Steckbrief:
Norbert Ghafouri, als Schauspieler und Regisseur am Theater und vor der Kamera zu Hause, hat seine Schauspielausbildung an der Hochschule der Künste in Berlin erhalten. Im Anschluss an seine Ausbildung drehte er seine erste große Serie und debütierte an der Freien Volksbühne in Berlin. Seit 20 Jahren arbeitet Norbert Ghafouri nun sowohl für Film und Fernsehen als auch für das Theater. Mit Kameraleuten, Fernsehregisseuren und Castern entwickelte Norbert Ghafouri bereits 1995 die ersten Filmseminare in Deutschland und gründete die Coaching Company Berlin. Mittlerweile haben über 1.000 Schauspielkollegen ihr Handwerk um wichtiges Wissen und Können rund um die Arbeit vor der Kamera in den Kursen und Coachings von Norbert Ghafouri erweitert und verbessert. 2005 gründete er die Filmschauspielschule Berlin, die als private Einrichtung junge Talente zu Film-, Fernseh- und Theaterschauspielern ausbildet.
Jedes Jahr drängen schätzungsweise 200 Abgänger von staatlichen Schauspielschulen sowie rund 600 bis 800 von den privaten Schauspielschulen und Coaching-Instituten auf den deutschsprachigen Markt. Man kann sich ausrechnen, dass einfach zu viele Schauspieler ausgebildet werden. Doch haben nur Schauspieler von staatlichen Schauspielschulen eine Chance, von ihrem Beruf zu leben? Mit Norbert Ghafouri, der im Herbst 2010 den Verband deutschsprachiger privater Schauspielschulen (VdpS) gegründet hat, sprachen wir über Klischees, Vorurteile und eine gute Ausbildung ohne Schubladendenken.
Wie entstand die Idee zur Gründung des „Verbands deutschsprachiger privater Schauspielschulen"?
Nachdem vor zwei Jahren die ersten Absolventen die Berliner Filmschauspielschule, die ich vor fünf Jahren gegründet habe, verließen, bin ich zum ersten Mal damit konfrontiert worden, wie schwer es ist, Absolventen einer privaten Schauspielschule auf dem Markt unterzubringen.
Es ist unglaublich, welche Vorurteile dort herrschen: es gibt beispielsweise Theater, die sagen, dass sie grundsätzlich niemanden einladen, der von einer privaten Schauspielschule kommt. Talente bleiben somit einfach unbesehen und verschmäht! Das finde ich diesen Schauspielern gegenüber unfair, denn sie haben mit viel Aufwand und auch viel persönlichem und finanziellem Engagement ihren Berufswunsch vorangetrieben. Daher habe ich mich gefragt, woher kommt das? Man kann nicht einfach alle privaten Schauspielschulen über einen Kamm scheren! Das war der Startschuss zu sagen, da muss man sich mal mit anderen Schulen zusammensetzen und beratschlagen. Nach vielen Briefwechseln folgten mehrere Konferenzen, in denen sich herauskristallisiert hat, man sollte das Ganze als Verband betreiben und Kriterien erarbeiten, um bestehende Qualität sichtbar zu machen und das Image von privat ausgebildeten Schauspielabsolventen zu verbessern.
Wer sind - neben Ihnen - die Köpfe hinter dem Verband?
Neben Jürgen Lederer von der Freien Schauspielschule Hamburg sind Martin Plass von der Schauspielschule Wiesbaden, Elmar Cichy von der Akademie der Künste aus Regensburg und meine Wenigkeit von der Filmschauspielschule Berlin die Gründungsmitglieder. Darüber hinaus sind aktuell die Arturo Schauspielschule aus Köln und die Schule für darstellende Kunst aus Kassel Mitglied. Nach dem erfolgreichen Start und vielen Gesprächen mit anderen Schulen kümmern wir uns nun um die zahlreichen Bewerbungen interessierter Schulen.
Welche Ziele verfolgt der Verband?
In der Satzung ist es so formuliert: „Zweck des Vereins ist es, für eine Verbesserung der Schauspielausbildung an privaten Schauspielschulen einzutreten und eine Stärkung der Rechtsposition privater Schauspielschulen zu bewirken. Das Anliegen des Vereins ist es, eine einheitliche Ausbildungsordnung aller privaten Schauspielschulen zu schaffen und somit eine Einheitlichkeit der Abnahmeprüfung."
In der Praxis legen wir beispielsweise fest, wie lange eine Ausbildung mindestens dauern soll, welches Mindestmaß an Unterrichtsstunden gegeben werden muss, wie viele unterschiedliche Lehrer im Laufe einer Ausbildung in einem bestimmten Fach unterrichten müssen, wie die Fächeraufteilung und Fächergewichtung ist und auch wie ein Betreuungsfaktor aussehen kann. Seriöse Ausbildung kann unserer Meinung nach erst stattfinden, wenn diese Mindestfaktoren erfüllt werden. Das oberste Ziel des Verbandes ist es somit, die Qualität der Ausbildung an privaten Schauspielschulen innerhalb des Verbandes zu sichern.
Welche Kriterien muss man erfüllen, um in den Verband aufgenommen zu werden?
Die Schule muss privat geführt sein, eine Ausbildungszeit von drei Jahren anbieten und mindestens 400 Unterrichtsstunden pro Halbjahr gewährleisten: also 21 Unterrichtsstunden pro Woche bei 19 Unterrichtswochen im Halbjahr. Nur am Rande: Das ist mehr als an staatlichen Schauspielschulen, die in der Regel nur 14 Unterrichtswochen anbieten.
Von den 400 Stunden müssen mindestens 150 im Schauspielbereich gegeben werden, 150 im Sprechbereich, 50 im Bewegungs- und 20 im Theoriebereich. Jede Schule kann natürlich eigene Schwerpunkte setzen, aber sollte nicht darunter liegen. Das fordert natürlich die kleinen Schulen besonders heraus, die nicht so viele Schüler haben.
Dennoch darf nicht auf Kosten des Lernenden gespart werden. Dann haben wir noch festgeschrieben, dass es mindestens vier unterschiedliche Dozenten im Fach Schauspiel geben muss, mindestens drei im Fach Sprache und mindestens zwei im Fach Bewegung. Und es müssen mindestens zwei Unterrichtsstunden pro Schüler pro Woche gegeben werden und mindestens 21 Unterrichtsstunden pro Klasse und Jahrgang. So, genug der Details.
Uns geht es darum, dass man ein bestimmtes Unterrichtsvolumen und Inhalte in einem bestimmten Zeitraum sicher stellt. Somit haben wir uns, um den Bogen noch mal zurück zu spannen, hier auf 400 Unterrichtsstunden geeinigt, welches auch die Mindest-Voraussetzung für einen BAföG-Antrag ist. Damit keine Missverständnisse aufkommen, dies sind Mindestvoraussetzungen und keine Idealbedingungen. Wir gehen davon aus, dass jede engagierte Schule diese Mindestbedingungen hinter sich lassen wird.
Muss eine Schule denn BAföG-anerkannt sein, um Mitglied zu werden?
Nein, das ist bei uns kein Kriterium, weil die BAföG-Vergabe von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt wird und wir nicht bestimmte Bundesländer ausschließen wollen, nur weil die Regelung unterschiedlich ist.
Gibt es einen Verband der staatlichen Schauspielschulen?
Ja! Die Ständige Konferenz der staatlichen Schauspielschulen - kurz KSK genannt. Diese organisieren beispielsweise Das Theatertreffen der staatlichen Schauspielschulen, welches staatlich subventioniert wird. Ein Austausch mit den staatlichen Schulen wäre schön und ist auch angedacht. Letzten Endes sollten sich alle, die an Schauspielausbildung interessiert sind, zusammen setzen, denn wir reden ja über ein und denselben Markt.
Grundsätzlich brauchen wir nicht so viele Schauspieler, wie der Markt ausbildet. Daher stellt sich die Frage der Verantwortung: Macht es Sinn, so viele Schauspieler auszubilden - wissend, dass einige gar nicht arbeiten werden? Aber das ist letzten Endes eine Entscheidung, die nicht von Staatsseite geregelt werden kann, sondern die der Markt entscheidet.
Glauben Sie, dass die privaten Schauspielschulen marktorientierter arbeiten als traditionelle staatliche Schauspielschulen?
Eine staatliche Schauspielschule mit tausend Bewerbern für zehn Plätze kann getrost sagen: Was wir bisher gemacht haben, scheint richtig zu sein. Das machen wir so weiter. Eine private Schule muss ihr Angebot sehr differenziert auf das ausrichten, was der Markt vorgibt zu brauchen. Jemand, der für seine Ausbildung Geld bezahlt, kann andere Anforderungen an sein Ausbildungsinstitut stellen. Da macht es natürlich Sinn, schneller auf Markterfordernisse reagieren zu können. Und da sind die staatlichen Schauspielschulen schwerfälliger. Ein anderer Punkt ist, dass es bis vor zehn Jahren verpönt war, Theaterschauspieler vor die Kamera zu stellen. Mittlerweile geht es den Theatern so schlecht, dass sie sagen, wenn ich mir jemanden, der aus Film und Fernsehen bekannt ist, ins Theater hole, dann habe ich eine ganz andere PR. Und dadurch entstehen Crossover-Effekte, so etwas wie Ingredient Branding. Das passiert aber nur ganz oben in der Spitzenliga.
Im Herbst 2010 gab es auch schon eine Siegelprüfung, die der Verband organisiert hat! Wie muss man sich diese vorstellen?
Stimmt: wir haben im Herbst 2010 das erste Mal eine solche Prüfung organisiert, um zu schauen, was aus unseren Absolventen geworden ist. Die Schulen haben eine Auswahl ihrer Absolventen geschickt, die Lust hatten und die noch kein Engagement hatten. Parallel haben wir eine Fach-Kommission zusammengestellt, zu der beispielsweise ein Intendant für Schauspiel und ein Regisseur und ein Agent gehörten. Diese Kommission hat sich entschieden, 14 Schauspieler zu einem Vorsprechen im Renaissance-Theater in Berlin einzuladen. Dazu haben wir dann wiederum Regisseure und Intendanten aus dem Film- und Theaterbereich und Caster eingeladen. Das Feedback war sehr positiv. Auf der anderen Seite wurden auch einige Absolventen kritisiert. Hier ist es nun Aufgabe des Verbandes, zu vermitteln, wo die genauen Gründe lagen. Bei den meisten Schulen mündet das in Einsicht und Motivation, an ihrer Ausbildung im Rahmen des Verbandes etwas zu verbessern.
Jetzt gibt es das ZAV-Vorsprechen, was den Schauspielschülern eine Art Gütesiegel bescheinigt. Gibt es dies auch für das „Vorsprechen" des VdpS?
Das ZAV-Vorsprechen ist ein Sonderfall. Früher gab es die paritätische Bühnen-Reifeprüfung. Damit wurde die Lücke zwischen privater und staatlicher Schauspielausbildung geschlossen. Vor 20 Jahren hat sich diese Institution aufgelöst und seitdem gibt es so etwas wie ein Kompetenz-Vakuum. In dieses Kompetenz-Vakuum ist quasi die ZAV gestoßen, weil sie die Einzigen waren, die sich überhaupt noch überregional Schauspielern gewidmet haben. Eigentlich eine gute Sache. Das Problem ist nur: Eine Prüfung in dem Sinne ist es nicht und eine Prüfung in dem Sinne findet auch nicht statt. Die staatlichen Absolventen müssen alle aufgenommen werden, ob sie nun von den Vermittlern für gut befunden werden oder nicht. Über die privaten nehmen sich die ZAV-Kollegen dann das Recht heraus zu sagen: dich vermitteln wir, und dich vermitteln wir nicht. Das führt natürlich zu dem Ruf „da findet eine Prüfung statt". Es ist aber keine Prüfung, sondern im Grunde eine individuelle, „geschmäcklerische" Einordnung einer Darbietung. Eine staatliche Vermittlungsleistung, die privat ausgebildeten Schauspielern teilweise verwehrt wird. Deshalb haben wir gesagt, wir brauchen eine unabhängige Prüfung von Leistungen.
Wie prognostizieren Sie die Zukunft des Schauspielers in fünf Jahren bezüglich des Marktes?
Kunst und Kultur sind ein so wesentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft, dass ich davon ausgehe, dass es diese immer geben wird. Gute Arbeit von leibhaftigen Künstlern wird nach wie vor hoch geschätzt. Von der finanziellen Seite her glaube ich, dass der Spitzenbereich sich verstärken, also mehr Geld in Spitzenproduktionen fließen wird: sowohl im Theater als auch beim Film.
Die Spitzenkultur wird somit zunehmen, da dort mehr Geld hineingesteckt wird. Dafür werden die Gagen in der breiten Masse stark zurück gehen, welches zur Folge hat, dass viele Künstler mit weniger Geld auskommen müssen. Einige vertragen das, für viele wird es hart.
Mein Wunsch ist, dass der Markt durch die Verbandsarbeit das Vertrauen gewinnt, dass die Leute, die an einer Verbandsschule ausgebildet wurden, auch gute und konkurrenzfähige Schauspielkollegen sind und dass die Ignoranz gegenüber privaten Absolventen verschwindet.
Es gibt mittlerweile viele erfolgreiche Schauspieler, die eine private Schauspielausbildung haben. Wer fällt Ihnen da als Erster ein?
Thomas Kretschmann!
In einem künstlerischen Beruf zählt am Ende wirklich das, was der Einzelne zu bieten hat. Gerade deshalb schmerzt es mich in der Seele, wenn ich Leute drei Jahre begleite und ausbilde und sie wirklich gut sind, aber vom Markt gar nicht wahrgenommen werden. Und das nur, weil Vorurteile herrschen. Das ist der eigentliche Grund, warum der Verband antritt.
Vielen lieben Dank für das Gespräch!
Offizielle Website | noch im Aufbau: www.vdps.info
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Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von "casting-network. Das Branchenportal". Mehr zu ihrer Person finden sie in der Rubrik: Über uns.
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