Steckbrief Mariette Rissenbeek
Mariette Rissenbeek studierte die Fächer Germanistik, Theaterwissenschaften und Soziologie in den Niederlanden. Nach zwei Auslandssemestern an der FU Berlin beschloss sie in Deutschland zu bleiben und war darauffolgend bei Löhlein & Schonert Werbeagentur für den Kunden Berliner Festspiele zuständig. Anschließend war sie gut neun Jahre bei der Tobis Filmkunst GmbH für die Bereiche „Akquisition“ und „Rechteauswertung“ verantwortlich. Im Anschluss daran arbeitete sie vier Jahre für die Regina Ziegler Filmproduktion als Producerin und war in dieser Zeit unter anderem an der Produktion von sechs der sogenannten „Erotic Tales“ (Casting: Wir haben ohne Agentur gearbeteit… | 30-minütige Filme internationaler Kinoregisseure zum Thema Erotik) beteiligt, sowie acht Fernsehspiele und der Kinofilm „Solo für Klarinette“ (Casting: Rita Serra-Roll ) Um anschließend als unabhängige Produzentin mit dem finnischen Regisseur Mika Kaurismäki ein Roadmovie von Hamburg nach Helsinki zu produzieren (Sehnsucht nach Jack, Casting Gitta Uhlig), zog sie zu diesem Zwecke in deutsche Hansestadt. Nach München zog sie dann im Januar 2000, um bei Hofmann & Voges Entertainment ein Fernsehspiel für Sat.1 zu entwickeln und produzieren. Im Oktober 2002 wechselte Mariette Rissenbeek zu German Films (damals Export-Union des Deutschen Films) und war für den Festival- und Öffentlichkeitsbereich verantwortlich. Seit 2011 ist sie nun Geschäftsführerin bei German Films Service + Marketing GmbH. Elmira Rafizadeh sprach mit der Mariette Rissenbeck über ihre Tätigkeiten rund um den deutschen Film.
Wie war Locarno?
In Locarno kamen die deutschen Filme „Lore" von Cate Shortland (mit Saskia Rosendahl, eine junge Schauspielerin aus Halle) und „Vergissmeinnicht" von David Sieveking beim Publikum besonders gut an. Auch „Camp 14" von Marc Wiese und „Perret in Frankreich und Algerien" wurden vom Publikum mit großen Interesse verfolgt. German Films hat zweimal ein Abendessen für die deutschen Filmemacher und die internationale Filmbranche (Presse, Verleiher, Festivalvertreter) in der Osteria Chiara gegeben, über 100 Gäste nahmen daran teil.
Können Sie uns einen kleinen Einblick in die Historie von German Films geben?
German Films wirbt seit über 50 Jahren für den deutschen Film im Ausland. Gegründet wurde German Films im Jahre 1954 als Interessensvertretung von Produzenten und Weltvertrieben, die sich für die Verbreitung der hergestellten Filme im Ausland stark machen wollten. Wenn der deutsche Film im Ausland gut beworben wird, erreicht er eine höhere Visibilität und kann dadurch ein breiteres Publikum erreichen. Das führt zu einer größeren Bekanntheit und Beliebtheit, und diese Popularität ist entsprechend mit höheren Preisen für die Auslandsrechte verbunden.
Worin liegen heute die Aufgaben- und Tätigkeitsfelder von German Films?
German Films trägt dazu bei, den deutschen Film ins Ausland zu transportieren. Wir organisieren Sichtungen für alle wichtigen Festivals (in Cannes, Venedig, Toronto, Montreal, San Sebastian, Karlovy Vary, Locarno, Busan, Warschau, Rom, Turin), die nach München kommen, um neue deutsche Filme zu sehen und sie für ihr Programm in Erwägung zu ziehen. Wir organisieren in einigen großen Städten (Paris, Madrid, Moskau und Buenos Aires) Festivals des deutschen Films im Kino, in anderen Städten beteiligen wir uns an Veranstaltungen des Goethe Instituts, wie Sydney/Melbourne, Budapest, Prag, Los Angeles oder haben andere Partner wie das MoMA in New York. Einmal im Jahr laden wir ca. 80 internationale Einkäufer und Verleiher nach Deutschland ein, damit sie aktuelle deutsche Filme für ihr Land einkaufen können. Wir unterstützen die Kinostarts von deutschen Filmen im Ausland, wir unterstützen den Auftritt deutscher Filme bei großen Festivals und organisieren bei einigen Festivals deutsche Schwerpunkte (in diesem Jahr u.a. in Shanghai und Sao Paulo)
German Films ist unser „Repräsentant“ auf dem internationalen Filmmarkt. Ihr Kalender dürfte ununterbrochen gefüllt sein mit den nationalen wie auch zahlreichen internationalen Festivals, bei denen German Films vertreten ist. Wie lässt sich da der Überblick wahren?
Das ist eine gute Frage. Es gibt natürlich die sehr wichtigen Festivals (Berlin, Cannes, Venedig, Toronto, San Sebastian, Locarno, Karlovy Vary, Shanghai, Busan, Rom) und die wichtigen Festivals (u.a. Warschau, Tokio, Sao Paulo, Sundance, Tribeca, Hamptons, Telluride, Rotterdam, Göteborg, Kopenhagen, Istanbul). Wir prüfen immer wieder neu, ob die Festivals nach wie vor gut funktionieren und wichtig sind. Wir haben eine Liste der wichtigen Festivals auf unserer Website und sprechen regelmäßig mit Partnern über den Status der einzelnen Festivals. Das ist eine Fleißarbeit, ohne Frage!
Insbesondere ist mir Ihre Arbeit beim Filmfestival in Cannes aufgefallen. German Films organisiert nicht nur das deutsche Pavillion zusammen mit der Film- und Medienstiftung NRW vor Ort, sondern u.a. Veranstaltungen zur Förderung von Nachwuchs wie „Next Generation Short Tiger“, „German Shorts“ und als Höhepunkt der „German Films Empfang“. Können Sie uns zur Bedeutung der einzelnen Bereiche/Events etwas sagen?
NEXT GENERATION SHORT TIGER ist ein tolles Projekt, weil junge Filmemacher, die mit einem Kurzfilm für das Programm ausgewählt wurden, die Chance haben, sich in Cannes zu präsentieren, das größte Festival der Welt kennen zu lernen und wichtige Kontakte zu knüpfen. GERMAN SHORTS ist für die Kurzfilmbranche ebenfalls sehr wichtig. Der Deutsche Empfang zeigt, dass der deutsche Film international eine wichtige Rolle spielt. Der German Pavilion ist extrem wichtig für die Kontaktaufnahme und Kommunikation. Es kommen viele internationale Festivals vorbei, die sich über kommende deutsche Filme informieren wollen, es kommen internationale Verleiher vorbei, die sich über das Distribution Support Program informieren wollen, Produzenten suchen Partner für internationale Projekte und deutsche Produzenten nehmen die Gelegenheit wahr, die Vertreter der deutschen Förderinstitutionen zu einem Gespräch zu treffen. Wenn man Vertreter der deutschen Filmbranche kennen lernen möchte, geht man zum deutschen Pavillon, das ist eine klare Sache.
Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Festival in Cannes allgemein?
Die Zusammenarbeit mit dem Festival ist sehr gut. Wir tauschen uns regelmäßig über neue Produktionen aus, auch die Zusammenarbeit mit dem Filmmarkt ist hervorragend.
Wie wird der Deutsche Film in Cannes aus Ihrer Sicht wahrgenommen? Es gab dieses Jahr zwar deutsch-internationale Koproduktionen, aber leider keinen deutschen Beitrag im Wettbewerb.
Das Festival hat ein sehr überschaubares Programm, nicht mit anderen Festivals zu vergleichen, die bis zu 400 Filme zeigen. Es ist eine besondere Herausforderung, einen Platz im Programm zu finden, nicht zuletzt, weil das Festival den Regisseuren treu ist, die bereits einen Film in Cannes hatten. Neue Namen gibt es nicht so oft, und entsprechend ist es nicht einfach, sich im Programm einen Platz zu erobern. Fatih Akin hat das z.B. geschafft, er war bereits dreimal in Cannes. Auch Eicke Bettinga, dessen Kurzfilm „Gasp“ im Wettbewerb zu sehen war, war schon zum dritten Mal in Cannes.
Wie nehmen Sie die Arbeit der Nachwuchsfilmemacher wahr, die in Cannes vor Ort sind? Mir persönlich fällt immer wieder auf, wie hoch ambitionierte Jungproduzenten oder Existenzgründer ihren Weg nach Cannes finden, um mit Finanziers zusammen zu kommen oder ihr Netzwerk auszubauen. Was ist hier das besondere an Cannes im Verhältnis zu deutschen Filmfesten?
In Cannes ist die internationale Filmbranche präsent und die Atmosphäre ist dadurch sehr offen für neue Ideen und Projekte, die es bei einem deutschen Festival vielleicht schwerer hätten.
Mit welchen Partnern und Unterstützern arbeitet German Films zusammen? Und wie generieren Sie das Budget für die wertvolle Arbeit von German Films?
In Cannes arbeiten wir sehr eng mit FOCUS GERMANY zusammen, dem Zusammenschluss der deutschen Länderförderungen, mit dem wir den deutschen Pavillon betreiben. Auch in Berlin teilen wir mit FOCUS GERMANY einen Stand. Wir kooperieren in vielen Städten eng mit dem Goethe Institut und in vielen Ländern mit unseren Schwesternorganisationen wie UNIFRANCE in Frankreich, oder der ehemalige UK Film Council in England (aufgelöst im Jahre 2011). Das Staatsministerium für Kultur und Medien (BKM) und die Filmförderungsanstalt (FFA) sind unsere Hauptfinanziers, dazu kommen die Länderförderungen von FOCUS GERMANY sowie Sponsoren.
Haben Sie innerhalb Ihrer Arbeit persönliche Visionen, die sie noch umsetzen möchten oder dessen Entwicklung sie begrüßen würden?
Neue Entwicklungen wie die Digitalisierung und die neue Medien werden die Auswertung von Filmen verändern. Ich möchte sehr gern, dass German Films dazu beitragen kann, diese aktuellen Entwicklungen zu nutzen und den deutschen Film noch stärker nach vorn zu bringen. Auch würde ich es sehr begrüßen, wenn deutsche Schauspieler im Ausland stärker als Stars aufgebaut werden. Sie sind das „Zugpferd“, um beim internationalen Publikum mehr Interesse für den deutschen Film zu schaffen. Bislang gibt es zu wenig deutsche Schauspieler mit einer starken Anziehungskraft auf das internationale Kinopublikum.
Was steht für Toronto an?
In Toronto stehen einige internationale und Weltpremieren auf dem Plan. „Hannah Ahrendt" von Margarethe von Trotta (mit einer wunderbaren Barbara Sukowa) wird als Special Presentation zu sehen sein. Für die internationale Premiere von „Wir wollten aufs Meer" von Toke Hebbeln wird Alexander Fehling wieder nach Toronto reisen (2011 war er mit „Der Fluss war einst ein Mensch" schon dort), auch „Lore", „Perret in Frankreich und Algerien" und „Camp 14" werden zu sehen sein, ebenso wie „Barbara" und natürlich auch „Cloud Atlas" von Tom Tykwer und den Wachowski-Geschwistern. German Films hat einen Stand im Festivalzentrum und wird einen Empfang zu Ehren der deutschen Filme organisieren. Toronto hat sich über die Jahre als sehr lebendiges Zentrum für internationale Filme in Nordamerika entwickelt, bei dem sich Multiplikatoren aus der ganzen Welt treffen.
Wie mischt German Films bei dem Europäischen Filmpreis mit?
German Films hat keine spezielle Rolle beim Europäischen Filmpreis: wir sind Mitglied der Deutschen Filmakademie und wählen mit. In diesem Jahr ist auch eine besondere Unterstützung für die deutschen Kandidaten geplant.
Haben Sie selbst ein Lieblingsfestival und/oder Event?
Ich habe zwei Lieblingsfestivals: Shanghai (weil es jedes Jahr wieder neu ist, sich die Stadt und das Festival ständig weiter entwickeln) und San Sebastian (weil es ein unglaublich enthusiastisches Publikum hat). Als Event liegen mir die „German Previews" am Herzen, wir laden Verleiher aus der ganzen Welt nach Deutschland ein und zeigen neue deutsche Filme. Es ist eine unglaublich gute Gelegenheit, die Verleiher persönlich kennen zu lernen und mit ihnen über Filme zu sprechen – ohne Festival-Hektik und Stress.
Was wünschen Sie sich für den „deutschen Film“?
Ich würde mir wünschen, dass mehr deutsche Schauspieler im Ausland bekannt werden. Es ist nicht einfach, aber als German Films möchten wir gern einen Beitrag dazu leisten. Alexander Fehling wäre z.B. ein Kandidat, der sicher Chancen hat, im Ausland auf sich aufmerksam zu machen. Aber auch Saskia Rosendahl hat das Potential für eine internationale Karriere.
Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!
Offizielle Website von German Films Service +Marketing
www.german-films.de
Zur Pressemitteilung von german films über die hohe Zahl an deutschen Produktionen in Toronto
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www.out-takes.de
Elmira Rafizadeh ist 1981 in Teheran geboren und im Alter von fünf Jahren mit ihrer Familie in die BRD immigriert. Heute lebt sie in Köln und arbeitet als Schauspielerin und Journalistin.
Sie ist regelmäßig in Film- und TV-Produktionen sowie am Theater zu sehen. Parallel publiziert sie brachenspezifische Artikel, Filmkritiken und zahlreiche Interviews mit Experten.
Sie ist Patin und engagiertes Mitglied beim Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS). Seit dem Frühjahr 2011 absolviert Elmira ein zusätzliches Fernstudium an der „Hochschule für Musik und Theater Hamburg“ im Fachbereich „Kultur- und Medienmanagement“ (Bachelor) und bloggt für uns auf out takes | Dem Blog der Film- und Fernsehbranche.
Vertreten wird Elmira Rafizadeh durch die Agentur Thomas Wernicke (VdA).
Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von "casting-network. Das Branchenportal". Mehr zu ihrer Person finden sie in der Rubrik: Über uns.
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