Steckbrief Dr. Ulrich Spies
Geboren 1947 in Weidenau/Sieg, studierte Sozialwissenschaften an der Georg-August-Universität in Göttingen und schloss 1974 mit dem Diplom-Sozialwirt ab. Nach dem Studium: Promotion zum Doktor der Staatswissenschaften an der Freien Universität Berlin. In den Jahren 1977/78 arbeitete er im Institut für Management und Verwaltung des Wissenschaftszentrums Berlin. Anschließend war er Geschäftsführer der Intersofo GmbH (Gesellschaft für interdisziplinäre Sozialforschung), bevor er 1981 zum Grimme-Institut wechselte und dort seitdem das Referat Grimme-Preis verantwortet. Parallel veröffentlicht er zahlreiche Schriftbeiträge für Verlage und Presse und hält Vorträge an Universitäten und Filmhochschulen. Er ist Gründungsmitglied des Internationalen Kinder- und Jugendfilmfestivals und des Schülerfilmfestival in Marl. Dr. Ulrich Spies ist Mitglied der Deutschen Akademie der darstellen- den Künste, der Deutschen Akademie für Fernsehen und Geschäftsführer des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises e.V.
Sie können es sicher nicht mehr hören, aber vorweg die Frage: Sind Sie persönlich ein Fan vom „Dschungelcamp”?
Definitiv NEIN!
Nach 32 Jahren Verantwortung für den Grimme-Preis: Wie hat sich die Film- und Fernsehlandschaft im Laufe der Zeit aus Ihrer Sicht verändert?
Bis etwa Mitte der 1980er Jahre gab es nur das öffentlich-rechtliche Fernsehen von ARD und ZDF. Seit der Zulassung von Privatsendern hat sich das zu beobachtende Programm vervielfacht, durch veränderte Distribution (Kabel, Satellit, Internet u.a.) sind Pay-TV und weitere Spartensender dazu gekommen. Das bedeutet eine Steigerung der potentiell in Frage kommenden Programme, Mehraufwand für die Vorauswahl- und Nominierungsarbeit und mehr Wettbewerb mit einer kontinuierlich gestiegenen Anzahl von inzwischen über 130 Film-, TV- und Medienpreisen in Deutschland.
Was ist für Sie das Besondere am Grimme-Preis?
Das Besondere ist seine Unabhängigkeit: Nach der Konstituierung sind die jeweiligen Nominierungskommissionen und Jurys frei in ihren Entscheidungen. Der Veranstalter hat selbst keine Stimme, moderiert den Diskussions- und Preisvergabeprozess und sorgt für die Einhaltung der im Statut vorgegebenen Wettbewerbsbedingungen. Es gibt nur ein in den Statuten verankertes Generalkriterium, das als Richtschnur oder Maßstab dient: Mit einem Grimme-Preis werden Sendungen, Serien und Fernsehleistungen ausgezeichnet, die die spezifischen Möglichkeiten des Mediums Fernsehen auf hervorragende Weise nutzen und die nach Inhalt oder Form Vorbild für die Fernsehleistung/Praxis sein können.
Die Jurys, in denen Kritiker und Publizisten, Medienwissenschaftler und Bildungsfachleute zusammenwirken, bringen darüber hinaus, durch ihre jeweiligen Professionen, auch unterschiedliche Hintergründe mit ein. Dieser komplexe, im Diskurs sich immer weiterentwickelnde, Prozess verändert sich von Jahr zu Jahr, wie sich auch das Fernsehen von Jahr zu Jahr verändert. So kommt es nie zum Stillstand.
Was sind Ihre zentralen Aufgaben beim Grimme-Preis?
Verantwortlicher Leiter des Grimme-Preises zu sein ist kein Lehrberuf. Wichtigste Voraussetzung, die man mitbringen muss, ist die Liebe zum Fernsehen und die Überzeugung, dass dieses, in großen Teilen öffentlich-rechtlich verfasste, Medium letztlich uns allen gehört. Denn die Gebührenzahler sind es, die mit den von ihnen zur Verfügung gestellten gut siebeneinhalb Milliarden Euro dafür sorgen, dass die in den Sendern Beschäftigten und die von den Sendern beauftragten Kreativen das Programm gestalten können. Ein Programm, so hat es der Gesetzgeber einmal vorgegeben, das die Zuschauer aller Altersgruppen bilden, informieren und unterhalten soll. Von diesem Selbstverständnis ausgehend ist es meine Aufgabe, das laufende Programm eines TV-Jahres, in allen Sparten und Genres zu beobachten, um letztendlich Sendungen oder Fernsehleistungen zu entdecken, die nach Inhalt und Methode Vorbild für die Fernsehpraxis sein können. Diese „Entdeckungen” werden, differenziert nach den Kategorien: „Fiktion”, „Information & Kultur” und „Unterhaltung”, je drei auf Vorschlag, von uns berufenen Nominierungskommissionen und Jurys (TV-Kritiker, Publizisten, Medienwissenschaftler und Bildungsfachleute) in einem mehrwöchigen Sichtungsprozess präsentiert. Ihre Aufgabe ist es, am Ende zwölf Grimme-Preise zu vergeben: fünf in der Kategorie „Fiktion”, fünf in der Kategorie „Information & Kultur” und zwei in der Kategorie „Unterhaltung”.
Was passiert nach der alljährlichen Preisvergabe?
Geht alles wieder von Neuem los oder gibt es das Jahr über weiterführende Projekte?
Für mich ist klar, dass die Vergabe eines solchen Preises nie Selbstzweck sein darf, etwa dergestalt: Einmal im Jahr findet die Preisverleihung statt, dann arbeitet man wieder ein Jahr auf die nächste Runde zu und in der Zwischenzeit passiert nichts. Ich bin der Meinung, dass all diese Produktionen, die Qualitätsfernsehen „at it’s best” sind, auch weiter wirken und gefördert werden müssen. Sie sind schließlich überwiegend mit unseren Gebührengeldern bezahlt worden und verdienen mehr, als in den Archiven auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.
Stichwort „Nachhaltigkeit”?
Genau! Filmemacher und ihre Arbeiten müssen weiter präsent bleiben. Das unterstützen wir beispielsweise, indem wir mit einzelnen Filmen auf Tournee gehen, sie wiederholt zeigen, Diskussionen anstoßen, um auf diese Weise den Zuschauern die Möglichkeit zu geben, hinter die Kulissen des Fernsehens zu schauen, zu erfahren wie so etwas hergestellt wird und, auf der anderen Seite, die Grimme-Preisträger mit dem Publikum in Berührung zu bringen. Denn für Fernsehmacher ist der Kontakt zum Publikum eher selten. Filmemacher die fürs Kino arbeiten haben mehr Verbindung zum Publikum. Deswegen sind insbesondere die Dokumentarfilmer glücklich, wenn sie mal die Möglichkeit zu einem Austausch haben. Man engagiert sich also dafür, das mit diesen herausragenden Perlen noch was geschieht. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten.
Diese Aktivitäten bringen auch die Teilnahme an vielen Festivals mit sich...
In erster Linie bin ich dort unterwegs, wo es eine Verbindungen zum Thema „Fernsehen“ gibt. Festivals sind in der Regel Filmfestivals. Da viele Kinofilme in Deutschland sehr häufig nur mit zusätzlichen Fernsehmitteln realisiert werden können, vermischt sich das. Es gibt einige Festivals die ich regelmäßig besuche, wie die Berlinale, das Filmfest München, das Filmfestival Emden und Norderney und das Filmfest Hof. Mit ganz gezieltem Interesse, um mir Premieren und Programme anzusehen, die auch später im Grimme-Kontext relevant werden könnten. Man gewinnt durch Gespräche mit verantwortlichen Redakteuren, Produzenten, Autoren, Regisseuren und Schauspielern vor Ort einen hintergründigen Einblick in das Zustandekommen eines Films oder einer TV-Produktion.
Beim Fernsehfestival Baden-Baden sind Sie meines Wissens auch involviert…
Ja, das Fernsehfestival Baden-Baden ist ein sehr besonderes: Es vergibt den „Preis der Deutschen Akademie der darstellenden Künste“, der ich ebenfalls angehöre. Die dortige Jury konzentriert sich ausschließlich auf Fernsehfilme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die durch die Nominierung der öffentlich-rechtlichen und privaten Sender in den Wettbewerb kommen. Gleichzeitig sind auch die Akademie-Mitglieder vorschlagsberechtigt, die nach einem Vorauswahl- verfahren im Rundentscheid einige Beiträge nominieren, die dann in den Wettbewerb kommen. Das Wesentliche dieses Wettbewerbs besteht darin, dass alle Filme gezeigt und im Anschluss diskutiert werden. Die nominierten Autoren, Regisseure und Macher sind anwesend und haben im Anschluss an die Präsentation ihres Films Gelegenheit zur Diskussion mit der Jury und dem Publikum. Die finalen Preisentscheidungen finden in geheimer Beratung statt. Die Jurymitglieder sind von daher absolut souverän und autonom in ihrer Auswahl. In Baden-Baden gibt es auch keinerlei Interessen von außen, denn es ist in erster Linie die Akademie mit ihrem Qualitätsanspruch und der von ihr berufenen Jury von Professionellen, die ihre Auszeichnungen vergeben.
Sie haben auch das Internationale Kinder- und Jugendfilmfest Marl mitgegründet.
Wie kam es dazu und was beinhaltet diese Initiative?
Ich bin der Meinung, dass gerade die nachwachsenden Generationen es verdienen, frühzeitig darüber informiert zu werden, wie man im Umgang mit Medien Gutes von Schlechtem unterscheiden kann. Beim Kinder- und Jugendfestival haben SchülerInnen von weiterführenden Schulen und Sonderschulen die Möglichkeit, ihre Filmprojekte einzureichen und sie dann mit Fachleuten zu diskutieren. Am Ende winkt ein Preis mit dem Titel „Marl goes Babelsberg”. Der Preis besteht darin den jungen Leuten mit film- und fernsehkünstlerischen Interessen einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen. Wir laden sie ein zum Besuch der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf in Potsdam, besichtigen den Rundfunk Berlin Brandenburg, besuchen Studio Babelsberg und den Filmfundus der Ufa und werfen einen Blick in die Produktion „Gute Zeiten, schlechte Zeiten”, um auch ein gängiges Erfolgsformat eines Privatsenders zu erwähnen. Abgerundet wird das Programm durch einen Besuch des Fernsehmuseums in der Deutschen Kinemathek am Potsdamer Platz. Die SchülerInnen, die mit diesem Preis im Gepäck wieder nach Hause fahren, erhalten dadurch vielfältige Einblicke in die technischen und künstlerischen Voraussetzungen der Produktion von Film und Fernsehen. „Marl goes Babelsberg” ist so gesehen weitaus wertvoller als ein mit 500,00 oder 1.000,00 Euro dotierter Geldpreis. Spätestens an dieser Stelle sind auch meine Partner Detlef Ziegert und Ute Mühlenberg zu erwähnen: Wir drei haben das Schülerfilmfestival als Gemeinschaftsleitung aus der Taufe gehoben. Diese medienkulturelle Errungenschaft ist nur durch den Einsatz von unentgeltlich eingebrachten Branchenkontakten und Vertrauen, das über die Jahre behutsam aufgebaut worden ist, möglich geworden.
Der Bereich „Nachwuchsförderung” liegt Ihnen also besonders am Herzen…
Allerdings. Es gibt auch noch das Festival in Emden und Norderney, wo ich seit 2005 die ehrenvolle Aufgabe habe, für den dort vergebenen „Drehbuchpreis”, eine Fach-Jury aus Grimme-Preisträgern zusammenzustellen. Ihre Aufgabe ist es, aus ca. 80 bis 100 Drehbüchern für abendfüllende Film- oder Fernsehfilme einen Hauptpreis zu ermitteln, der mit 10.000,00 Euro dotiert ist. Im achten Jahr nach Auslobung dieses Drehbuchpreises sind mittlerweile mehr als 80% der nominierten und prämierten Bücher verfilmt worden - eine sehr hohe Quote also. Für mich ist diese Beschäftigung mit Drehbüchern deshalb so interessant und spannend, weil ich einen Film von der anderen Seite kennen lerne. Denn beim Grimme-Preis beschäftige ich mich mit der Beurteilung von fertigen Filmen, Serien oder Formaten, während beim Drehbuchpreis über einen Stoff entschieden wird, der noch zu einem Film entwickelt werden will. Das macht besonders viel Spaß. Es bleibt trotz langer Berufserfahrung also ein lebenslanges Lernen, man lässt nie nach und versucht, immer wieder neue Felder zu erschließen.
Zum Thema Preise: In welchem Verhältnis steht der Deutsche Fernsehpreis zum Grimme-Preis?
Der Deutsche Fernsehpreis ist ein Konkurrent, ansonsten gibt es keine Beziehungen und kein, wie auch immer geartetes, Verhältnis zwischen den beiden Preisen. In den ersten Jahren nach der Gründung des Deutschen Fernsehpreises — ein Zusammenschluss von „Telestar” und „Goldener Löwe” — gab es eine Zeit der kritischen Beobachtung und die Befürchtung, dem Grimme-Preis könne, durch das vielfach höhere Budget des Fernsehpreises und der vorgeblichen Orientierung an Qualität als alleinigem Preisvergabemaßstab, der Rang abgelaufen werden. Diese Gefahr ist auch nach übereinstimmender Branchenmeinung nicht gegeben.
Welche Entwicklung beobachten Sie persönlich im Qualitätsangebot von Fernsehproduktionen?
Das Qualitätsangebot — vor allem bei den öffentlich-rechtlichen Sendern — ist nach wie vor hoch. Es wird allerdings immer schwieriger zu erkennen, wodurch sich das Gute bis Herausragende vom Konventionellen unterscheidet. So gesehen wäre es fahrlässig, nach der Grimme-Preis Auszeichnung von zwölf herausragenden Sendungen, Serien oder Formaten, zu glauben, das deutsche Fernsehen wäre insgesamt das Beste der Welt.
Im Zeitalter sinkender Budgets und zunehmendem Quotendruck fragten wir Redakteure was Ihnen wichtiger sei,
„eine gute Quote oder ein Grimme-Preis“. Was glauben Sie, wie die Antworten ausfielen?
In der Tendenz werden viele geantwortet haben, ihnen sei die Quote wichtiger als eine Auszeichnung mit dem Grimme-Preis.
Ja, so war es. Und wie schätzen Sie den Stellenwert für Filmemacher ein?
Georg Feil, Grimme-Preisträger und langjähriger Produzent bei der Bavaria, hat diese Frage einmal so beantwortet: „Wer noch keinen hat, der will ihn und wer schon alle anderen hat, will ihn erst recht: den Grimme-Preis!“ Doch trotz der unbestritten großen Aura, die der Preis in der Branche und in der öffentlichen Wertschätzung verbreitet, bringt sein Besitz nicht nur Vorteile mit sich. Es gab und gibt auch Filmemacher, die bei der Beantragung eines neuen TV-Vorhabens beim Sender den Auftrag nicht erhielten, weil ihr finanzieller und formaler Anspruch als zu hoch unterstellt wurde. Und Helmut Thoma, Begründer und langjähriger Geschäftsführer des erfolgreichen Privatsenders RTL, hat einmal gesagt: „Wenn eine unserer Sendungen einen Grimme-Preis kriegt, dann müssen wir etwas falsch gemacht haben.“
Welche Programme schauen Sie selbst am liebsten und wie sähe für Sie das „ideale Fernsehen” aus?
Neben Nachrichten und Sport sehe ich am liebsten gut gemachte Dokumentationen, die zur Erweiterung des eigenen Horizonts beitragen. Im Bereich der Fiktion schätze ich besonders: anspruchsvoll gemachte, überzeugend gespielte und glaubhaft erzählte Filme, die etwas mit sozialen Lagen von Menschen und gesellschaftlichen Realitäten zu tun haben. Dazu können und dürfen auch Krimis zählen. Das große Feld der Unterhaltung ist eher nicht mein Ding - dafür sorge ich im Privaten lieber selbst.
Was war Ihr persönlicher Lieblingsfilm oder ihre Lieblingsserie 2012?
Es gibt zwei Lieblingsfilme und einen Lieblingsmehrteiler. Film 1: „Der letzte schöne Tag” von Dorothee Schön, unter der Regie von Johannes Fabrick, mit Wotan Wilke Möhring in der Hauptrolle. Darin geht es um den Selbstmord einer jungen Mutter von zwei Kindern und die Situation des allein zurückgelassenen Vaters, für den nach diesem Schicksalsschlag nichts mehr so ist, wie es vorher einmal war. Film 2: „Das unsichtbare Mädchen” von den Autoren Friedrich Ani und Ina Jung, unter der Regie des zehnfachen Grimme-Preisträgers Dominik Graf. Dieser Film beruht auf einem Kriminalfall aus dem Jahr 2001. Ein Mädchen ist spurlos verschwunden. Verdächtigt, und nach einem spektakulären Indizienprozess verurteilt, wurde ein junger geistig Behinderter, der bis heute für die vermeintlich von ihm verübte Tat im Gefängnis sitzt — und das, obwohl die Leiche des Mädchens nie gefunden wurde. Im Mehrteiler „Der Turm” geht es am Beispiel des Mikrokosmos einer Familie um die allmähliche Auflösung der DDR. Es handelt sich um die Verfilmung eines 800 Seiten Romans von Uwe Tellkamp unter der Regie von Christian Schwochow, dargestellt, neben Jan Josef Liefers und Claudia Michelsen, von einer bis in die kleinste Nebenrolle brilliant besetzten Schauspielriege.
Fällt im Fach „Information & Kultur” aus Ihrer Sicht das Angebot im öffentlich-rechtlichen Fernsehen deckend aus?
Es gibt genügend gute und herausragende Dokumentationen, das ist eine Programmsorte im öffentlich-rechtlichen TV, die im Durchschnitt von der Qualität noch mit am höchsten ist. Aber, und jetzt kommt sofort die Einschränkung, sie sind immer schwieriger zu finden. Sie werden gelegentlich – um nicht zu sagen sehr häufig - zu einer Zeit ausgestrahlt, wo normale oder werktätige Zuschauer sich schon ins Bett verabschiedet haben.
Ich erinnere an „die story: Gazprom” von Hubert Seipel. Eine investigative Dokumentation über die wunderbare Männerfreundschaft zwischen Gerhard Schröder und Vladimir Putin, die das wechselseitige Verhältnis zwischen Politik und Geschäft beleuchtet und einen hohen Erkenntniswert vermittelt. Der normale Zuschauer würde darüber vielleicht auch gerne mitreden, hat jedoch nicht die Möglichkeit, weil solche Dokus von den Anstalten nicht zur prime-time sondern erst spätabends gesendet werden.
Sind Ihnen ehrliche Begründungen der Redaktionen und Programmmacher dazu bekannt?
Ich stehe im ständigen Kontakt und Austausch mit Redakteuren und Produzenten. Über die Platzierung einer Sendung im Programm wird in den Anstalten von eigens damit beauftragten Abteilungen entschieden. Von Leuten, die sich in erster Linie nur an Einschaltquoten, Reichweiten und Marktanteilen orientieren und festen Glaubens sind zu wissen, was der allgemeine Zuschauer zu welcher Zeit sehen möchte und was eben nicht. Diese Platzierungspraktiken unterlaufen dabei häufig das Engagement von Redakteuren, die mit viel Herzblut ein Thema oder ein Filmprojekt durchgeboxt haben, damit es überhaupt realisiert werden konnte. Oder es kommt bei an sich relativ gut platzierten Sendungen zu Verschiebungen nach hinten, weil irgendein sportliches Ereignis ein vermeintlich größeres Zuschauerinteresse beansprucht.
Stichwort Herzblut:
Wären Sie manchmal gern selber Filmemacher geworden? Wenn ja, was wäre Ihre Lieblingssparte?
Wenn man im Laufe seines Berufslebens so viel Programm gesehen und beurteilt hat, ist man geneigt zu glauben, man könne es selber besser machen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass solche Seitenwechsel nicht automatisch von Erfolg gekrönt sind. Meine persönliche Leidenschaft gehört dem Dokumentarfilm.
Zum 50. Jubiläum des Grimme Preises steht auch Ihr „Ruhestand” an.
Kann für Sie bei all den Aktivitäten von „Ruhe” überhaupt die Rede sein?
Ich werde, so Gott will und ich gesund bleibe, nach der 50. Grimme-Preisverleihung ausscheiden. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich mich sang- und klanglos zurückziehe. Im Gegenteil: Ich werde mich auch in Zukunft auf Festivals herumtreiben, Vorträge halten und mich weiter um die Dinge kümmern, die ich selbst mit auf den Weg gebracht habe. Denn ich sehe es als Verpflichtung an, Erfahrungen und Kenntnisse, die ich in dieser einzigartigen Position als Verantwortlicher des wichtigsten deutschen Fernsehpreises machen durfte, so lange wie möglich an nachgewachsene Generationen weiterzugeben. Daneben bleibt hoffentlich immer noch genug Zeit für die Familie — insbesondere die beiden Enkelkinder — und das Reisen. Es gibt so viele Orte auf der Welt, die ich gern noch sehen möchte. Also insofern kein Ruhestand, sondern eher ein umtriebiger „Unruhestand” (lacht).
NOCH 5 PERSÖNLICHE FRAGEN AN DR. ULRICH SPIES...
Wo sind Sie aufgewachsen und was hat Ihre Jugend geprägt?
Ich bin in Marl aufgewachsen und wurde geprägt durch ein extrem vielfältiges Kultur- und Bildungsangebot, das für eine neunzigtausend Einwohner zählende Stadt mehr als vorbildlich war.
Welche Menschen, denen sie begegnet sind, haben Sie privat und beruflich am meisten beeinflusst?
Albert Schweitzer und Willy Brandt.
Welche historische oder lebende Persönlichkeit würden Sie gerne mal treffen und warum?
Michail Gorbatschow – weil ich gern wüsste was er wirklich denkt und fühlt.
Was möchten Sie in diesem Leben oder, vorausgesetzt es gäbe ein solches, in einem nächsten Leben noch tun?
Einmal die Welt aus dem Orbit betrachten.
Ihr Lebensmotto lautet?
Stets positiv denken.
Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!
Historie zum Grimme Preis:
Der Preis wurde 1961 auf Initiative von Bert Donnepp vom Deutschen Volkshochschul-Verband gestiftet. Er ist benannt nach Adolf Grimme, dem ersten Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR), dem, nach einer Phase der Kontrolle durch die Alliierten, als erstem deutschen Sender 1947 das Recht übertragen wurde, einen freien Rundfunk in einer demokratischen Gesellschaft zu veranstalten. Er wird seit 1964 alljährlich, mit einer Ausnahme (1976), in Marl vergeben und gilt als bedeutendste Auszeichnung für Fernsehqualität in Deutschland.
Die Verleihung des diesjährigen Grimme Preises wird am 12. April 2013 um 22:35 Uhr auf 3sat ausgestrahlt.
Mehr dazu auch im cn-kalender.
Offizielle Website des Grimme-Preises:
www.grimme-institut.de
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www.out-takes.de
Elmira Rafizadeh ist 1981 in Teheran geboren und im Alter von fünf Jahren mit ihrer Familie in die BRD immigriert. Heute lebt sie in Köln und arbeitet als Schauspielerin und Journalistin.
Sie ist regelmäßig in Film- und TV-Produktionen sowie am Theater zu sehen. Parallel publiziert sie brachenspezifische Artikel, Filmkritiken und zahlreiche Interviews mit Experten.
Sie ist Patin und engagiertes Mitglied beim Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS). Seit dem Frühjahr 2011 absolviert Elmira ein zusätzliches Fernstudium an der „Hochschule für Musik und Theater Hamburg” im Fachbereich „Kultur- und Medienmanagement” (Bachelor) und bloggt für uns auf out takes | Dem Blog der Film- und Fernsehbranche.
Vertreten wird Elmira Rafizadeh durch die Agentur Thomas Wernicke (VdA).
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