Ein Interview mit Julia Lindig
Steckbrief Julia Lindig
Julia Lindig wurde als Tochter der Tänzerin Ola Lindig geboren. 1968 erhielt sie die Hauptrolle als Zwillingsbruder "Fritz" in dem Kinderfilm "Mijnheer hat lauter Töchter" von Volker Vogeler. Nach dem Schulabschluss 1970 ging sie mit dem
Pantomimenensemble Kefka von Milan Sládek auf Tournee. Sieben Jahre lang reiste sie durch Europa und den vorderen Orient und trat, besonders in Frankreich, in Dorfkneipen, alten Kinos, aber auch in den großen Theatern von Paris und Marseille auf. Danach besuchte sie endlich eine Schauspielschule und war im Stadttheater Köln an einer Aufführung der Hamletmaschine von Heiner Müller beteiligt. Später spielte sie unter anderem an der Volksbühne und dem Schillertheater in Berlin. 1980 nahm sie die Einladung an, im New York Theater Ensemble in NYC zu gastieren ("No More Firmament" von Antonin Artaud) um 1982 nach Deutschland zurückzukehren und mit der Regisseurin Petra Hafter den Film "Vom Anderen Stern" zu drehen. Weitere Stationen waren Wien, Zürich, Moskau, Istanbul, Lissabon, München. In der Filmbiografie "Marie Ward - Zwischen Galgen und Glorie" übernahm Julia Lindig an der Seite von Hannelore Elsner die Rolle von "Maria Wards" wichtigster Mitarbeiterin "Mary Poyntz". Sie war zudem in mehreren Fernsehproduktionen zu sehen und ist heute Geschäftsführerin und Inhaberin der Schauspielerdatenbank actorscut.com und der Internetfirma webdesign berlin (TYPO3 Agentur).
Firmendaten
WEBSITE / URL |
SEIT |
BETREIBER |
SERVICE SCHAUSPIELER PROFIL |
KOSTEN inkl. Mwst. |
BEMERKUNG |
actorscut.com |
2000
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Julia Lindig agentin) |
Basiseintrag Schauspieler: - Vita - 9 Fotos - Soundbeispiele - Setcard (Printversion) - Link zu individueller - Link zu externem Video - Printmöglichkeit mit Fotoauswahl - 4 x jährlich |
47,60 € |
260 Schauspielerprofile - 1 x im Jahr - Servicebereich Haifischbar |
Volleintrag Schauspieler: - Basiseintrag + Video
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95,20 €
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Nicht am VdA-Pool |
Wie ist überhaupt die Idee zu der Webseite entstanden?
Irgendwann um die 38-40 Jahre habe ich bemerkt, dass mein bis dahin glückliches und schwereloses Leben als Schauspielerin eine merkwürdige Wendung nahm. Ich erwischte mich in den Armen von Harald Juhnke und hatte einen Fummel an. Ich spielte eine ältere Dame, um genau zu sein, eine ältere Bardame. Mein Freund, der Regisseur Peter Lichtefeld, hatte mich gebeten, die Rolle zu spielen, also habe ich sie gespielt. Das ging noch so gerade, aber die Rollen wurden immer komischer, eher sprechende Möbel als Figuren, und so, na ja, habe ich mich mal kurz verabschiedet und was anderes begonnen.
Ich habe mit dem Regisseur Philip Gröning Filme geschnitten, ein Buch geschrieben, „Das berühmte Scarletti Puppentheater" zusammen mit meinem Sohn Vincent, (damals 7 Jahre) betrieben, und irgendwann dachte ich, warum sagen alle, sie gehen ins Internet, obwohl sie vor einer Art Fernseher sitzen. Man nannte das Gerät Rechner. "Rechner/Fernseher", "Gehen/Sitzen", ein großes Rätsel und für mich als Legasthenikerin mit geringem Abstraktionsvermögen, mehr als ein Rätzel „un Mirakle", wie der Franzose sagen würde. Das war interessant und 1998. Das Tertiär des Internet hatte begonnen. Da ich überhaupt nichts konnte, PC an oder aus, wo ist der Knopf, habe ich mir Zeit genommen und ein Jahr lang eine Ausbildung zum Mediengestalter bei Cimdata in Berlin gemacht. Mein zweiter Sohn Victor krabbelte also noch im Puppentheater und schon unter Computern rum. Die Welt hat sich verändert und ich hatte beschlossen den Gestaltungsraum „Digitale Medien" ernst zu nehmen.
Die Schule, Cimdata, fördert ausgewählte Studenten und ich hatte Glück: mit der Idee von actorscut.com, einer Datenbank für Schauspieler, bekam ich einen exquisiten, feine und kleinen „Zeit"-Raum indem ich das Projekt actorscut.com ohne weitere Umwege starten konnte. Vision gegen Vision, Jetzt!
Was waren die Gründe, warum Du nicht mehr als Schauspielerin weiter gearbeitet hast?
Ich habe mich von meinem Beruf als Schauspielerin aus verschiedenen Gründen entfernt: Ich kam in ein Alter, wo die Rollen nicht mehr so spannend waren oder wo ich sehr hätte kämpfen müssen, um gute Rollen spielen zu dürfen. Und da ich mit ganz tollen Menschen ganz tolle Projekte gemacht habe und viele schöne Sachen gespielt habe, kam mir das ziemlich absurd vor.
Außerdem habe ich mit 8 Jahren angefangen zu spielen (aus Not natürlich, 5 Kinder kein Geld, alle begabt, also ab auf die Bühne!) und dann kann man ja mal was anderes machen. Außerdem habe ich zwei Kinder zu versorgen. Nach einer Orientierungsphase habe ich angefangen mich mit digitalen Medien zu beschäftigen und hatte ziemlich schnell Lust, diesen virtuellen Raum mitzugestalten.
Und dann kam die Datenbank?
Genau! Das Erste, was ich gemacht habe, war 2000 dann auch die actorscut.com-Schauspielerdatenbank zu realisieren, die ich zusammen mit Schauspielern, Agenten und Programmierern entwickelt habe. Wir haben uns immer wieder gefragt: Findet man sich so zurecht? Und auch: Findet ihr euch so wieder? Findet ihr euch da gut? Wir wollten in erster Linie die Schauspieler sichtbar machen. Ich wollte sie aus den Karteikästen der Caster heraus holen. Ich habe versucht, mich mit der ZAV kurz zu schließen. Michael Fröhling war damals noch bei der ZBF, der heutigen ZAV, ein guter Freund aus Theatertagen, fand die Idee spannend, meinte aber, die Zeit sei noch nicht soweit. Was mich natürlich nicht davon abgehalten hat, die Idee zu realisieren. Wir entwickelten immer weiter und die Datenbank füllte sich mit Schauspielern, das war nett und spannend.
Im Laufe der Zeit hat sich das Bild der Website natürlich gewandelt! Wir haben fast romantisch begonnen, mit der Vorstellung, das Bild und die Identität des unabhängigen Schauspielers zu stärken, wenn nicht gar zu erfinden. Unabhängig von Agentur, Castern und Klüngel, offen und professionell, gleichberechtigt präsentiert in einem Pool von vielen. So haben wir uns das gedacht und so haben wir die Datenbank konzipiert. Die Schauspieler sind sofort sichtbar. Mittlerweile haben wir an der visuellen Ergonomie gearbeitet, schnelleren Ladezeiten, größere und mehr Bilder etc, sinnvolle Features, wie die Möglichkeit das Profil mit einem bestimmten Bild zu drucken, denn nicht selten hat man ja mit dem Regisseur schon über einen bestimmten Charakter-Typus gesprochen. Besonders wichtig ist die Suchmaschinenoptimierung, jeder einzelne Schauspieler ist unter seinem Namen sofort und an erster Stelle bei Google zu finden. Das ist uns sehr, sehr wichtig.
Welche Voraussetzung muss jemand mitbringen, dass er sich bei dir eintragen kann?
Er muss Schauspieler sein, braucht professionelles Bildmaterial und eine professionelle, künstlerische Vita. Mit einer Vita, die Schauspielerei als Hobby aufweist, ist es nicht getan.
Welche Formen von Schauspielereinträgen gibt es bei Dir?
Es gibt drei verschiedene Formen:
Zum einen: einen Bild/Texteintrag. Das kostet im Jahr 47,60 Euro. Zum anderen mit einen Videoeintrag, der aber nur dann 95,20 Euro kostet, wenn das Video auch bei uns gehostet wird. Das versuchen wir aber zu vermeiden, um unsere Server nicht unnötig zu belasten. Hier raten wir dann zu schauspielervideos oder YouTube, um Videos einzustellen.
Bei der dritten Eintragsform stellen wir dem Schauspieler dann seine eigene Domain mit eigenen Namen zur Verfügung. Das kostet dann ganze 20 Euro mehr im Jahr und ist auch mit dem Eintrag bei actorscut.com verknüpft, so dass es wie eine eigene Webseite wirkt.
Kann man diese eigene Website auch alleine buchen!?
Man kann die den Domainnamen auch in unserem anderen Geschäftsbereich der Webfirma alleine buchen.
Gibt es bspw. für Nachwuchsschauspieler oder Verbände Rabatte?
Ja, gibt es natürlich. Es gibt zum Beispiel immer wieder Aktionen, dass wir Nachwuchsschauspieler ein Jahr umsonst in die Datenbank aufnehmen. Wir verfolgen kein kommerzielles Interesse, sondern wollen etwas sinnvolles für Schauspieler tun: sehr viele verschiedene, hässliche, schöne, große, dicke, dünne, erfolgreiche, erfolglose Menschen sammeln, die sozusagen einen bunten Pool bilden, der die Film-, die Fernseh- und natürlich auch die Theaterlandschaft bereichert. Deshalb drücken wir da auch schon mal gerne ein Auge zu.
Wie viele Einträge haben bei dir Videos oder Videolinks? Oder ist es so, dass alle ein Video haben?
Nein, die sind nicht alle gefüllt. Man kann auch zu individuellen Webseiten oder zu einem externen Video verlinken, wenn man ein Video oder eine individuelle Internetseite hat, aber selbst das haben nicht alle. Somit kann ich Dir leider nicht genau sagen, wie viele Schauspieler Videos haben. Auf jeden Fall werbe ich dafür, dass es mehr werden, via YouTube ist es ja keine zumindest Kostenfrage mehr. Ich bekomme viele Anfragen und möchte wenig Arbeit haben. Ich will dann nur sagen: hier ist der Videolink. So soll es sein. Aber wir sind ja noch in der Steinzeit des Internet.
Wer pflegt denn die Einträge? Ihr oder die Schauspieler selbst?
Nein, das können und tun nur wir. Und das hat auch einen guten Grund. Wir haben uns das natürlich überlegt, ob wir das den Schauspielern ermöglichen wollen. Aber ich habe eine Zeit lang mal die Mails mit den Anfragen communitymäßig an alle Schauspieler geschickt und habe gemerkt, dass 45-jährige Schauspielerinnen sich auf eine Rolle einer 28-jährigen Frau bewerben. Da wurde mir klar, dass die Hoffnung, das Selbstbild, die Wahrnehmung, das Gefühl, vielleicht von der Bühne her, so undeutlich ist, dass man diese beiden Parteien nicht ungefiltert aufeinander loslassen darf. Also habe ich angefangen meinen Schauspielern das beizubringen und habe gesagt: „Macht das bitte so. Versteht bitte. Schickt mir eure Bewerbungen und umgeht mich nicht." Da das ja auch manchmal passiert. Und mittlerweile muss ich sagen, funktioniert das recht gut.
Ist die Datenbank geschlossen oder offen?
Sie ist offen. Man kann alle Schauspieler sehen. Selbstverständlich. Das finde ich ganz wichtig. Wir haben ja auch ganz viele Leute aus dem Ausland. Der Loginbereich ist nur für die Mitglieder, also die Schauspieler zugänglich, das ist ein Servicebereich der den Schauspielern bei ihrer Marketingarbeit hilft.
Wie viele Caster, Regisseure, Redakteure, Produzenten haben Zugang zu der Website und nutzen sie - gerne mit Namen und Zahlen?
Die Datenbank ist offen, daher haben wir keine solchen Zahlen und Namen,
Ich habe sehr viele Anfragen von Castingfirmen aus der Werbung. Vielfach auch aus dem Ausland oder von Regie-Studenten. Von Casting Directors ist das schwer zu sagen, die sagen ja nicht, ich habe den jetzt von actorscut.com oder so, sondern die sagen ja einfach, den habe ich gefunden.
Ein guter Freund kam aber neulich in eine Produktion und da war die ganze Wand voll von actorscut.com-Schauspieler-Ausdrucken. Weil ja oben immer actorscut.com drauf steht.
Der VdA-Pool ist ja nicht bei dir angeschlossen. Warum wurde er bislang noch nicht angeschlossen?
Ich will ehrlich sein: Was ist das überhaupt?
Wie viele Mitarbeiter hast Du, die sich explizit mit dir und der Schauspielerdatenbank befassen?
Wir machen das zu zweit, wenn auch nicht als Vollzeitkräfte.
Welche Betriebskosten hat eine Datenbank neben beispielsweise Personalkosten noch wie z. B. GEMA-Gebühren?
An die GEMA muss man Gebühren zahlen? Das ist ja eine Grauzone, die noch nicht so ganz zu Ende gedacht ist und ich setze mich auch gerne mit der GEMA auseinander. In Dänemark ist es ja z.B. so, dass überhaupt keine Videos gezeigt werden dürfen, weil die das dort aus rechtlichen Gründen verboten haben. Und das ist natürlich ein Schaden.
Aber das ist ja eine sehr interessante Sache mit der GEMA. Da müsste ich ja mal alle Videos ganz schnell zu YouTube laden, bei denen wir natürlich einen riesigen Account haben. Aber zurück zu Deiner eigentlichen Frage.
Ich habe das gerade mal ausgerechnet, dass die Personalkosten in der Woche bei etwas über 500 Euro bei einer normalen Bezahlung liegen. Man muss ja auch noch den Programmierer bedenken. Das sind nochmal ca. 80,- bis 100,- Euro pro Stunde. Neben den Schauspielereinträgen hat eine Datenbank ja an sich auch einen Pflegeaufwand. Die Datenbank, also das System selber, muss von einer Fachkraft gewartet und gesichert werden. Wir müssen ja immer mal mit Datenausfällen rechnen. Und da sind wir natürlich sehr spezialisiert. Da haben wir ein sehr kompetentes Team dafür. Strom, Telefon, Licht, Wärme in diesem kalten Winter nehme ich da mal raus, aber Du siehst, es summiert sich.
Gibt es eine Telefonhotline für User, die regelmäßig besetzt ist falls Fragen sind?
Ja, also 8 Stunden am Tag, an 5 Tagen in der Woche. Es gibt aber auch Schauspieler, die rufen samstags an, wenn etwas ganz wichtig ist. Das geht dann auch in Ordnung.
Wurde die Datenbank aus eigenen Mitteln finanziert oder gab es Förderung, Preisgeld etc.?
Nein, wir haben die Datenbank selbst finanziert, wurden dabei aber von ganz tollen Leuten finanziell und ideel unterstützt: Thomas Tannenberger von das Werk, Juliane Lorenz von der Rainer Werner Fassbinder Foundation und die Medienakademie Cimdata in Berlin. Am meisten habe ich aber meiner Kollegin Renate Wegener zu danken, die jede neue Idee und Änderung der Funktionalität mit ihrer Intelligenz und Intuition begleitet und umgesetzt hat. Aber ich habe sie immer dafür bezahlt und dafür gesorgt, dass das ein professionelles Projekt ist.
Führt Ihr eine Statistik darüber, wie oft ein Eintrag besucht wird und kommuniziert Ihr das auch dem Schauspieler?
Ja! Das ist uns ganz wichtig. Wir sammeln die Top 50 und können über die Jahre natürlich auch sehen, wer am meisten angeklickt wurde. Oftmals natürlich die schönsten Mädchen...(lacht). Die Schauspieler kommen auch manchmal vorbei und fragen nach und dann schauen wir uns das gemeinsam an. Natürlich erfahren wir nicht immer, wer über die Datenbank besetzt wird. Oft begegne ich einem Schauspieler auf der Straße und der sagt dann: Mensch, da hab‘ ich einen tollen Film gemacht. Danke nochmal! Was ich sagen kann ist, dass wir sehr hohe Klickzahlen haben, zwischen 4000 und 6000 Seitenaufrufe pro Tag, und das zu den üblichen Geschäftszeiten, was darauf schließen lässt, das hier Profis suchen.
Wie würdest du den aktuellen Schauspielerdatenbankmarkt beschreiben? Pflegst du Kontakt zur Konkurrenz oder anders formuliert Mitstreitern, Kollegen?
Ja, also ich habe einen guten Kontakt zu schauspielervideos. Wir treten uns zwar nicht ständig auf die Füße, aber wir sind uns sehr freundlich gesinnt. Ebenfalls habe ich einen sehr guten Kontakt zu Klaus Knittel von film-fernsehen, mit dem ich vor einer Weile auch überlegt habe, ob wir nicht einen gemeinnützigen Verein gründen, um sozusagen zwar eine Geschäftsbeziehung zu den Schauspielern zu haben, aber in dem Sinne kein Geld nehmen müssen.
Ich finde, dass unsere tolle Gesellschaft mit diesem wahnsinnigen Kulturgut „Schauspiel" gut umgehen sollte. Für eine Datenbank 20 Euro im Jahr zu zahlen, fände ich wirklich eine Errungenschaft. Dann hat man eine vernünftige Geschäftsbeziehung, man aktualisiert die Fotos, man kann ein kleines Leistungspaket für viele anbieten, aber es belastet den einzelnen nicht stark.
Welche Serviceleistungen bietest Du noch an und was unterscheidet Dich von den anderen Datenbanken?
Hier ist mir das Marketingseminar ganz wichtig zu erwähnen und überhaupt, dass wir eine lebendige Beziehung zu den Schauspielern pflegen und auch die Schauspieler untereinander. Wir haben ja auch seit zehn Jahren jeden ersten Freitag im Monat einen literarischen Salon. Hier kommen viele Schauspieler zusammen, schlagen auch selber mal Lesungen vor und vernetzen sich untereinander, was ich sehr toll finde, da sind schon viele Projekte entstanden. Um das schönste und wichtigste zu nennen: Der Bloomsday. Ein literarisches Fest zu Ehren James Joyce und seinem Roman "Ulysses", weltweit gefeiert jedes Jahr am 16. Juni. Das haben wir in Berlin zum Leben erweckt, eine wilde und tolle Angelegenheit, die u.a. von der irischen Botschaft und von Guinness unterstützt wird. Da stehen dann schon mal 40 Schauspieler auf der Bühne, und wir können irische Kollegen einladen mitzumachen. Auch hier gilt, und ich kann es nicht oft genug sagen: Vielen, vielen Dank an alle, die mit Ideen und Tatkraft dabei sind, allen voran an die Schauspieler und Ihre Kunst!
Einfach nur eine Datenbank zu haben und die einzusitzen, das würde mir persönlich wahrscheinlich nicht erfüllen. Ich muss die Schauspieler auch immer ein bisschen aus dem persönlichen Blickwinkel kennen. Wenn ich Besetzungen vorschlage oder wenn ich eine Liste bekomme und Vorschläge machen soll, dann nähert sich das ganz oft nicht nur über das, was ich in der Datenbank sehe, sondern über das, was über die Person weiß. Ich habe z.B. eine Schauspielerin, die auf Fotos nie gut aussah. Jetzt mittlerweile hat sie gute Fotos. Ich wusste um dieses Handicap, aber nur weil ich sie auch auf der Bühne gesehen hatte und mir klar wurde, was für eine irre Type sie ist, was sie bisher nicht visualisiert hatte. Und so etwas liebe ich. Ich liebe diese Entwicklung. Nicht, dass das jetzt meine große tolle Kompetenz ist. Aber es ist mein Interesse, mein Wunsch.
Was bringt die Zukunft bzgl. Neuerungen und welche Ziele verfolgst Du?
Ich denke in der Zukunft müssen alle mal wieder eine Beruhigung erfahren. Das "Rechenmodell Schauspieler" ist sehr verführerisch und ich habe natürlich in den zehn Jahren sehr viele Datenbanken entstehen, aber auch wieder verschwinden sehen. Ich habe mir das immer mit einer großen Gelassenheit angeschaut, weil es bei uns ein stabiles Gefüge gibt und ich mich niemals von Angst oder Konkurrenzdruck leiten lasse. Ich glaube, dass die Nervosität mit den neuen Datenbanken auch von Caster-, Firmen- oder Verbandseite ins Leben gerufen wurden, die aus einem Gefühl heraus gesagt haben, die unterstütze ich jetzt mal mit meinem Namen bzw. Etikette. Ich glaube da sind gerade viele Kämpfe, normale Kämpfe, auf dem Markt. Wer wird sich durchsetzen VHS oder Beta? Welches System setzt sich durch? Ich hoffe, dass es nicht so sein wird, dass sich ein System als Monopol durchsetzen wird. Ich glaube, wir werden alle mit den Videos und den Rechteverwertungen noch stark zu tun haben und werden uns da sowieso noch andere Formen der Präsentation ausdenken müssen. Ähnliches gilt ja auch für die Fotos, die irgendwelchen Rechten unterworfen sind. Und bei uns steht ja in den AGBs: Die Schauspieler sind für das, was sie präsentieren, selber verantwortlich. Und damit versucht man so eine Rechtssicherheit zu schaffen, in einem Raum, der gar nicht wirklich erledigt ist.
Dennoch liebe ich das Internet, weil man wirklich für Schauspieler Kampagnen machen kann, helfen kann, Präsenz zu schaffen, um sie sichtbar werden zu lassen. Es öffnet einfach einen ganz riesig, tollen, freien, demokratischen Wahnsinnsraum und den möchte ich ungerne durch Geschäftsmodelle oder Bürokratie hier oder da zugemacht sehen.
Parallel leitest Du „Agentur Lindig". Sind hier alle Schauspieler, die keine Agentur haben vertreten?
Nein. Da sind nur ein paar Schauspieler von actorscut.com, die mich gefragt haben, ob ich sie auch ein bisschen intensiver vertreten kann. Ich gebe ihnen vor allem Rückhalt, aber nicht als 24 Stunden tätige Agentin.
Meistens arbeite ich auch nur projektbezogen, wenn beispielsweise ein Schauspieler kommt, der keine Agentur hat und mich bittet, ob ich ihn bei einem Projekt vertreten kann. Dann tue ich das auch und bekomme für die Beratung und Vertragsverhandlung 10% Provision von ihm. Von den anderen nehme und bekomme ich keine Provision.
Selbstverständlich muss das Verhältnis zwischen uns stimmen. Ich muss ein gutes Gefühl haben und der Schauspieler muss ein gutes Gefühl haben, da wir ja in dem Moment ein Team sind.
Was machst Du noch neben dieser Tätigkeit?
Nach ein paar Jahren actorscut.com habe ich gemerkt, ich will und kann mit Schauspielern keine Geschäfte machen. Beispielsweise eine Lesung! Dies wird lange vorbereitet und dann sitzen da zehn Leute drin und von den zehn Leuten bringt jeder sieben Euro mit. Das sind dann 70 Euro. Also habe ich den Webdesign Bereich, der sich unter actorscut.com mitentwickelt hat - wir haben Webseiten und Marketing für Schauspieler und Theater gemacht - ganz von actorscut.com getrennt und webdesign-berlin.de gegründet. Das ist eine „ganz normale" Internetagentur für komplexe Datenbanken, TYPO3 Systeme und SEO, die natürlich von allen anderen Aktivitäten inspiriert ist. Das war kommerziell sofort ein voller Erfolg und ernährt uns sehr gut.
actorscut.com ist so ein bisschen das Baby, das Maskottchen von webdesign berlin, das so finanziert wird, oder?
Ganz klar: Ohne webdesign berlin würde das so nicht funktionieren, es müsste kommerzieller sein.
If I would change the world: Dann würde ich die andere Seite zur Kasse bitten, die, die sich an den Schauspielern bedienen, die ihre Kreativität vermarkten, also Caster, Regisseure, Sender usw..
Und die Schauspieler würden dafür bezahlt, dass sie dabei sind, das sie sich zur Verfügung stellen, das würde mir gefallen, das Verhältnis umzudrehen und zu sehen wie es dann weitergeht.
Vielen Dank für das Gespräch.
Offizielle Website:
www.actorscut.com
Zur Info:
Das Interview wurde am Pfingstsonntag, den 22. Mai von ca. 15.30 Uhr - 17.00 Uhr persönlich in Köln geführt.
Die 1:1 Fassung hat eine Gesamtlänge von 12 abgetippten DIN A4 Seiten (Arial | Schriftgröße 12 Punkt) Die vorliegende gekürzte Endfassung wurde chronologisch leicht aufgebrochen, um Themenschwerpunkte an entsprechender Stelle besser vertiefen zu können.
Ihre Meinung?
Leserbriefe werden wir gleich unter die Interviewreihe - auf mehrfache Frage auch anonym mit Angabe der Berufsbezeichnung - stellen! Bitte schreiben Sie uns an:
info@casting-network.de | Stichwort: Deutsche Schauspielerdatenbanken
Hier finden Sie die bisher veröffentlichten Stimmen:
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Neue Reihe:
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Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von "casting-network. Das Branchenportal". Mehr zu ihrer Person finden sie in der Rubrik: Über uns.
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