Steckbrief Daniela Tolkien
Im Rahmen der Cologne Conference wurde Daniela Tolkien
in diesem Jahr mit dem Deutschen Casting-Preis ausgezeichnet. Seit 1997 (mit einer Pause zwischen 2004 und 2008) wird bei der Cologne Conference, dem Internationalen Fernseh- und Filmfest Köln, ein Preis für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Besetzungstätigkeit im Spielfilm verliehen. In Fachkreisen gilt dieser heute mit 10.000 Euro dotierte Preis als Lola unter den Auszeichnungen für die Casting-Branche. Im Gegensatz zur Deutschen Filmakademie – die bedauerlicherweise keine Casting Directors in die Akademie aufnimmt – wird beim Deutschen Casting-Preis die kreative Leistung honoriert:
»Daniela Tolkien, die im letzten Jahr mit überraschenden, eigenwilligen und gelungenen Entscheidungen Film- und Fernseh-produktionen wie „Wickie auf großer Fahrt”, „Offroad”, „Das Haus der Krokodile” oder „Polizeiruf 110: Denn sie wissen nicht, was sie tun” mitgestaltete, erhielt dieses Jahr auf der Cologne Conference den Casting-Preis 2012. Mit einem guten Gespür für vielversprechende Newcomer und einem originellen Blick auf die Rollenprofile etablierter Darsteller hat die Casterin, mit eigener Schauspielerfahrung, von der turbulenten Action-Komödie über das Familienabenteuer und die Krimireihe bis zur Live-Action-Verfilmung einer Animations-Kultserie, immer wieder überraschende Besetzungen zusammengestellt.« (Jurybegründung)
Wir sprachen mit Ihr über Ihren Beruf, aber auch mal ganz persönlich über sie als Mensch.
Was war für Sie Ihr wichtigster Film?
Mein wichtigster Film war eigentlich mein erster Film: „Vergiss Amerika” von Vanessa Jopp.
Welche Erinnerungen haben Sie noch an dieses erste Projekt, welches im Jahr 2000 erschien?
Gab es zum Beispiel einen Credit?
Ja! Es gab einen Credit im Vorspann. „Vergiss Amerika” war deshalb so wichtig, weil er so wahnsinnig viele Türen geöffnet hat: Der Film war toll geworden und hat für Vanessa quasi die Eintrittskarte in die Filmwelt bedeutet und somit für mich irgendwie auch. Die erste Arbeit gleich so hinzulegen, war wirklich gut und hat den restlichen Weg auch ziemlich erleichtert.
Bei Ihrer Dankesrede zum Casting-Preis sagten Sie, dass diese Auszeichnung Ihnen unheimlich gut tut.
Was genau hat der Preis bei Ihnen ausgelöst und wer hat Ihnen die freudige Botschaft überbracht?
Das stimmt und fing damit an, dass an einem Montagmorgen – um schätzungsweise zehn Uhr – ein Anruf kam:
„Hier Herr Disch von der Cologne Conference!“ Da habe ich schon gedacht: „Oh Gott! Das gibt’s ja nicht! Das kann doch nicht wahr sein?“ Dann hab ich sofort laut gejubelt, so dass mein Gesprächspartner später sagte: „Das war der lustigste Anruf, den er seit langem gemacht hat.“ Als er mir dann unheimlich viele Fakten mitteilte, hab ich ihn gebeten, dass er jetzt mal aufhören soll, weil ich sowieso nichts verstehe, von dem was er mir gerade sagt. Da war die Freude schon riesig! Ich war ehrlich überrascht darüber, dass der Preis mir so eine Freude bereitet, weil ich das Gefühl hatte, ich mache meine Arbeit und ich bekomme dafür auch meistens gutes Feedback, doch den Preis zu bekommen, hat sich dann doch nochmal ganz anders angefühlt: Eine offizielle Anerkennung für die Arbeit, die man sich macht: Wie Nahrung war das!
Der Preis war somit nochmal eine Bestätigung innerhalb der Branche aus dem Mikrokosmos heraus und somit eine Anerkennung des Makrokosmos?
Ja, so eine Preisverleihung, bei der man gleichzeitig mit so tollen Regisseuren wie Michael Winterbotton oder François Ozon ausgezeichnet wird, ist schon was Feines!
Der Deutsche Casting-Preis ist hierzulande der einzige Preis, der die Arbeit des Casting Directors ehrt – in den USA gibt es zwar keinen Oscar, aber den Emmy, der die kreative Dienstleistung des Castings honoriert – woran liegt das Ihrer Meinung nach?
In den USA gibt es ja nicht nur den Emmy, wie ich gerade entdeckt habe, sondern noch eine ganze Palette an Casting-Awards, die von der Casting Society of America vergeben werden: Angefangen beim Streetcasting für Serien bis hin zum Hauptcasting von Kinofilmen. Unser Beruf hat hierzulande nicht die Aufmerksamkeit, da das Berufsbild noch relativ jung ist, obwohl es Besetzung in Deutschland schon sehr lange gibt. Ich glaube, dass es sehr gut war 2003 unseren Casting-Verband zu gründen, um überhaupt mal unser Berufsbild zu klären. Wenn man überlegt, dass es erst seit wenigen Jahren so ist, dass regelmäßig im Vor- oder im Abspann der Casting Director steht, ist das ja alles relativ neu. Ich glaube, da ist noch viel möglich. Auf der anderen Seite haben wir als Caster nicht die Lobby und den Glamoureffekt wie ein Regisseur oder ein Schauspieler. Diese haben natürlich einen anderen Bekanntheitsgrad und für die Veranstalter der Preisverleihungen ist es ja wichtig, dass die Fotografen auch gerne alle kommen und in der Presse darüber berichtet wird.
Was verstehen Sie persönlich unter Casting?
Casting bedeutet für mich, das Drehbuch zum Leben zu erwecken und somit durch die Auswahl der Schauspieler der Geschichte die Richtung zu geben, die der Regisseur erzählen möchte.
Hierzu sagten Sie einmal im Rahmen eines Interviews der Deutschen Filmakademie:
„Casting ist ein bisschen wie ein Kunstwerk malen. Die Materialien und Farben müssen stimmen.”
Ja das stimmt! Ich verstehe meinen Beruf sehr stark auf diese Weise: Ich lese ein Buch und es entsteht in mir eine Fantasie. Es kommen dann aber noch viele, viele Faktoren zu meiner Fantasie hinzu. Ein Schauspieler denkt oft: „Ja, das hat jetzt die gespielt, aber ich kann das mindestens genauso gut!“ Aber in meiner Funktion muss ich weiterdenken und mich fragen, wer erfüllt neben der puren Verkörperung der Geschichte beispielsweise noch die Kriterien des Senders und des Formats: Ist es eine Komödie, eine Tragödie oder ein Debütfilm? Bei einem Debütfilm brauche ich zum Beispiel einen Schauspieler, bei dem ich weiß, dass er selbstständig arbeiten kann und offen ist für einen jungen Regisseur. Trotzdem aber auch sein Handwerk so gut versteht, dass er sich halt auch selber retten kann, wenn der junge Regisseur hilflos ist. Bei einem anderen Regisseur, der sehr psychologisch und beispielsweise mit Familienaufstellungen in der Probephase arbeitet, muss ich einen Schauspieler vorschlagen, der da mitzieht. Ich muss ja alles überlegt haben, um dann zu sagen, dieser Schauspieler ist es, der in allen Punkten übereinstimmt, mit dem, was die Anforderungen sind. Das ist auf ganz vielen Ebenen so, auch dass ich weiß, okay, diesem Schauspieler kann ich die Größe der Rolle zutrauen oder den Schwierigkeitsgrad kriegt er hin. Da hat er eine Chance zu wachsen. Oder ich weiß, der Schauspieler ist in einer Krise, der braucht gerade wirklich das Geld. Der freut sich dann auch, wenn er eine Rolle spielt, die ihn gerade nicht wachsen lässt, wo er aber einfach abliefern kann und sein Geld bekommt. Es ist ganz wichtig, dass ich das Gefühl hab, zu wissen, wo der Schauspieler gerade steht. Das sind die Farben und das Material für meine Arbeit und das Interessante für mich beim Casting. Und natürlich nicht: „Ah, der und der Schauspieler ist gerade bekannt, dann nehmen wir den doch dafür. Egal, ob er passt oder nicht.“ Die Qualität unseres Berufes liegt darin, dass wir sehr genau erkennen, was der eine braucht und der andere im Gegenzug anbieten kann.
Erkennen Sie einen Film daran, wer dort das Casting gemacht hat;
sprich gibt es eine wiederzuerkennende Casting-Handschrift?
Ja! Ich sehe sehr oft ganz deutlich eine Handschrift. Mir ist es zum Beispiel so mit einer Kollegin gegangen: Das war Ulrike Müller, ich hatte drei unterschiedliche Filme von ihr hintereinander gesehen und gedacht: „Das gibt es ja nicht, das ist ja total interessant und spannend! Beim Schauen des Films habe ich so deutlich eine Handschrift gelesen. Dieser Film muss wieder von dieser Casterin sein und so war es dann auch. Ich finde, dass man das schon sieht und das soll man auch sehen, weil wir schlussendlich ja auch unsere Farbe dazugeben.
Caster sitzen ja auch wie Schauspieler im gleichen Boot, indem sie gerne mal schubladenartig festgelegt werden. Hierzulande gibt es Caster, die sind erst mal festangestellt und werden somit durch ihre Produktionsfirma an bestimmte Formate gebunden. Auf der anderen Seite gibt es sehr viele freie Caster, die als Freelancer irgendwo anfangen und wie ein Schauspieler schnell in eine Schublade gesteckt werden. Unabhängig von dieser Etikettierung ist es für viele wichtig, Auftraggeber zu halten, aufzubauen und durch Erfolge und Kontakte ihr Repertoire zu erweitern. Gibt es vielleicht auch ein Genre oder ein Format, was Sie noch nicht gecastet haben oder gerne einmal machen würden, was sich bisher noch nicht so ergab?
Nee! Ich habe ja ein Gemischtwarenladen und bin vielfältig unterwegs. Ich würde niemals nur Arthouse-Filme oder Serien casten wollen, das würde mich schnell langweilen. Ich lebe und liebe Abwechslung und ich mag es gerne, mich in ein Format rein zu arbeiten. Von Anfang an habe ich meine Projekte nach folgenden Kriterien ausgewählt: Was ist an diesem Projekt dran und was kann ich Neues lernen. Das kann auch ein Horrorfilm – auch wenn ich das noch nicht gemacht habe – oder auch ein pornografisch angehauchter Film sein. Generell finde ich es dann spannend zu schauen, welche Schauspieler sich dafür interessieren, und wer dafür offen ist. Somit habe ich schon sehr viele Formate gemacht. Das Einzige, was ich noch nicht gecastet habe, sind Telenovelas oder Daily Soaps. Vor dieser Art des Castings habe ich absolut Respekt. Das ist richtig viel Arbeit. Hier muss man ganz viel neu entdecken, aussuchen und kennenlernen. Das ist eine ganz eigene Disziplin und die ist nicht ohne.
Der Beruf der Besetzung hat in Deutschland eine lange Tradition, die bis in die 20er Jahre reicht.
Doch erst in den 80er Jahren – allen voran durch das Casting-Stammmutter-Trio An Dorthe Braker, der verstorbenen Risa Kes und Sabine Schroth aus München – wurde hier wieder neu angeknüpft. Sie sind nun seit 1999 als selbstständiger/freiberuflicher Casting Director dabei. Was hat sich in dieser mehr als zehnjährigen Zeitspanne sowie positiv als auch negativ verändert?
Das ist natürlich wahnsinnig viel, was sich verändert. Früher gab es Schauspielerkataloge, die einmal im Jahr für wahnsinnig viel Geld von den Agenturen hergestellt worden sind. Was der Schauspieler aktuell danach in dem Jahr gemacht hatte, fehlte. Denn so ein Katalog war unflexibel und musste ein Jahr halten. Alles was dazwischen passierte war Grauzone, die mühsam erfragt werden musste. Diese Kataloge sind letztendlich das Bild für das, was sich verändert hat. Es gab ja auch noch kein Internet oder anders gesagt, hat man sich nicht ständig Mails geschrieben. Das lief alles noch per Fax und Telefon. Wir hatten ganze Räume gemietet für schätzungsweise 17.000 VHS Bänder, die dann später in tagelanger Arbeit als Sondermüll entsorgt werden mussten. Darauf folgte fünf Jahre lang das Ganze als DVD-Sammlung. Auch von denen haben wir uns kürzlich verabschiedet. Inzwischen ist alles onlinr zu finden und geht somit viel schneller. Jetzt haben wir wahnsinnig viele Quadratmeter an Platz gespart und konnten unsere Büros zusammen legen. Das Schlechte daran, was sich hier wirklich verändert hat und ich ganz schwierig finde, ist die veränderte Kommunikation: Wenn man zu mehreren – also mit dem Regisseur, Produzenten und eventuell auch Redakteur – zusammen sitzt und über Schauspielervorschläge diskutiert, entstand immer etwas Drittes. Und dieses Dritte, das war schlichtweg der Film oder die Idee vom Film, die entstanden ist. Durch unsere schnelllebige Zeit – indem man eben die Vorschlagslisten einfach per Mail verschickt – entsteht dieses Dritte nicht mehr. Das heißt, der eine sitzt in Bochum und hat sich gerade mit seiner Frau gestritten und guckt dann aus dieser Situation heraus die Bänder. Der Nächste hat gerade überhaupt keine Zeit und sitzt im Flieger und guckt sich das schnell mal an und eigentlich nicht wirklich zu Ende. Der Dritte hat ganz viel Zeit und schaut dementsprechend ganz genau hin. Das ist Vereinzelung und dieses Gemeinsame, was eigentlich die Vision für den Film ist, hat keinen Platz mehr. Die Zeit nimmt sich irgendwie keiner mehr, und das finde ich sehr, sehr schade. Ich versuche diese Entwicklung in meinem kleinen Bereich immer wieder aufzuhalten. Da ist es dann auch mal ganz wichtig, die Ellbogen auszufahren und zu sagen: „Wir brauchen aber mal die Zeit!“ Denn künstlerische Prozesse können nur so entstehen und reifen. Früher hat man das Casting-Band verschickt und dann war noch zwei, drei Tage Zeit, darüber zu schlafen. Inzwischen stellt man es online und jeder guckt das Casting sofort an. Da ist überhaupt kein Moment, wo der Entscheidungsprozess auch mal ruhen und reifen kann… Dadurch entsteht eine Oberflächlichkeit, eine Schnelligkeit, was ich sehr schade finde. Insgesamt sage ich aber auch, dass nicht alles schlechter geworden ist. Durch die Möglichkeiten, die man jetzt beispielsweise mit dem i-Phone hat, Filme zu drehen – oder durch das eCasting wird unheimlich viel Kreativität freigesetzt. Schauspieler wissen heute, dass sie in Bewegung bleiben müssen und somit ständig auch ihr Bewerbungsmaterial – allen voran ihre Bänder.
Eine Schauspieleragentin fragte vor kurzem einen ihrer Schauspieler, was ein Casting Director wohl bei einem Filmprojekt verdient. Die Antwort war 30.000 Euro. Ohne hier Zahlen wissen zu wollen, ist es kein Geheimnis, dass ein Casting Director weitaus weniger verdient. Wie kann man ein Projekt als Casting Director überhaupt kalkulieren?
Gibt es wie in den USA Wochengagen oder kalkuliert man nur nach Projekt?
Ich kenne eine Kollegin, die Wochengagen in Rechnung stellt - allerdings auch international arbeitet - das klappt auch gut. Ich finde das auch interessant, kann es mir aber hierzulande nicht vorstellen. Ich werde in jedem Fall pro Film bezahlt. Mein Steuerberater hat mich mal gefragt, wie viel Geld ich brauche und wie viel ich für einen Film bekomme. Da ist mir dann so richtig klar geworden, dass ich das eigentlich gar nicht schaffen kann. Soviel Filme kann ich zeitlich gar nicht unter einen Hut bringen. Da bin ich dann von meinem Wunschgehalt deutlich abgerückt... Ich übertreibe jetzt ein wenig, aber es ist wirklich so, dass die Bezahlung schwierig ist. Wir müssen daher immer mehrere Projekte gleichzeitig bearbeiten und die Bezahlung hierfür wird eher weniger als mehr. Die Produktionsfirmen bekommen immer weniger Geld vom Sender fürs Produzieren. Da bleibt es natürlich auch nicht aus, dass wir gebeten werden, für weniger Geld zu casten. Diese Gage beinhaltet ja auch die Gage meiner Assistentin und meine sonstigen Unkosten, wie beispielsweise Büro und Telefon. Rechnet man mal aus, was am Ende übrig bleibt, dann ist das eigentlich erschreckend. Also ich finde Casting ist ein richtiger Frauenjob, in dem Sinn, dass wir als Frauen uns immer noch nicht trauen zu sagen: „Ich brauche das Geld, um adäquat leben zu können, um meinen Beruf hier gut ausüben zu können“, sondern: „Nee! Danke schön, ja toll, ich krieg das schon hin!“ Und, dass wir als Frauen dieses Standing immer noch nicht haben. Es ist wie in allen anderen Berufen: Frauen verdienen weniger als Männer. Bei uns gibt es ja nur ein paar Männer und soweit ich das beurteilen kann, verhandeln die auch hier besser. Wir können viel von ihnen lernen. Ich finde es schon interessant, dass in unserem Verband nur eine Hand voll Männer sind, aber schätzungsweise 30 Frauen. Und dennoch sitzen zwei Männer im Vorstand (beide lachen).
Warum herrscht so viel Unwissenheit innerhalb der Branche über andere Berufe innerhalb der Filmgewerke.
Gerade Agenten - Schauspieler - Caster bilden ein sehr enges Netz. Wie kann es daher sein, dass ein Schauspieler darauf kommt, dass ein Casting Director so viel verdient?
Das muss man in diesem Fall dann wohl eher als Kompliment werten. Ich denke das hat bei den Schauspielern mit der inneren Bewertung des Stellenwertes für Casting Directors zu tun. Für sie sind wir wichtig, also sind wir viel wert! Aber ich glaube, allzu viel Gedanken machen sich Schauspieler auch nicht über uns.
Ist es denn für die Vita eines Schauspielers interessant zu wissen, von wem er für ein bestimmtes Projekt gecastet wurde?
Für die Vita ist es auf jeden Fall auch interessant, denn da gibt es schon einige Kollegen von mir, die sich sehr dafür interessieren. Ich finde es aber für den Schauspieler wichtig, dass er den Menschen gegenüber aufmerksam ist, die sich viele Gedanken über ihn gemacht haben und ihm die Möglichkeit zu arbeiten gegeben haben.
Sie sind – wie bereits erwähnt – selber Mitglied im Bundesverband Casting (BVC) und sogar Gründungsmitglied!
Was kann und was möchte eine solche Initiative, Berufsgenossenschaft, Berufsgemeinschaft bewirken?
Der Castingverband hat schon ganz viel bewirkt. Ich bin sehr froh, dass wir das damals gemacht haben, weil es tatsächlich so war, dass jeder von uns halt alleine geschwommen ist und keine Ahnung hatte: Was muss ich eigentlich noch bedienen von den Forderungen? Muss ich jetzt auch noch Drehbücher schicken? Durch die Gründung des Verbandes haben wir unser Berufsbild erstmalig definiert, mit allen Rechten und Pflichten. Durch den Verband treten wir in Erscheinung, zeigen uns nach außen hin geschlossen und stärken uns gegenseitig total, indem wir uns austauschen. Bei unseren Treffen, die wir zweimal im Jahr haben, merkt man: Ich bin nicht alleine mit dem Problem, die anderen haben das auch. Wir versuchen natürlich schon, eine Offenheit zu pflegen, die letztendlich natürlich auch begrenzt ist, aber wir sind immer im Dialog, und ich glaube halt total daran, dass Menschen, die sich austauschen, viel bewirken können! Ich weiß, dass wir schon sehr viel erreicht haben wie z.B. Titel-Nennungen und die Tatsache, dass auch immer mehr Sender Casting in ihre Kalkulationen einplanen.
Was ist der Unterschied zwischen Superstar-Casting und Ihrer Arbeit als Casting Director?
Eine Sache ist natürlich gleich: Das Talent zu sehen. Ich muss gestehen, dass ich mir Talent-Shows gerne ansehe und hier auch meine Kinder nerve, weil ich immer schon weiß, wer gewinnen wird. Das sind halt meine Erfahrungswerte. Da ist der gleiche Kern gesetzt. Ansonsten hat das überhaupt nichts miteinander zu tun. Unsere Arbeit ist nicht, irgendwelche Sternchen für einen Moment leuchten zu lassen.
Dieses „Show-Casting“ der Superstars hört ja eigentlich da auf, wo ihre Arbeit beginnt. Hat das Casting in Ihrem Bereich nicht vielmehr das Ziel, Schauspieler aufzubauen, damit sie länger auf dem Markt bleiben?
Ich glaube, dass wir gar nicht den Ehrgeiz haben, allen voran neue Leute zu entdecken. Ich freu mich natürlich, wenn ich ein neues Talent wahrnehme. Ob ich dann die Erste bin, die das sieht oder die Dritte, ist mir ehrlich gesagt ziemlich wurscht. Ich freue mich über jemanden, der Talent hat und dass ich ihn dann unterstützen kann, dass er sich irgendwie auf den richtigen Weg macht. Aber eigentlich verstehe ich meinen Beruf nicht darin, irgendwelche tollen Entdeckungen zu machen und dann Leute hochzujubeln. Ich verstehe meinen Beruf vielmehr so, die bestmögliche Besetzung für ein Drehbuch zu finden und mich nicht wegen einer Entdeckung im Glück zu suhlen.
NOCH 12 FRAGEN AN FRAU TOLKIEN PERSÖNLICH...
Wo sind Sie aufgewachsen?
Ich bin in Hamburg aufgewachsen, am Stadtrand in einem kleinen Haus mit großem Garten.
Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?
Zunächst war ich Schauspielerin. Schon in der Schulzeit bin ich in jede Theater AG in meiner Umgebung gegangen und hab dort mitgespielt. Das war irgendwie mein Leben, obwohl ich niemanden in der Familie hatte, der mir da irgendwas vorgegeben hätte. Theater war einfach meins. Dann hab ich eine Schauspielausbildung gemacht und als Schauspielerin gearbeitet. Als ich dann früh meine erste Tochter bekommen habe, war ich doch sehr stark an München gebunden. Dort habe ich dann über zehn Jahre die Schauspielseminare des amerikanischen Schauspielerlehrers John Costopoulos vom Actors Studio NY veranstaltet, die extrem erfolgreich waren. Durch die Beteiligung der HFF München an den Kursen habe ich damals sehr viele Regiestudenten und Schauspielschüler kennen gelernt. Parallel habe ich weiterhin als Schauspielerin gearbeitet. Eigentlich ist Schauspielerei der schönste Beruf der Welt. Wäre da nicht dieses Klinken putzen und sich selber verkaufen müssen. Dennoch habe ich mir gesagt: „Nein! Irgendwie ist das nicht meine Aufgabe im Leben!“ So habe ich mich entschieden, Filme zu besetzen und das hat sich von Anfang so angefühlt als hätte ich meinen Zug auf das richtige Gleis gesetzt. Ein „Ruck“ und dann bin ich einfach gefahren und seitdem fahre ich und ich bin total glücklich, dass ich diesen Beruf ausübe. Da bin ich am richtigen Platz!
Was hat Ihre Jugend geprägt?
Eigentlich hat meine Jugend die Abwesenheit meines Vaters geprägt.
Wer sind die wichtigsten Menschen, die Ihnen im Leben begegnet sind?
Ich habe immer schon Menschen kennen gelernt, von denen ich wahnsinnig viel lernen durfte. Einer der wohl wichtigsten Menschen ist hier sicherlich der bereits erwähnte amerikanische Schauspiellehrer John Costopoulos. Bei ihm habe ich als Schauspielerin über zehn Jahre lang alles für dieses Handwerk lernen dürfen. Auch meinen jetzigen Beruf als Casting Director habe ich von ihm gelernt und zwar Talent zu sehen. Anhand der Beobachtung, was er Schauspielern gesagt hat und welche Szenen er ihnen gegeben hat, habe ich gelernt, in welche Richtung sich ein Talent entwickeln kann bzw. man es lenken kann. Der Regisseur Friedemann Fromm ist auch einer von den Menschen, die ganz wichtig in meinem Leben sind. Wir kennen uns nun seit mehr als 25 Jahren: Er war auf der Filmhochschule, als ich die Schauspielausbildung gemacht habe. Ich habe in seinen Übungsfilmen und auch vielen anderen seiner Filme mit gespielt. Als ich sagte, dass ich Casting machen möchte, hat er gesagt: „Das glaub ich dir!“ Sofort bat er mich seinen nächsten Film mit zu casten. An Dorthe Braker, die eigentlich die Besetzung machte, aber aus Zeitgründen nur die Hauptfiguren besetzen konnte, zog sofort mit: „Ja gut! Die kann das!“ Die beiden haben mir sofort so viel zugestanden. Mit An Dorthe teile ich mir nun seit mehr als zehn Jahren ein Büro. Alle die drei genannten haben eins gemeinsam: Sie haben sich gefreut, mir etwas von ihrer Erfahrung zu schenken. Das versuche ich nun auch weiterzugeben, wenn ich einem jüngeren Menschen begegne, wo ich das Gefühl hab, der ist auch interessiert an dem, was ich mache.
Was bewegt Sie?
Diese bereits erwähnte „Vereinzelung“ in unserer Internetwelt: Schnell, schnell – Alles muss schnell gehen! Ich wünsche mir, dass man wieder mehr Gemeinsamkeiten findet. Die Möglichkeit hat, diese auch gemeinsam zu erleben und sich nicht immer weiter zu vereinzeln. Der Einfluss durch das Internet wie facebook etc. ist enorm. Das sehe ich täglich bei meinen Kindern. Ich finde das Besorgnis erregend. Hier müssen wir mit viel Aufmerksamkeit hinsehen, damit wir uns nicht total verlieren.
Wann haben Sie sich zum ersten Mal verliebt?
Meine erste große Liebe war Mireille Mathieu! Da war ich acht Jahre alt...
Woran glauben Sie?
Ich glaube an Begegnungen.
Schicksalsbedingt? Oder..?
Schicksalsbedingt auch, aber ich glaube, dass wir auch viel selber ermöglichen und verhindern können. Ich meine, dass wir jedes Zusammenkommen mit anderen Menschen dazu nutzen sollten uns wirklich zu begegnen und aneinander zu wachsen. ich bin überzeugt, dass wir hier sind um zu lernen und das können wir so gut, wenn wir uns aufeinander einlassen.
Was ist für Sie Heimat?
Da meine Eltern unterschiedlicher Nationalitäten sind habe ich mir über Heimat schon viele Gedanken gemacht, so wie wahrscheinlich alle "Mischlingskinder". Als ich sehr jung war, habe ich die Heimat in der Nationalität vermutet, aber heute empfinde ich Heimat am Ehesten als den Ort, an dem ich mit Menschen zusammen bin, die das Gleiche bewegt wie mich.
Mir sagte mal jemand, dass Heimat da ist, wo man später mal beerdigt werden möchte.
Ich bin ja in Hamburg aufgewachsen, aber bin jetzt auch genauso lange schon in München. Örtlich gesehen fühle ich mich eher heimatlos. Und beerdigt werden möchte ich sowieso als Asche im Meer!
Was ist das Beste, das Ihnen bisher passiert ist?
Die Antwort auf diese Frage sind natürlich meine Kinder. Das denkt aber wohl jeder, der welche hat. Kinder geben einem einfach so viel und man beginnt in einer Dimension zu lieben, die man zuvor so nicht kannte. Durch meine drei Kinder durfte ich vom Bruchrechnen bis zum Französischdiktat alles nochmal wieder auffrischen. Wenn das nicht jung hält!
Was mögen Sie überhaupt nicht?
Verlogenheit und Unaufrichtigkeit. Das finde ich ganz schwierig. Damit kann ich überhaupt nicht umgehen. Ich bin ein sehr offener und ehrlicher Mensch und das brauche ich auch vom Gegenüber. Was ich auch nicht mag, ist, wenn Leute ihre Arbeit nicht gut machen. Ich bin immer der Überzeugung, wenn ich mich für einen Beruf oder etwas zu machen entscheide, dann muss ich es auch richtig gut machen – natürlich im Rahmen meiner Möglichkeiten. Ich mag es eben nicht, wenn man faul und schlampig ist.
Was möchten Sie in Ihrem Leben noch tun?
Ich möchte gerne eine große Reise machen. Vielleicht vier Wochen durch Indien reisen und jeden Tag in einem anderen Tempel verbringen. Dort findet sich eine Dimension, die unfassbar und faszinierend ist. Außerdem erwarte ich einen Haufen Enkelkinder irgendwann, nicht so bald. Auf die freu ich mich!
Vorausgesetzt es gäbe noch ein nächstes Leben, was würden Sie da machen?
Ich glaube, dann ich würde mir ein Haus am Meer kaufen und Gedichte schreiben.
Vielen lieben Dank für das interessante und persönliche Gespräch!
P.S.: Ein herzlicher Dank an dieser Stelle auch an Iris Baumüller (BVC) für die Zusammenstellung der Fragen - allen voran der 12 persönlichen Fragen !
Offizielle Website der Cologne Conference des Deutschen Casting-Preises:
www.cologne-conference.de
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Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von „casting-network. Das Branchenportal”. Mehr zu ihrer Person finden sie in der Rubrik: Über uns.
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