HINTER DEN KULISSEN | Unsere aktuelle Reihe
Die Schauspielerin (BFFS) und Journalistin Elmira Rafizadeh interviewt in dieser Reihe seit Frühjahr 2011 zahlreiche Fachleute aus der Branche.
Steckbrief:
Angelina Maccarone begann als Autorin von Liedtexten u.a. für Udo Lindenberg. 1994 realisierte sie in Co-Regie ihr erstes Drehbuch „Kommt Mausi raus?!", nominiert für den Telestar 1995. Es folgten „Alles wird gut" (Casting: in eigener Regie), 1997 Publikumspreise Outfest Los Angeles und New Festival New York und „Ein Engel schlägt zurück" (Casting: Gitta Jauch | BVC), „Bester Film", Cologne Conference 1998. 2004 drehte sie ihren Kinofilm „Fremde Haut" (Casting: Tina Böckenhauer | BVC), der u.a. auf den Festivals in Bilbao, Vancouver, Montreal und Seattle sowie mit dem Hessischen Filmpreis ausgezeichnet wurde. 2005 gewann ihr Kinofilm „Verfolgt" (Casting: in eigener Regie) u.a. den Goldenen Leoparden in der Sektion „Cineastes du Present" in Locarno. 2006 folgte „Vivere", ausgezeichnet auf dem Outfest Los Angeles. (Casting: Anja Dihrberg | BVC)
Am 20. Oktober 2011 ist der bundesweite Kinostart von „The Look", ein Film über und mit Charlotte Rampling, „Tabubrecherin, Stilikone, Weltstar und mutige Avantgardistin".
Dort sieht man die Schauspielerin beim Gespräch mit Freunden und Vertrauten in London, Paris sowie New York. Die Fotografen Peter Lindbergh und Jürgen Teller, der Schriftsteller Paul Auster oder auch Ramplings Sohn, der Regisseur Barnaby Southcombe, unterhalten sich in neun Kapiteln über neun Themen: Alter, Ausgestelltsein, Begehren, Dämonen, Liebe, Schönheit, Resonanz, Tabu, Tod.
Elmira Rafizadeh traf die deutsche Regisseurin Angelina Maccarone bereits anlässlich der Premiere beim Filmfestival in Cannes.
Wie entstand die Zusammenarbeit für „The Look"?
Der Berliner Produzent Michael Trabitzsch von Prounen Film hatte die Idee einen Film über Charlotte Rampling zu machen und suchte jemanden, der das Konzept sowie die Regie übernimmt. Hier bin ich dann von mehreren Seiten vorgeschlagen und schließlich angefragt worden. Das war für mich ein unglaubliches Geschenk, eine solch außergewöhnliche Arbeit anzutreten. Vor allem, weil es um einen Film fürs Kino ging. Es hätte nicht interessiert, wenn es nur darum gegangen wäre, eine Stunde lang die Legende „Charlotte Rampling" zu dokumentieren, weil ich finde, dass das dieser Persönlichkeit nicht gerecht geworden wäre. Die Möglichkeit daraus einen Kinofilm zu machen, bot einfach viel größere Freiheiten in der Form und Annäherung.
Ist das Konzept somit von Ihnen selbst erstellt worden?
Ja. So eine Arbeit braucht Raum. Ich persönlich kann es nur so machen, indem ich auch meine eigene Vision mit einbringe. Ich sehe mich ja nicht nur als ausführende Regisseurin, die einen Job macht, sondern ich muss dabei auch immer wieder etwas entdecken können. Und da habe ich beim Zusammentreffen mit Charlotte wohl offene Türen eingerannt. Wir wollten beide keinesfalls so eine chronologische „Leute reden über Charlottes Laufbahn"-Inszenierung. Meine Idee mit den thematischen Kapiteln hat ihr dann sehr gut gefallen. So haben wir beide gemeinsam nachgedacht, wer für die einzelnen Themen mit ihr ins Gespräch kommen könnte. Es war ein dreieinhalb Jahre andauernder Prozess mit vielen Überlegungen zwischen den Drehphasen.
Wie waren die Absprachen mit Produzenten, den Finanzgebern und beispielsweise dem Verleih in Bezug auf die Durchsetzung Ihrer Vorstellungen?
Ich hatte wirklich große Freiheiten. Das war sehr schön. Es war im Grunde auch nur auf diese Art realisierbar. So eine Art Wunsch-Konzert von allen Seiten wäre mit Charlotte auch gar nicht möglich gewesen. Wenn alle Parteien von vorne rein eine Liste mit zu erfüllenden Informationen gehabt hätten, hätte das auch für mich nicht funktioniert.
Die ZDF und 3sat Redakteurin Inge Classen hatten bereits zugesagt, als ich angefragt wurde. Das war schon mal ein guter Start. Ich habe daraufhin mein erstes Konzept geschrieben und wir haben auf dieser Basis mehrere Filmförderungen bekommen. Später ist dann noch arte mit eingestiegen.
Wie verlief desweiteren die Zusammenarbeit mit Charlotte Rampling?
Charlotte hatte immer wieder Zweifel, ob es überhaupt jemanden interessiert, was ihr Leben und ihre Arbeit prägt. Sie ist keinesfalls ein Mensch der denkt, „egal was ich hier abliefere, es ist interessant". Die Zweifel, ob ein Film über sie tragen würde, hatte sie im Grunde durchgehend. Ich musste sie immer wieder davon überzeugen, dass es nicht nur für mich, sondern auch für den Betrachter wirklich spannend ist. Ich bin ja letztendlich auch eine Zuschauerin wie jeder andere und sehe mir Dinge nicht nur aus der filmisch-künstlerischen Perspektive an. Aber trotzdem war es natürlich auch ein Risiko, so ein Konzept auszuprobieren. Wir wussten schließlich nicht, ob das in dieser Aneinanderreihung von Kapiteln hinterher funktionieren würde. Es hat uns also auch viel Kraft gekostet, hier immer wieder neu Anlauf zu nehmen und Dinge auszuprobieren. Charlotte ist eine viel beschäftigte Frau und gibt wirklich alles, wenn sie vor der Kamera steht. Das wollte ich auch nicht überstrapazieren. Sie hat sich sehr emotional auf alle Stufen dieser Reise eingelassen.
Wie sind Sie mit Ihren Zweifeln umgegangen?
Ich habe von Anfang an an das Projekt geglaubt. Für Charlotte war es natürlich manchmal eine schwierigere Situation. Denn sie steht ja permanent vor der Kamera und in unserem Fall ganz privat. Es geht um sie als Mensch und darum sie näher kennen zu lernen mit ihrem Blick auf die Welt, ihrer Perspektive. Da ist es verständlich, dass eine Künstlerin auch mal an ihre Grenzen stößt. Sie hatte bis zum Ende auch ein Vetorecht und so etwas schwebt natürlich über einem Film. Doch wir haben über Unsicherheiten immer gesprochen und durch die Intensität ein Gefühl für das Ganze entwickelt.
Wir wollten die Themen ja auch nicht einfach nur runterhandeln und irgendwie unterbringen, sondern in die Tiefe gehen. Von der Anzahl der Drehtage hätte man das rein rechnerisch zwar in gut einem Monat abwickeln können. Aber es braucht halt einen langen Prozess, sich mit den vielen Kapiteln auseinander zu setzen und sie auch während der Produktionszeit zu verarbeiten. Du kannst nicht an einem Tag über Liebe reden und dann über Tod und am übernächsten über Dämonen. Um diese ganzen Lebenserfahrungen zu sortieren, war es sogar notwendig, gewisse Pausen dazwischen zu legen, um sich neu zu ordnen und auch Zweifel zuzulassen.
In „The Look" sieht man viele schöne Ausschnitte aus Charlotte Ramplings zahlreichen Filmen. Wie haben Sie sich mit dem Material vorbereitet?
Ich habe mir gerne Charlottes Gesamtwerk angeschaut. Viele Sachen kannte ich natürlich auch schon. Aber ich hab mir alles noch mal angesehen und mir viele Notizen gemacht. Es war eine sehr akribische Vorbereitung und ich bin dann mit ihr eine Liste durchgegangen, um zu hören welche Filme sie für sich wichtig findet. Aus dieser Liste, die immer noch recht lang war, hab ich dann überlegt, welche Filme für die einzelnen Themen interessant wären. Die Inhalte und Bilder gut zu kennen, war sehr wichtig, damit ich mir auch sinnvolle Übergänge überlegen konnte. Die Ausschnitte sollten ja aus dem Rest des Films nicht wie reine Faktenteile rausfallen.
Wie sehen die rechtlichen Bedingungen aus, wenn man Ausschnitte aus über 50 verschiedenen Filmen von unzähligen, unterschiedlichen Sendern und Firmen national wie auch international verwenden möchte?
Ich wollte für jedes der Kapitel nur einen Film, der thematisch passt, zitieren, also waren es nur neun Filme. Insgesamt war das aber tatsächlich ein erheblicher Kostenfaktor und somit eine wirklich große Budgetfrage. Wir haben auf jeden Fall einen ganz guten Weg gewählt und die Balance gefunden, so dass die wichtigsten Sachen drin sind, ohne dass die Kosten Überhand nahmen. Es soll ja auch keine Retrospektive sein. Aber wie das genau aussah, kann die Produktion sicher besser beantworten (lacht).
Schließt der dreieinhalb-jährige Prozess die Vorrecherche, den Dreh und Fertigstellung mit ein?
Ja, das ging alles ineinander über: Vom ersten Treffen mit Charlotte, dem Konzept, über die Entwicklung, dem Dreh und die Fertigstellung. Es war klar, dass man die Themen nicht einfach alle in einen Block packen und in drei Monaten abdrehen kann. Der lange Prozess hat sich sehr positiv ausgewirkt. Wir haben gedreht, zwischendurch auch schon geschnitten und dann wieder gedreht und nebenher die ganzen Filme gesehen und analysiert. Das gedrehte Material habe ich gleich transkribiert: Wort für Wort. So hatte ich immer einen Überblick, wo genau wir jetzt stehen und was noch ergänzt oder aufgegriffen werden könnte. Ich wollte nicht ins Blaue hinein alles nur abcovern und mitnehmen. Dadurch, dass zunehmend auf HD gedreht wird, gibt es oft diesen Trugschluss, dass man ja alles hinterher im Schneideraum formen kann. Natürlich wird vieles im Schneideraum gemacht, aber in unserem Fall mussten die Entscheidungen auch an Ort und Stelle mal gefällt werden. Unser Konstrukt konnte ja nicht im klassischen Sinne umgesetzt werden: ein Jahr Vorbereitung, dann drehen und dann Postproduktion. Insofern wir das alles miteinander verweben mussten, konnte das nur als organischer Prozess von statten gehen. Das hat dem Film sehr geholfen, Schritt für Schritt zu vertiefen und in mehreren Etappen vorzugehen.
Im Vergleich zu einem Spielfilm mussten Sie sich bei dieser Arbeit nicht mit Figuren, sondern mit einer Person auseinandersetzen. Was war hier das Besondere für Sie?
Natürlich habe ich eine Menge über Charlotte gelesen und recherchiert. Die Grenzen zwischen einer Schauspielerin und Person sind ja oft fließend. Und Charlottes Arbeitsweise ist da radikal: sie gibt sehr viel von sich in ihre Rollen.
Ich habe mich aber hier nicht allein mit der Person beschäftigt, sondern im Kern auch thematisch gearbeitet.
Für meine Arbeit als Regisseurin war es sehr spannend, so einen tiefen Einblick in die Arbeit einer Schauspielerin zu bekommen, zumal einer, die ich so großartig finde. Zu sehen, was sie in der Zusammenarbeit braucht, was hilfreich oder auch hinderlich sein kann, war für mich ein unheimlich interessanter Aspekt. Zu beobachten wie etwas wächst und diese Innenansicht hatte ich in der Intensität zuvor nicht. Ich habe dadurch viel über den Beruf gelernt. Das wird mir auch zukünftig als Spielfilmregisseurin sicherlich helfen.
Mir ist aufgefallen, dass die Protagonisten Ihrer Filme immer bewegende und starke Frauenfiguren sind. Hat sich das bewusst oder eher intuitiv in Ihrer Laufbahn entwickelt?
Ich finde es interessant, dass es immer als „bemerkenswert" gilt, wenn Frauen Protagonisten oder besser gesagt Protagonistinnen sind. Eigentlich gibt es ja mehr Frauen auf der Welt als Männer und trotzdem werden Frauen als Minderheit betrachtet. Das ist schon eine schräge Angelegenheit. Ich erzähle in erster Linie Geschichten, die mich interessieren.
Im deutschsprachigen Raum sind Sie eine etablierte Regisseurin, öffnen sich durch diese Arbeit nun auch internationale Türen?
Das weiß ich nicht, das werden wir sehen. Also ich könnte mir durchaus vorstellen etwas zu drehen, das vielleicht nicht nur in Deutschland stattfindet. Aber das nationale Umfeld kenne ich natürlich am besten und da interessiert mich die politische und gesellschaftliche Situation sehr. Bei „Fremde Haut" war es zum Beispiel so, dass es mich interessiert hat, wie in Deutschland damit umgegangen wird, wenn man als Iranerin hier Asyl sucht. Es war ja kein Film, der die Zustände im Iran kritisiert, sondern die Lage in Deutschland beschreibt.
Wenn ich etwas in einem anderen Land machen würde, wäre beispielsweise ein guter Ansatz, es mit meinem fremden Blick zu erzählen, mit meiner Unsicherheit an einem anderen Ort oder mit meiner Faszination für eine andere Kultur. Es müsste auf jeden Fall eine Verbindung zu mir haben.
Vielen lieben Dank für das Gespräch!
Offizelle Website von „The Look":
www.thelook-derfilm.de
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www.out-takes.de
Elmira Rafizadeh ist 1981 in Teheran geboren und im Alter von fünf Jahren mit ihrer Familie in die BRD immigriert. Heute lebt sie in Köln und arbeitet als Schauspielerin und Journalistin.
Sie ist regelmäßig in Film- und TV-Produktionen sowie am Theater zu sehen. Parallel publiziert sie brachenspezifische Artikel, Filmkritiken und zahlreiche Interviews mit Experten.
Sie ist Patin und engagiertes Mitglied beim Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS). Seit dem Frühjahr 2011 absolviert Elmira ein zusätzliches Studium an der „Hochschule für Musik und Theater Hamburg“ im Institut „Kultur- und Medienmanagement“ (Bachelor) und bloggt für uns auf out takes | Dem Blog der Film- und Fernsehbranche.
Vertreten wird Elmira Rafizadeh durch die Agentur Thomas Wernicke (VdA).
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