Wolfgang Wimmer übersetzt aus Uta Hagens
„A challenge for the Actor“ | Chapter: „For the Teacher“:
„Missbrauche deine Position nicht.
Mach dich nicht Groß und setz dich nicht auf einen Thron.
Der Stuhl des Coaches als Lehrer ist gefährlich.
Es kann das Ego aufblasen, Gefühle der Allmacht hervorrufen
und den Glauben erwecken, dass man alles weiß.
Es kann zu Cliquen-Bildung und Pseudo-Kultismus führen.
Lass dich nicht von der Bewunderung verführen.
Stell`die Schauspieler auf ihre eigenen Füße.
Erlaube ihnen nicht, von dir abhängig zu werden.“
Kreativ in der Krise. Daniel Gawlowski ist Schauspieler und Kommu- nikationstrainer. Mit dem Hintergrundwissen aus beiden Berufen entwarf er in der Corona-Zeit einen Kalender und Ressourcenpool unter dem Label #Wirtrainierenzusammen für Schauspieler*innen, der alles Mögliche abdeckt, wie virtuelle Trainings, Workshops, Webinare, Coachings und sein Actipedia-Projekt. Das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen und ist ausbaufähig, sowohl die Technik betreffend als auch beabsichtigte Inhalte und Synergien. Am allerwichtigsten aber ist es, dass möglichst viele mitmachen. Wir sprachen mit Daniel Gawlowski vor allem darüber, was im Coaching-Bereich noch alles möglich wäre - auch über die Grenzen der Schauspielbranche hinaus.
Wie kam es zu der Idee, einen Kalender und Ressourcenpool für Schauspieler*innen zu entwickeln?
Die Idee mit dem Ressourcenpool kam ursprünglich von Tim Garde, meinem Schauspielcoach, der sie im Kleinen bereits umgesetzt hat. Er hat eine kleine, aber feine Gruppe auf Facebook erstellt, in der täglich Inspirationen, Tools und diverse andere schauspielrelevante Inhalte von ihm oder den Mitgliedern geteilt werden. Von empirisch belegten psychologischen Modellen, die bei der Figurenentwicklung wunderbare Hilfestellung leisten, bis hin zu Berlinale-Veranstaltungs-Insiderwissen wird dort alles behandelt. Im www gibt es so unfassbar viel nützliches Material, welches wir Schauspieler*innen gewinnbringend für unsere Arbeit nutzen können, nur leider keine Plattform, die dieses Wissen gesammelt für alle zur Verfügung stellt. Da so ein „Actipedia“ extrem viel Arbeit bedeutet, entschied ich mich, erst mal einen kleinen Impuls zu setzen, um auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob sich so ein Kraftakt lohnen könnte. Da die Filmbranche hoffentlich bald wieder in Fahrt kommt und wir Schauspieler*innen wieder gut zu tun haben werden, erschien es mir naheliegend, erst mal die Workshops/Seminare/Webinare da draußen zu sammeln, damit wir uns wieder fit für die Drehsaison machen können. Um die Frage etwas konkreter zu beantworten: Die Idee gärte schon länger in meinem Kopf, und scheinbar brauchte sie noch einen klaren Befreiungsschlag, bevor sie ins Rollen kommen konnte. Und da hat sich die Krise als befreiende Kraft entpuppt.
Sehr interessant! Wo finde ich den Ressourcenpool? In den Anfängen gab es auf der Website “nur” einen Kalender zu sehen.
Auch wenn ich am liebsten schon eine ausgeklügelte Website mit allerlei Widgets hätte, kommt der Pool bis dato eher einem unaufgeblasenen Planschbecken gleich, das noch schön verpackt im Regal steht. Word Press zu lernen ist zwar nicht wie in Mathematik zu promovieren, aber doch aufwendiger als ich gedacht hatte. Insofern steht bis jetzt nur eben dieser Kalender.
Ich habe die letzten Tage an der Seite weitergebastelt und der Ressourcenpool ist jetzt unter „Actipedia“ zu finden. Ist wie ein Blog aufgebaut, der in unterschiedliche Rubriken eingeteilt ist. Das Sortiersystem ist noch nicht ausgefeilt, wird aber nach und nach professionalisiert. Was in Zukunft dazu kommen wird, sind Online-Fortbildungen zu Schauspielthemen nach dem Acumen-Academy-Vorbild oder dem KIC Institut. Die Inhalte dort sind zum Teil kostenfrei und meiner Meinung nach unglaublich hochwertig aufgearbeitet. Es gibt dort jeweils ein Thema, welches im Multilevel-Ansatz aufgearbeitet ist.
Was bedeutet das konkret?
Das heißt, Wissensvermittlung findet auf mehreren Ebenen statt: Lesen, Hören, Sehen, Erfahren, Trainieren, bezogen auf unser Handwerk. Ich kann zig Bücher lesen und Workshops besuchen. Wenn aber kein Plan dahinter steckt, sei es ein Bildungs- oder Trainingsplan, bleibt das Wissen letztlich nur im Kopf. Was uns wirklich weiterbringt, ist, diese Methoden und Modelle mit anderen über einen langen Zeitraum, also kontinuierlich und konsistent, zu trainieren. Erst dann findet eine langfristige Entwicklung der Fertigkeiten statt. #Wirtrainierenzusammen soll das möglich machen. Und aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das funktionieren kann. Zur Plattform wird auch eine aufgearbeitete Methodensammlung gehören. Da werden Stanislawski und Ivana Chubbuck genauso vertreten sein wie psychoanalytische Konzepte nach Sigmund Freud und Persönlichkeitsmodelle aus dem Businesskontext. Des Weiteren können sich auf #Wirtrainierenzusammen E-Casting-Paare verabreden und miteinander proben, noch bevor das eigentliche Casting stattfindet. Es wird eine Sammlung an inspirierenden Videos wie Masterclasses und Szenenbeispielen geben. Es werden Trainingsveranstaltungen angeboten, die sowohl von Coaches als auch selbstorganisiert von Schauspielern initiiert wurden. Und vieles andere, was dem Handwerk dienen soll. So zumindest die Vision.
Du bist in erster Linie Schauspieler, bezeichnest Dich aber auch als Kommunikationstrainer. Was genau ist das?
Das ist mein zweites Standbein. Eigentlich ist das nichts anderes als Figurenanalyse, nur mit echten Menschen und einem Drehbuch, welches von ihnen selbst geschrieben wird. Was ich da mache, sind im Wesentlichen Schulungen für junge Führungskräfte, die im politischen Kontext und in Stiftungen arbeiten. Da ist von „Augenkontakt halten“ bis „The greatest speeches in human history“ alles mit dabei. Ich teile sozusagen meinen Interaktionsreichtum mit Menschen, für die es wichtig ist, sich in diesem Bereich weiterzuentwickeln.
Wie stellst Du Dir die Infrastruktur der Coaching-Plattform zukünftig vor?
Naja, es soll ja keine Coaching-Plattform, sondern eine Trainingsplattform für Schauspieler*innen werden, die einen informativen Trainingskalender beinhaltet. Die Infrastruktur wird sich erst mit der Zeit herauskristallisieren. Grundsätzlich kann ich mir gut vorstellen, dass es als Pendant zum virtuellen Castingstudio auch einen virtuellen Trainingsraum gibt. In der virtuellen systemischen Aufstellung und im Bereich E-Learning gibt es inzwischen interessante Lösungen für Online-Begegnungen. Tricat hat eine ganze „Sims“-Welt für den Businesskontext gebaut. Jetzt mal einfach gedacht: Es ist Montagmittag, ich habe an einem Monolog gearbeitet und würde den gerne spontan einem anderen Schauspieler oder einem Coach vorstellen. Jetzt geh ich in dieser „Sims“-Welt in den Monolog-Proberaum und treffe da zufällig Jonathan Berlin, der dort auf einen E-Casting-Partner wartet. Und dann starten wir eine spontane, einstündige Trainingssession. Und somit können Jonathan, der in Berlin wohnt, und Daniel, der in München lebt, mal schnell in den Austausch und ins Probieren kommen. Anderes Beispiel: Ein Schauspielcoach hat Lust, neue Erkenntnisse aus seiner Arbeit in einer Lecture an seine Student*innen weiterzugeben. Er will dafür jetzt aber nicht unbedingt zig Einladungen verschicken, einen Raum mieten und ewig in der Gegend rumfahren. Er sucht sich einfach einen „Moderator“, der die Lecture für ihn technisch begleitet, und spart somit Kosten, Zeit und CO2. Das sind jetzt natürlich alles Zukunftsentwürfe, die unglaublich aufwendig zu programmieren und koordinieren sind. Und natürlich ist die echte Live-Begegnung unersetzbar. Das stelle ich in jeder Hinsicht außer Frage. Trotzdem könnte eine smarte virtuelle Infrastruktur in bestimmten Bereichen sehr bereichernd sein.
Du arbeitest ja mit dem sogenannten Lean-Startup-Ansatz, wo nicht im stillen Kämmerchen ein Produkt fertig entworfen und auf den Markt gebracht wird, sondern mit der entsprechenden Zielgruppe schrittweise Wünsche oder Bedürfnisse ausgearbeitet werden. Wie gehst Du hierbei konkret vor?
Um kurz noch mal den Begriff des „Lean-Startup“ zu beschreiben: Das ist in etwa so, wie wenn ich mit meinem Spielpartner eine Szene spiele, und mein Partner macht ganz was anderes, als ich geplant hatte. Ein sehr guter Schauspieler geht sofort darauf ein. Auch wenn die Vorbereitung immens wichtig ist, gilt es in dem Moment, sobald die Kamera läuft, alles loszulassen und im Hier und Jetzt anzukommen. „Lean“ ist nichts anderes als ein solcher Dialog. Ich sage etwas, mein Partner reagiert, worauf ich wiederum reagiere. Ich entwerfe ein Produkt und warte, wie die Nutzer*innen darauf reagieren, worauf ich wiederum reagiere. Somit kann ich schnell mein Produkt an die Bedürfnisse der Nutzer*innen anpassen. Ganz konkret: Der Kalender war so ein „Lean-Produkt“, nichts Ausgefeiltes und relativ nutzerunfreundlich. Ist gut angekommen. In der nächsten Woche habe ich einen Programmierer beauftragt, der den Kalender mit weiteren Funktionalitäten erweitern soll. Dann kommt es auf die Schauspielcommunity an, ob die Plattform noch weiter ausgebaut wird oder nicht. Im Moment geht es mir ähnlich wie anderen Kolleg*innen: Ich habe relativ viel Zeit. Wenn die ersten Castings reinkommen, liegt meine Priorität auf jeden Fall wieder bei der Schauspielerei. Deswegen suche ich tatkräftige Unterstützung bei dem Projekt.
Wie wichtig ist es Dir, über den Tellerrand der Film-, Theater-, Synchron- und Fernsehbranche hinaus zu schauen?
Ich bin da ein totaler Maniac. Ich würde schon fast sagen, dass ich meine bisherige Lebenszeit fast ausschließlich außerhalb dieses Tellerrandes verbracht habe, was nicht immer förderlich für mein Weiterkommen als Schauspieler war. Inzwischen suche ich die Balance, bzw. versuche in allem, was ich mache, die Verbindung zur Schauspielerei herzustellen. Das gibt meinem Schauspielprofil langsam eine spezifische Wertigkeit, die im besten Falle besetzungsrelevant ist. Ich habe zum Beispiel jahrelang mit hochriskanten Finanzprodukten gehandelt. Wer weiß, ob mir das bei der vierten Staffel von „Bad Banks“ nicht zugutekommen wird. Filme und Theaterstücke sind ein Spiegel der Gesellschaft. Deshalb müssen wir uns mit ihr intensiv auseinandersetzen, sonst bleibt unsere Arbeit mittelmäßig.
Viele sprechen hierzulande von einer fehlenden Trainingskultur. Siehst Du das auch so? Und wenn ja, warum ist das so?
Sehe ich ähnlich. Als ich in Bonn am Theater gespielt habe, suchte ich lange Zeit nach einer Trainingstruppe in Köln. Schließlich habe ich mit zwei Kollegen selbst eine gegründet. Wir waren zehn Mitglieder, von denen meist nur drei bis vier kamen. Nach drei Monaten hat sich das dann komplett aufgelöst, weil die Disziplin und das Commitment stark nachgelassen hatten. Ich weiß, dass es in Berlin vereinzelt Gruppierungen gibt. Und in München hatte ich das Glück, bei Lene Beyer im wöchentlich stattfindenden Seminar einen Platz zu ergattern. Hier und da gibt es Trainings-Ensembles. Gemessen an den aktiven deutschen Schauspieler*innen sind es aber meiner Meinung nach sehr wenige. Da geht auf jeden Fall noch mehr. Warum das so ist? Wenn ich mich selbst als Beispiel nehme, so dachte ich nach der Schauspielschule, dass die Rollen schon irgendwie kommen würden und dass meine Ausbildung dafür voll auszureichen hat. Ich war ja jung, sah gut aus, hatte Talent. Geiler Typ, den muss man haben! Genauso dachten auch circa 200 andere Mitabsolventen. Wäre mal interessant, eine Studie darüber zu machen, wie viele von denen heute von der Schauspielerei leben können. Zum Glück hatte Andi, mein Manager, da aber immer wieder den Vergleich zu Profifußballern gezogen. Wenn du als Fußballer nicht regelmäßig trainierst und dich coachen lässt, dann wird das nix mit Bundesliga. Irgendwann hatte ich das dann begriffen und angefangen, in mich zu investieren. Das Investment trug Früchte. Aber es war ein langwieriger und mühsamer Prozess. Wieso ich auf dem Gebiet so beratungsresistent war, war glaub ich die fehlende Erfahrung mit Coachings und Workshops, die „ja eh nichts bringen“. Außerdem gehts bei machen Kollegen auch ohne, wieso sollte es bei mir dann anders sein? Ich habe aber das Gefühl, dass zumindest in diesem Punkt langsam ein Mindshift von Seiten der Schauspieler*innen stattfindet.
Du besuchst selbst gerne physisch sogenannte „Meetups Business-Konferenzen“. Was ist das?
Das sind meist kostenlose Themenveranstaltungen, zu denen man sich auf meetup.com anmelden kann. Dort gibt es einen Host, meist ein lokales Unternehmen, welches die Räumlichkeiten und kleine Snacks anbietet, und den Veranstalter, der entweder selbst ein Thema vorstellt oder die Themen seiner Gäste moderiert. Und obwohl die Treffen nichts kosten, hatte ich meist das Glück, dass sie trotzdem qualitativ sehr hochwertig waren. Die Begegnungen mit den Menschen dort, die so gar nichts mit der Filmbranche zu tun haben, waren jedes Mal unglaublich bereichernd. Und zwar für beide Seiten.
Die Bandbreite an Meetup-Gruppen bzw. Themen reicht vom Papageienzüchter bis hin zum mathematischen Genie. Wo liegen Deine Interessen?
Egal ob im Theater oder am Filmset: Mich hat immer interessiert, wie sich die Zusammenarbeit von Menschen kreativitätssteigernd und trotzdem effektiv gestalten lässt. Mein erstes Meetup, das ich im November letzten Jahres besucht habe, handelte davon: Scrum. Ein Rahmenwerk, welches in der Softwareentwicklung für solche Prozessoptimierungen angewendet wird. Danach war ich süchtig und hab alles mitgenommen, was in irgendeiner Weise mit Kommunikation, systemischer Strategieentwicklung, Persönlichkeitsentwicklung, Trainingsmethoden und Arbeitsgestaltung in Zeiten von Digitalisierung und schnell vergehenden Trends zu tun hat.
Was lässt sich davon für den Schauspielbereich nutzen?
Absolut alles! Von kooperativen Trainingsmethoden wie „Working out Loud“, die dank eines festgelegten Rahmenwerks und klimaneutraler virtueller Zusammenarbeit auch ohne Coach auskommen, bis hin zu Marketing und Strategieentwicklung in der Selbstvermarktung ist für uns Schauspieler*innen alles dabei. Etwas Vorwissen zu den Themen ist immer ganz nützlich, danke Wikipedia dafür, dann läuft der Wissenstransfer meist geschmeidiger.
„Zoom“-Sessions können aber doch nicht alles abdecken, oder?
„Zoom“ ist auf den Business-Kontext ausgelegt und kann in Verbindung mit anderen Kooperations-Softwarelösungen einen unfassbar großen Bereich abdecken. Viele Firmen arbeiten inzwischen nur noch Remote, und das sehr erfolgreich. Wenn ich mir jedoch die Filmbranche anschaue, dann lebt diese natürlich von einer hohen Ton- und Bildqualität. „Zoom“ fungiert da eher als Notfallpflaster. Mit der Zeit werden immer bessere und ausgefeiltere Hard- und Softwarelösungen auf den Markt kommen, die die virtuelle Interaktionsfunktionalität erweitern und verfeinern werden. Castforward hat vor ein paar Tagen das virtuelle Casting-Studio vorgestellt, und ich wette, dass das im Castingprozess in Zukunft so einige Live-Castings in der Vorauswahl ersetzen wird. Vorausgesetzt die Technik funktioniert, und die Casting-Realität lässt sich im virtuellen Raum ähnlich abbilden. Das gilt es aber erst mal zu testen.
Wie prüfst Du die Seriosität der Angebote?
Da vertraue ich erst mal auf die Schwarmintelligenz der Community. Unsere Branche ist ja doch relativ klein und übersichtlich. Ansonsten teste ich die Angebote selber oder lasse bei Teilnehmer*innen nachfragen. Kann sein, dass ich mich damit verzettele. In meiner Vorstellung sollte das aber kein großes Problem darstellen.
Schauspieler*innen fallen nach der Schule oft in ein Loch. Was könntest Du hier als Hilfestellung vorstellen?
Jetzt im Nachhinein hätte ich mir mehr branchenübergreifende Projekte gewünscht, sodass wir Studenten auch in Kontakt mit anderen Berufsgruppen kommen. Oder dass es verstärkt Module gibt wie Marketing, Psychologie, Philosophie, Freie Szene, Physiotherapie … keine Ahnung, was. Hauptsache etwas, das den Horizont erweitert und die Studierenden gedanklich schon mal fürs mögliche zweite Standbein vorbereitet, falls es anfangs vielleicht, oftmals, in der Regel, nicht so läuft wie gewünscht. Unserem Jahrgang wurde gleich zu Beginn des Studiums nahegebracht, dass rein statistisch gesehen circa 40 Prozent unseres Jahrgangs nach der Ausbildung etwas ganz anderes machen werden. Und ich kam von einer sogenannten renommierten Schule. Meiner Meinung nach bereitet das Ausbildungssystem nicht mehr adäquat auf die gegebenen Umstände vor. Ältere Kollegen erzählen mir immer wieder von den Goldenen Zeiten, wo du von der Schule kamst und dein Engagement sicher in der Tasche hattest. Die Zeiten sind längst vorbei. Da braucht es ein Umdenken, welches das System selbst initiieren muss.
Die Deutschen sind laut einer Studie auch 2020 wieder auf Platz 4 im Bereich Innovation ganz vorne. Beim Thema Offenheit rangierten sie seit Jahren allerdings auf den hinteren Plätzen. Wo hakt es hier Deiner Meinung nach?
Darüber gibt es auch Dutzende spannende Thesen und Studien. Die deutsche Mentalität wird im internationalen Vergleich bekanntermaßen eher als konservativ und vorsichtig beschrieben. Das ging die letzten Jahrzehnte sehr gut, könnte aber langfristig der Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Industrie schaden. Und die Kausalität ist wohl bekannt: Krankt die Wirtschaft, so wird als Erstes bei der Kultur gespart. Es ist kein Geheimnis mehr, dass die deutsche Automobilbranche von Tesla technologisch um fünf Jahre zurückgeworfen wurde. Das Erfolgsmodell „Made in Germany“ könnte bald auslaufen. Auf die Film-, Fernseh- und Theaterbranche will ich erst gar nicht eingehen. Da gibt es inzwischen etliche Artikel und Kommentare von Kollegen, die die ungünstigen Umstände in diesen Branchen offenlegen. Auf der anderen Seite – deshalb Innovationsspitzenreiter – gibt es nirgends in Europa, oder sogar auf der Welt, so gut organisierte und fortschrittliche Plattformen für Filmschaffende wie Crew United, Castforward, casting-network, usw. Vor Kurzem gab es in Deutschland auch den größten Hackathon der Welt, welcher von der Bundesregierung mitinitiiert wurde. Konservativ und vorsichtig. Aber auch Dichter und Denker. Wenn ich so nachdenke, finde ich diese Polarität wiederum sehr spannend und anregend. Vielleicht sollte mal ein Film darüber gemacht werden. Könnte ein weltweiter Kassenschlager werden. Oder die Netflix Top Ten erklimmen.
Wie finanziert sich dein Projekt?
Erst mal aus eigener Tasche, was aber auf Dauer natürlich keine Lösung ist. Ich werde mich auf jeden Fall nach Investoren umschauen und vielleicht auf das Wikipedia-Spendenmodell zurückgreifen. Aber diese Gedanken mache ich mir dann, wenn die ersten Feedbacks kommen und die Wertigkeit dieser Idee abzuschätzen ist.
Vor der Pandemie ist nach der Pandemie … oder? Was würdest Du ändern wollen?
Da gibt es so vieles, dass ich nicht weiß, was wo ich anfangen soll. Ich denke, dass es ein guter Anfang wäre, nicht wieder ins Business-as-usual-Räderwerk zurückzufallen. Die Frage ist nur, auf welchem Reifegrad sich unsere Gesellschaft befindet. Ob sie es überhaupt schafft, sich bewusst gegen die Rückbesinnung auf ungünstige eingefahrene Handlungsmuster zu entscheiden. Wir haben einen digitalen Frühling erlebt. Vielleicht kommt jetzt erst mal der analoge Sommer, bevor der Transformationsherbst greift. Ich bleibe gespannt.
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