Cornelia von Braun - Steckbrief
Innerhalb der Casting Director-Landschaft ist Cornelia von Brauns Werdegang etwas untypisch:
Nach dem klassischen Studium der Volkswirtschaft ging sie ein halbes Jahr als Trainee zur EU nach Brüssel. Danach war sie 4 Jahre bei Siemens in einer volkswirtschaftlichen Abteilung beschäftigt. Diese Tätigkeit füllte sie jedoch nicht aus und sie suchte nach einem Job, in dem sich ihre wirtschaftlichen Kenntnisse mit ihrer Liebe zum Kino verbinden ließen. Somit übernahm sie bei einer kleinen Produktionsfirma in München die Aufgaben, die vom Skript über die Aufnahmeleitung und Regieassistenz bis hin zur Produktionsleitung reichten. 1982 kam sie zur Kirch Media - damals noch TaurusFilm -, und leitete jahrelang die hausinterne Besetzungsabteilung. Nach der Kirch-Insolvenz in 2002 machte sie sich als Casting Director 2003 selbständig. Cornelia von Braun ist Mitglied des BVC (Bundesverband Casting) und seit 2008 dessen Vorstandsvorsitzende.
Sie waren jahrelang als Casting Director bei Kirch Media angestellt. Wie sind Sie zu dieser Anstellung gekommen?
Ich arbeitete als freier Aufnahmeleiter und kam aus Zufall zur Kirch Media in eine neu gegründete Abteilung, die europaweit Co-Produktionen aufbaute. Bald stellte sich die Frage, ob man nicht als Unternehmen auch Einfluss darauf nehmen sollte, welche Rollen mit welchen Schauspielern zu besetzen sind, also welche deutschen Schauspieler man besetzt, um die Platzierung in Deutschland zu erleichtern, und welche italienischen oder französischen Schauspieler man bei deutschen Produktionen mit reinnimmt, um das Programm im französischen Fernsehen zu platzieren. Nach einer Zeit, in der jeder Producer für die Besetzung verantwortlich war, wurde ich gebeten, eine Besetzungsabteilung aufzubauen. Hier kamen mir die EDV-Kenntnisse von Siemens zugute, denn ich konnte mit den Programmierern von Kirch Media noch reden, was ich benötigte und wo es Verlinkungen mit dem Bestehenden gab. Das gesamte Filmarchiv von Kirch Media war schon zu der Zeit, in der ich dort anfing, 1982, auf EDV, und hatte ganz komplizierte Abfragemechanismen, die es mir ermöglichten, bereits damals Informationen zu Filmen und Personen zu erhalten, wie sie mittlerweile in der Internetwelt gang und gäbe sind. Auch hatte ich in dem großen Filmarchiv Zugriff auf Filmmaterial der Darsteller, um es Regisseuren zu zeigen. Damals fing es gerade erst langsam an mit den Demotapes, und es war noch nicht entschieden, ob sich U-matic, VHS, Beta oder Video 2000 durchsetzen würde. Das war sozusagen die Stunde Null der EDV-unterstützten Besetzungszeit.
Heute sind Sie freiberuflich tätig. Wie kommt es zu den Projekten mit internationalem Cast?
Das war natürlich eine Frage der kurzen Wege. Die italienischen Produzenten haben mich in der Kirch-Zeit angerufen und mit mir besprochen, wen sie sich für eine bestimmte Rolle vorstellen und mit welchem Budget sie arbeiten. Ich kannte sie einfach, die wissen, was sie von mir kriegen, was funktioniert oder nicht, und ich konnte auch bei organisatorischen Dingen helfen. Ein italienischer Herstellungsleiter hätte etwa große Schwierigkeiten, einer deutschen Agentur zu erklären, was ein E 101 ist und wie es auszufüllen ist. Das weiß ich. Zur Erläuterung: Das ist ein Sozialversicherungsformular, das nachweist, dass ein deutscher Schauspieler in Deutschland sozialversichert ist, damit er in Italien keine Sozialversicherung mehr zahlen muss. Nach der Kirch-Insolvenz gab es dann italienische Produzenten, die bei mir anriefen und sagten, wir werden weiterhin Co-Produktionen in Deutschland machen, und mich in Zukunft als freelancer aus dem Budget beschäftigen. Das war einfach eine sehr positive Erfahrung, dass Produzenten von selber anriefen und sagten, natürlich werden wir auch in Zukunft mit dir arbeiten und dich bezahlen.
Wie unterscheiden sich die Produktionslandschaft/die Produktionsbedingungen in Deutschland von denen in Italien und Frankreich?
In Italien wird nicht so viel gedreht. Ein deutscher Schauspieler hat heute etwa zwei Drehtage Tatort, dann noch einen Drehtag dazwischen, um ein anderes Projekt abzudrehen, und dann kommt ein neues TV-Movie mit voraussichtlich fünf Tagen. In Deutschland gibt es viel mehr Sender, die wirklich aktiv produzieren. In Italien gibt es das nicht. In Italien und Frankreich unterscheidet sich auch prinzipiell die Kino- von der Fernsehlandschaft. Hier spielen ein Thomas Kretschmann oder Armin Müller-Stahl auch im Fernsehen. Es gibt ganz wenige Schauspieler in Deutschland, die nicht auch im Fernsehen auftreten.
Deutsche Caster verraten oft nicht so gerne, was sie gerade besetzen. Ist die Geheimniskrämerei eine typisch deutsche Eigenheit?
Wenn wir etwas veröffentlichen, wissen wir, dass wir am nächsten Tag 300 E-Mails von Leuten bekommen, die nichts mit der Anfrage zu tun haben. Wir definieren z.B. im Breakdown, dass Pro7 für eine gewisse Rolle einen „Namen" wünscht und erhalten Vorschläge von Agenturen, die „unbekannt" sind. Oder man wird gefragt: „Was für Rollen sind denn sonst noch in dem Projekt?", obwohl zu diesem Zeitpunkt erst von der Besetzung der Hauptrolle abhängt, ob der Produzent den Zuschlag für das Projekt erhält. Ich würde deshalb nie einen Breakdown an alle deutschen Agenturen schicken.
Hat sich Ihre Arbeitsweise in den letzten Jahren geändert?
Ja. Es wird alles viel kurzfristiger, und bevor ein Regisseur oder Produzent entschieden hat, wer was spielt, reden bis in die kleinsten Rollen Redakteure mit rein, was den Entscheidungsprozess natürlich erschwert, da jeder eine Wunschvorstellung hat. In Deutschland wird überhaupt nur noch mit Video besetzt, wo man in anderen Ländern zu Castings eingeladen wird, ist das ja hier schon aus Kostengründen fast die Ausnahme geworden. Das liegt sicher auch daran, dass es in Frankreich, England, Italien oder Amerika einfacher ist, ein Casting zu machen. Da leben alle Filmschaffenden in einer Stadt. Hier in Deutschland macht man dann ein Casting und wird gefragt: „Ja, und wer zahlt mir die Reisekosten?". Naja, und dann sagt man: „Niemand".
Was sind gute, was sind beklagenswerte Entwicklungen im Beruf des Casting Directors?
Der Beruf ist schwieriger geworden. Früher hatte man einen Regisseur oder Produzenten als Ansprechperson, der über die Hauptrolle entscheiden konnte. Es gab ein großes Vertrauen der Sender, dass die Produktion schon einen richtigen Cast zusammenstellen würde. Heute werden irgendwelche Listen hin- und hergemailt, und dann wird abgehakt, der hat aber keine Zeit, und dann ist ein Drehbuchgespräch oder Produktionsgespräch und das Ganze wird nochmal zwei Monate nach hinten geschoben, dann werden die Termine nochmal neu geprüft, und dann entfällt Schauspieler X, damit entfällt aber auch die Schauspielerin Y, weil das eine Paarkonstellation war und man ist wieder am Anfang.
Sie sind ja schon länger im BVC aktiv. Als Vorstandsvorsitzende haben Sie gerade Anja Dihrberg abgelöst. Welche neuen Aufgaben und Herausforderungen kamen auf Sie zu?
Ich hätte nicht gedacht, wie viel Detailarbeit das ist, mit dem man sich täglich auseinandersetzen muss. Aber mir macht der Kontakt zu meinen Kollegen aus dieser „übergeordneten" Perspektive Freude und es ist etwas anderes, als Verbandsvorsitzende aufzutreten, wenn die Interessen unseres Berufsstandes wiedergegeben werden sollen.
Was beschäftigt den BVC derzeit?
Ganz banale Dinge. Gestern sah ich wieder einen Kinofilm von einem jungen Regisseur, der für seinen Erstlingsfilm sogar Nebenrollen zweimal zum Casting eingeladen hatte. Im Film sind die Caster hinten beim Catering genannt und nicht vorne bei den Schauspielern, wo man sie eigentlich suchen sollte. Dies ist doch eine Missachtung der Arbeit eines Casting Directors und einem jungen Regisseur muss das auch gesagt werden. Insgesamt tasten wir uns gerade langsam voran, - so lange gibt es den Verband ja auch noch nicht, - was wir mit ihm bezwecken. Wir müssen zunächst Vertrauen zueinander bekommen, denn im Prinzip sind wir ja natürlich Konkurrenten zueinander. Wir sind ein kleiner Verband und die Zahl unserer Auftraggeber ist begrenzt. Da ist man immer sehr skeptisch und man fragt sich, was macht mein Kollege denn da, der unterbietet mich doch jetzt gerade und hat deshalb den Auftrag gekriegt. Ich glaube, es fängt gerade an, dass im BVC ein Grundvertrauen zueinander entsteht und wir merken, dass wir doch sehr ähnliche Interessenslagen haben.
Warum gibt es bei der Deutschen Filmakademie keinen Castingpreis?
Unsere Frage ist natürlich nicht der Castingpreis, sondern warum Casting Directors nicht in der Deutschen Filmakademie vertreten sind. Wir können nur „Freund und Förderer" werden, und ich bin nicht Freund und Förderer, ich bin Teil der deutschen Filmindustrie. Ich wäre durchaus mit einem harten Kriterium einverstanden, dass man etwa sagt: Der Caster muss seit mindestens fünf Jahren im Geschäft sein, um in die Akademie aufgenommen zu werden. Das Absurde ist, dass mittlerweile meine Kollegin Anja Dihrberg im Gremium bei den Schauspielern sitzt, die über die deutsche Nominierung des Emmy entscheiden, sie aber nicht Mitglied der Filmakademie sein kann. Dort wird sie als kompetent für diese Tätigkeit erachtet, bei der Deutschen Filmakademie aber nicht.
Erst kürzlich wurde wieder von Agentenseite vorgeschlagen, eine BVC Schauspielerdatenbank mit einheitlichen Vorgaben im Internet anzulegen. Wie wurde sein Vorschlag im BVC aufgenommen?
Wir sind kein Verlag wie bspw. Spotlight in Großbritannien! Wir selbst haben zur Erstellung einer solchen Datenbank keine Manpower. Womit sollten wir die auch finanzieren? Wir haben bereits eine Wunschliste (siehe Anhang) erstellt, mit der wir den Leuten an die Hand geben, welche Vorgaben wir gerne in einer Datenbank und auf den Websites der Agenturen hätten. Wir werden aber sicher keine Äußerungen machen, dass uns diese oder jene Datenbank lieber ist. Wenn wir eine Datenbank mit Schauspielern finden, nehmen wir die natürlich auch auf, schauen, welche ist preiswerter, welche hat die schöneren Fotos, in welcher werden die Daten häufiger richtig aktualisiert und, ganz wichtig, wie vollständig ist sie. Eine Datenbank mit 500 Darstellern ist keine Datenbank, sondern ein kleiner Zettelkasten. Ich hoffe auch, dass es irgendwann eine vernünftige ZAV-Datenbank gibt, die uns ermöglicht, auch einfach auf alle Infos von Darstellern zuzugreifen, die von der ZAV vertreten werden, da dort für gewisse Rollen eine besonders große Auswahl an Darstellern zu finden ist.
Wonach richtet sich, welcher Schauspieler für eine bestimmte Rolle gecastet wird?
Namen! Die Hauptrollen sind Namen in Deutschland. Insofern ist es kein Zufall, dass man in diese Kategorie nur langsam reinkommt, also muss man spielen, spielen, spielen und hoffen, dass man in einer Rolle wahrgenommen wird. Eine Tanja Wedhorn zum Beispiel, die „Bianca" gemacht hat, eine Telenovela am Nachmittag, wurde daraufhin vom ZDF gehyped und spielt jetzt alles, was dem ZDF gut und teuer ist.
Wie schwer ist es geworden, Komparsen von Nebenrollen abzugrenzen?
Das fängt bei uns gerade an, extrem zu werden mit den Budget-Diskussionen. Es stellt sich die Frage, was ist eigentlich noch ein Schauspieler, was sollte ein Schauspieler finanziell verdienen? Man bekommt gesagt, für die Rolle gibt es nur 300 Euro, aber eigentlich brauchen wir dafür einen Kammerschauspieler, der auch noch 70 Jahre alt sein muss, wo man nur kopfschüttelnd fragen kann: Du willst einem gestandenen 70-jährigen Schauspieler 300 Euro anbieten?
Was kann ein Schauspieler tun, um aus großen Archiven wie Ihrem herauszustechen und so die Chance auf ihre Besetzung zu verbessern?
Ich weiß es nicht. Es ist so, dass man sich an den Einen erinnert, und an den Anderen nicht. Ich erlebe das bei mir selber, dass ich etwa weiß: Dieser Schauspieler müsste eigentlich im letzten Jahr bei mir gewesen sein. Und ich rede mit ihm und er sagt: Ja, das war doch so und so in Oberhaching. Ich denke, so, der war in Oberhaching bei mir, aber ich habe keine Ahnung mehr, was er mir erzählt hat. Einen Andern sehe ich quer durch den Raum und ich erinnere mich an die Unterhaltung mit ihm. Das ist wie im täglichen Leben: An die eine Bäckersfrau erinnern Sie sich, bei der anderen wissen Sie nicht mal mehr, dass sie bei Ihr Brötchen gekauft haben.
Haben Sie einen Tipp, wie man nicht negativ auffällt?
Oft sitzen mir Schauspieler gegenüber, die fragen: „Und was besetzen Sie eigentlich?". Die kennen meine Vita nicht. Wenn man mich einmal googelt, kommt man entweder auf die BVC-Seite, oder man landet bei imdb, wo ich eine lange Vita habe. Eigentlich müssten die wissen, was ich caste! Die Darsteller erwarten von mir, dass ich mir für ein Gespräch Zeit nehme, und haben sich auf dieses Gespräch nicht vorbereitet.
Ist es für Schauspieler schwieriger, wenn sie keine Agentur haben?
Ja. Gerade unbekannte Schauspieler sollten deshalb auf jeden Fall bei der ZAV vorsprechen. Bevor wir anfangen, für die Eintagesrollen, das sind ja die unbekannten Schauspieler, jemandem privat hinterher zu telefonieren, habe ich die Rolle im Zweifelsfall über eine Agentur oder die ZAV, wo ich immerhin drei, vier andere Rollen abfrage, bereits besetzt. Bei der Suche nach einer Agentur sollte man sich die Webseite vorher genau anschauen und sich selber und die Agentur richtig einordnen: Sind das Kollegen, die auf dem gleichen Level sind wie ich, oder sind das Kollegen, wo man sich sagt: Nein, die machen eigentlich nur irgendwelche Dailys-Geschichten, das will ich ja gar nicht. Wenn man ein junger Schauspieler ist und sich sagt, ich möchte gerne zu der „Staragentur", muss man sich auch fragen, weshalb sollte denn die Staragentur dich wollen, du musst ja erstmal was spielen, dass sie auf dich zukommen.
An welchen Projekten arbeiten Sie derzeit?
Das ist jahreszeitlich total unterschiedlich. Die Hauptjahreszeit war in letzter Zeit erstaunlicherweise Januar und Dezember. Ich habe über Weihnachten durchgearbeitet, weil im Januar eine Produktion in Italien anfing, was hieß, dass ich von den Agenten unbedingt die Handynummern in den Weihnachtsferien brauchte, weil ich das passend organisiert haben musste. Für nächstes Jahr bereite ich ein Projekt von Rainer Matsutani für Wiedemann & Berg vor.
Was wünschen Sie sich für den BVC für die Zukunft?
Wir wollen natürlich noch mehr Kollegen einladen, in den Verband einzutreten. Wir wissen, dass es viele Kollegen gibt, die ein Klasse Casting machen, und wünschen uns diese in unserem Verband. Wir sind da völlig offen und suchen mit jedem das Gespräch.
Vielen Dank für das Gespräch!
Im Anhang finden Sie als pdf die Wunschliste des BVC für Darsteller und Agenturen.
Anhang ansehen / runterladen:
Tina Thiele studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Kulturelles Management in Köln. Sie ist Chefredakteurin von "casting-network. Das Branchenportal". Mehr zu ihrer Person finden sie in der unter der Rubrik: Über uns.
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