceangeboten. Die Ausbildungsoffensive ist ein solches Angebot. Die Zeit ist günstig. Es hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Ausbildung nicht allein auf die Bühne fokussiert sein kann, du musst später als Schauspieler mehrere Pfeile im Köcher haben. Und nicht wenige Ausbildungsinstitute haben die schwierige Umstellung von Diplom- auf Masterstudiengänge genutzt, um gleichzeitig auch ihre Lehrpläne in ideellem Sinne zu reformieren – mit sehr professionellen Angeboten im Filmbereich. Hier kön- nen wir mit unserem Know-how prima ansetzen.
Was ist das Ziel der Ausbildungsoffensive?
Wir wollen den Blick der jungen Schauspieler erweitern, so dass sie ein Gefühl für die Zusammenhänge der gesamten Branche entwickeln. Es gab ja immer schon vereinzelte Workshops mit Experten aus der Branche. Das ist als Ergänzung total sinnvoll und spannend. Uns ist aber der Allround-Blick auf die Branche wichtig. Dazu gehört auch, dass die Studenten erkennen, dass sie bestimmte Rechte haben, dass ihnen Leistungen des Staates zustehen – übrigens auch unsere als Künstlervermittlung. Wir wollen den selbstbewussten Schauspieler, der nicht auf andere angewiesen ist. Wir wollen nicht erst dann Orientierung bieten, wenn sich nach dem Diplom die Fragen türmen, und der Weg zu uns erst mühsam gefunden werden muss. Wir wollen auf Stu- denten zugehen, begleitend, schon von Beginn an. Deshalb machen wir ihnen ein Angebot.
Wie läuft das Ganze ab?
Wir bieten über das Studium verteilt aufeinander aufbauende Module an, mehrstündige Workshops, die Schauspielern aller Semester freistehen zu besuchen. Positiver Nebeneffekt dieser Workshops ist, dass die Studenten uns kennenlernen und schon frühzeitig wissen, an wen sie sich in allen Fragen bezüglich der Film- und Fernsehbranche wenden können – auch dann noch, wenn das Studium beendet ist und erste Engagements auf der Bühne oder vor der Kamera warten.
Studenten dürfen also schon sehr früh an der Ausbildungsoffensive teilnehmen?
Ja! Wir wollen so früh wie möglich anfangen. Zunächst dachte ich, manche Inhalte sind für die ganz jungen Studenten uninteressant, etwa Renten-, Versicherungs- und Vertragsfragen. Aber im Gegenteil. Genau diese „trockenen Themen“ werden besonders nachgefragt. Und von Lehrerseite heißt es: „Das ist ein Beruf – das können die nicht früh genug erfahren.“ Da hat sich also auch etwas im Bewusstsein verändert.
Welche Universitäten bzw. Hochschulen nutzen dieses Angebot bisher?
Bis jetzt die Musik und Kunstuniversität Wien, die Universitäten Linz und Graz, die Akademie Ludwigsburg, BTA München, die Folkwang Universität der Künste, die Hochschulen in Hannover und Hamburg und die UdK Berlin – übrigens auch die Musicalklassen. Das sind eben jene Institute, die sich auch neu aufgestellt haben. Bei anderen stellen wir uns gerade vor. Wir sind ja noch am Anfang.
Warum sind private Schauspielschulen und ihre Schüler ausgeschlossen?
Wir sind eine staatliche Behörde und somit ist das vorgestellte Programm auch beschränkt auf die staatlichen Schauspielschulen und damit ausgerichtet auf jene Studenten, die einen Master-Abschluss ablegen werden.
Wäre ein solches Angebot nicht auch für ältere, gestandene Schauspieler wichtig?
Total. Die meisten sind ja in Bezug auf den Filmberuf Autodidakten, beziehen ihr Wissen vom Hören-Sagen und aus Erlebtem. Nichtwissen ist das Feld für Vorurteile, Bevormundung, Minderwertigkeitskomplexe. Da gerät man leicht in die Passivitäts- und Resignationsfalle und es kostet viel Geld, auf das man Anspruch gehabt hätte. Deshalb ist uns die Berufsberatung so wichtig. Jeder kann diese in Anspruch nehmen. Und rausgehen soll er kenntnisreicher und damit freier, selbstbewusster und motivierter. Darüber hinaus würde ich gerne neue Möglichkeiten zum gegenseitigen Austausch in der ZAV einführen: so eine Art regelmäß- igen ZAV „Konvent“, wo unserer Schauspieler Themen einbringen können. Auch Online müssen wir uns in diese Richtung be- wegen.
Welchen Nutzen verspricht sich die ZAV?
Wir können uns im Vermittlungsalltag auf die individuellen Fragen und die jeweilige berufliche Situation der Schauspieler konzentrieren, weil das Grundwissen bereits vorhanden ist. Man muss sich außerdem immer wieder selbst auf den neuesten Stand bringen. Und nicht zuletzt lernen wir auch von den Studenten: Wie und was denken die über Film, Theater, Kunst, das Leben. Aktuell ist eine wahnsinnig computeraffine Generation am Start. Dieser Zeitgeist zeigt sich ja auch im permanenten digitalen Wandel der Datenbanken. Hier muss man dranbleiben, um mithalten zu können als Berater und auch als Vermittler. Diese Verantwortung habe ich übrigens auch gegenüber meinem eigenen Arbeitgeber: der Bundesagentur für Arbeit. Die muss sich darauf verlassen können, dass öffentliche Mittel passgenau eingesetzt werden, um den Einstieg junger Schauspieler in den sogenannten Ersten Arbeitsmarkt „Theater, Film und Fernsehen“ zu fördern.
Du bist ja außerdem so etwas wie der „Vater“ des Self-Made-Shorty. Wie kam es dazu?
Das ist der glamouröse Teil der Arbeit, dem liegt aber auch ein konkretes Vermittlungsanliegen zu Grunde. Ich wollte uns alle aus der lähmenden Mystifizierung des Showreels befreien. Mein Gott, das ist lediglich ein Hilfsmittel fürs Besetzen, und dabei geht es um die Person, nicht ums Showreel selbst, also: Mach’ es persönlich, mach’ es selbst, selfmade eben! Selbstgemachte Showreels gab es übrigens durchaus schon, aber diejenigen, die sie gemacht haben, haben selbst nicht daran geglaubt. Irgendwann ist mir dann der Kragen geplatzt, und ich hab gesagt: „So, das Ding ist klasse, das ist sexy, das ziehen wir jetzt mal ganz groß auf. Auf die Kinoleinwand damit und dann wird gefeiert!“ Mittlerweile ist das Shorty etabliert als Besetzungswerkzeug fernab des Festivals, und Schauspieler werden darüber besetzt.
Für die bisherigen Gewinner bedeuteten SMS einen nicht unerheblichen Karriere-Boost. Wie erklärst Du Dir den Erfolg dieses Projektes?
Wir machen doch alle den Beruf, weil wir mit Menschen, mit Künstlern, zu tun haben wollen. Das ist auch schauspielervideos & crew united wichtig, mit denen wir das ja mittlerweile zusammen aufziehen. Wir wollen doch alle in der Branche mit Leuten umgehen, die was zu sagen oder im besten Sinne etwas Merkwürdiges haben. Über ein Self Made Shorty kann man solche Leute entdecken und möchte sie näher kennenlernen. Man kann damit Vorschläge hervorragend kommunizieren. Es macht einfach Spaß, vor allem übrigens Regisseuren, ein Shorty anzuschauen und es mit anderen zu teilen. So kommt man dann ins Gespräch und wird besetzt. Das habe ich nun schon oft erlebt. Eigentlich war das, egal in welchem Beruf, immer mein Ziel: jemandes Fähigkeiten erkennen, diese anderen vermitteln und so, jemanden in Arbeit bringen. Darum heißt es ja auf der Visitenkarte schlicht, einfach und treffend: „Künstlervermittlung“ und in der E-Mail: Daniel.Philippen@arbeitsagentur.de
Hast Du schon Informationen zu den SMS 2017?
2017 machen wir wieder ein SMS-Festival und verbinden noch den crew call von crew united damit: Filmfest, SMS, Party – ein Dreiklang an einem Tag und die ZAV mit ihren Klienten – denen vor und hinter der Kamera: Schauspieler und Stab/Technik mittendrin. Das wird ein Hot Spot beim Filmfest München, auf den ich mich jetzt schon freue. Das Thema geben wir im Frühjahr bekannt.
Unser outtakes-Beitrag zu den Self Made Shorties 2015: www.out-takes.de
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